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Deutschland im regionalen Flughafen-Wahn

Flughafen Hof-Plauen. Bild: Schlauchen ebt. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Verschwendungssucht und lokalpolitischer Größenwahn: Regionalflughäfen belasten die öffentlichen Kassen von Jahr zu Jahr immer stärker

Wenn die gewählten Repräsentanten eines demokratischen Staats große Bauvorhaben planen, ist immer höchste Alarmbereitschaft geboten; denn es geht ihnen so gut wie niemals darum, Bauten zu errichten, die der breiten Bevölkerung nützen.

Sie wollen sich selbst pompöse Denkmäler setzen, an die sich noch viele Generationen erinnern. Sie planen prachtvolle Prestigebauten, die ihre Wiederwahl garantieren. Deshalb schaffen sie am laufenden Band Bauruinen - bombastische Millionen- und Milliardengräber, in denen sie öffentliche Gelder versenken und die schon bald nutzlos in der Landschaft stehen.

Man braucht dabei gar nicht den Finger in die offene Wunde der großen Lachnummern öffentlicher Planung wie den Flughafen Berlin-Brandenburg zu legen. Da ist die Misswirtschaft für jedermann so offensichtlich, dass es schon geschmacklos ist, darauf noch länger herumzuhacken. Die alltägliche Misere der meisten anderen Protzprojekte ist nicht minder schändlich als die endlose Geschichte vom grandiosen Flughafen BER, der nie fertig wird.

Deutschlands wuchernder Flughafen-Wildwuchs ist ein eklatantes Beispiel für den hirnlosen Umgang demokratisch gewählter Dorf-, Stadt- und Landesfürsten mit öffentlichen Geldern.

Da sind übers ganze Land planlos viele Flughäfen verstreut worden, die einander allesamt heftige Konkurrenz um den Ehrentitel "Deutschlands überflüssigster Flughafen" machen. Und wer diesen Titel am Ende gewinnt, ist ungewiss; denn es reißen sich viel zu viele um ihn.

Die traurige Geschichte deutscher Regionalflughäfen

Der Wildwuchs regionaler Verkehrsflughäfen ist die Folge einer völlig verkorksten Verkehrspolitik. Da die planungsrechtliche Hoheit bei den Bundesländern liegt, halten Landespolitiker den Ausbau eines Regionalflughafens in ihrem Land häufig für wichtiger als überregionale Infrastrukturprojekte.

Kaum ein Landesvater konnte dem Drang widerstehen, sich mit einem Flughafen in seiner Region ein Denkmal zu setzen, den eigenen Aufgabenbereich auszuweiten oder Wählerstimmen einzufangen. Die traurige Geschichte deutscher Regionalflughäfen handelt von eitlen Regionalfürsten, geltungsbedürftigen Landräten und großmannssüchtigen Bürgermeistern, die ihre regionalen Metropolen auf die Karte der Welt setzen wollten. Viele Regionalflughäfen sind in Deutschland zu internationalen Verkehrsflughäfen ausgebaut worden oder sollen künftig erweitert werden.

Offenbar sind Landes- und Regionalpolitiker vom Wunsch beseelt, Landeshauptstädte und andere Orte auch auf dem Luftwege erreichbar zu machen. Ihr Selbstwertgefühl schwillt, wenn sie einen eigenen Flughafen haben. Und es kommt ihnen nicht einmal in den Sinn, dass es doch viel peinlicher ist, wenn niemand den anfliegt.

Wenn Landespolitiker über den Bau neuer Airports entscheiden, sprechen sie sich untereinander nicht einmal ab, sondern klotzen die einfach in die Landschaft - auch dann nicht, wenn schon der nächste Flughafen nur ein paar Kilometer weiter daneben (leer)steht. Und weil sich Regionalpolitiker so häufig und gerne mit eigenen Flughäfen finanziert durch Steuergelder schmücken, gibt es inzwischen in fast jeder Kleinstadt einen viel zu großen Verkehrsflughafen. Viele dieser Flughäfen verdienen noch nicht einmal die Kosten ihres operativen Betriebs, geschweige denn die Kosten ihrer Finanzierung.

Es gibt infolge der Planlosigkeit der demokratischen Instanzen und des Selbstdarstellungsbedürfnisses der politischen Repräsentanten lauter Regionalflughäfen, die einander erbitterte Konkurrenz machen. Jeder kleine Landesfürst und auch jeder Dorfbürgermeister will seinen eigenen Flughafen. Mit solchem Infrastruktur-Protz lassen sich Wahlen gewinnen. Aber er ruiniert auch die Finanzen von Bundesländern, Städten und Gemeinden.

Die wildwuchernde Konkurrenz belebt auf jeden Fall nicht wie Konkurrenz sonst das Geschäft. Sie führt zu grausamer Kannibalisierung. Die vielen Flughäfen graben einander das Wasser ab und nehmen einander die Luft zum Fliegen. Die Steuerzahler müssen für den Flughafen-Protz der Regionalpolitiker blechen.

So führt der Trend zum Ausbau von Regionalflughäfen in nahezu jedem Einzelfall zur Verschwendung knapper öffentlicher Mittel. So gut wie kein Regionalflughafen erreicht die kritische Größe für einen kostendeckenden Flugbetrieb. Regionalpolitische Alleingänge könnten nur durch eine bundeseinheitliche Flughafenpolitik verhindert werden. Dazu allerdings sieht der Bund keinen Anlass. So bleibt es bei der kopf- und planlosen Provinz-Wurstelei.

Viele Jahre lang steckten die Kommunen und Länder Millionenbeträge in den Ausbau kleinerer Regionalflughäfen. Vor allem im Osten sollte nach der Wiedervereinigung manch heruntergekommener Militärflugplatz zum Luftverkehrs-Drehkreuz werden und andere Unternehmen zur Ansiedlung anlocken. Die meisten dieser hochsubventionierten, meist fern von Ballungszentren gelegenen Standorte schreiben längst tiefrote Zahlen. Verschärft wurde die Situation durch den Rückzug vieler Billigflieger.

Die massiven Subventionen haben den Markt verzerrt. An vielen Standorten wurde sogar doppelt subventioniert: die Flughäfen selbst und auch die einzelnen Flugverbindungen. Oft wurde das damit begründet, man könne mittelgroße Städte so besser an internationale Drehkreuze anbinden.

Milliardensummen für marode Regionalflughäfen

Allein die Bundesländer haben seit der deutschen Einheit weit über zwei Milliarden Euro für die 21 größten Regionalflughäfen ausgegeben. Dabei verzeichnen sie alle - ohne jede Ausnahme und verlässlich - weniger als drei Millionen Passagiere im Jahr. Das bedeutet: Sie können aus eigener Kraft kaum überleben. Sie hängen seit vielen Jahren und auf unabsehbare Zeit am Tropf der Kommunen und Regionen.

Am Anfang eines jeden Regionalflughafens stehen immer leere Versprechungen: Schon bald werden massenweise Touristen und Geschäftsleute kommen, und die Region kann mit einem mächtigen Wachstumsschub rechnen. Nur ist so gut wie nie etwas aus den hohlen Redensarten geworden.

Ein eigener Flughafen gilt bei Politikern offenbar als unfehlbares Mittel, auch das hinterletzte Kaff mit der großen weiten Welt zu verschmelzen und es an den globalen Trend der Globalisierung anzuschließen. Mit dem Ausblick auf eine blühende wirtschaftliche Entwicklung scheuten die Landespolitiker keine Kosten, in ihrer Region einen glitzernden Passagierflughafen in die Landschaft zu klotzen. Doch nachdem alle Wartehallen gebaut, die Landebahnen erneuert, die Tower aufgerüstet sind, steht das protzige Ding ziemlich einsam in der Landschaft und nennt sich stolz "International Airport". Doch es fehlt ihm, was er am dringendsten braucht: genügend Passagiere.

Angesichts der vielen Fehlplanungen hat die EU-Kommission angekündigt, den finanziellen Blindflug zu beenden. Europäische Flughäfen mit weniger als drei Millionen Passagieren im Jahr müssen spätestens ab 2024 ohne Subventionen auskommen. Sonst ist Schluss.

Es gibt allein in Deutschland derzeit 22 Verkehrsflughäfen. Nur sechs davon schreiben schwarze Zahlen. Das sind Frankfurt am Main, München, Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart und Köln/Bonn. Alle anderen machen seit Jahren große Verluste und werden aus öffentlichen Haushalten künstlich am Leben gehalten. Und für viele von ihnen gilt, dass sie jährlich eine siebenstellige Summe an Zuschüssen kosten.

Diejenigen, die diese gigantische Fehlplanung ausbaden müssen, sind - wie üblich - die Steuerzahler. Zum großen Teil mit gewaltigen Summen. Ein Ende der Zahlungen ist bei den meisten nicht in Sicht. Die verblendete Eitelkeit der gewählten Repräsentanten in den entwickelten Demokratien kostet viele Milliarden Euro. Nicht nur beim Flughafenbau, aber da auch.

Jedes Bundesland darf Flughäfen errichten, wo und wann es will. So gibt es in unmittelbarer Nähe des neuesten Flughafens Kassel-Calden allein in Nordrhein-Westfalen zwei weitere Flughäfen, Münster/Osnabrück und Paderborn/Lippstadt. Allesamt schwere Verlustbringer, die jetzt durch die gewachsene Konkurrenz noch höhere Verluste erzielen. Doch darum hat sich schon bei der Planung niemand gekümmert.

Terminal des Flughafens Kassel-Calden. Bild: © Michael Pätzold. Lizenz: CC-BY-SA-3.0 [1]

Auch beim Neubau wird eine Analyse des zu erwartenden Bedarfs erst gar nicht durchgeführt. Es wird einfach nur ohne Sinn und Verstand drauflosgebaut. Das Ziel, einen eigenen Glitzerpalast für große Flieger in die Landschaft zu stellen, ist den demokratischen Duodezfürsten viel wichtiger als die Klärung der Frage, ob für den jeweiligen Flughafen überhaupt ein ökonomisch gerechtfertigter Bedarf besteht. Bei einer solchen Analyse könnte ja womöglich herauskommen, dass nicht der geringste Bedarf besteht.

Notorische Gefälligkeitsgutachten

Überall gibt es aber notorische Gefälligkeitsgutachten, die jedem neuen Flughafen eine goldene Zukunft in blühenden Landschaften voraussagen. Allerdings ist in der Realität noch jedes dieser Gefälligkeitsgutachten nach ein paar Jahren durch die ausgebliebenen Passagierzahlen dramatisch widerlegt worden. Doch daran erinnert sich später kaum jemand.

Die Gutachten haben ja auch gar nicht den Zweck, eine realistische Schätzung über die wirklich zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung eines Flughafenprojekts darzustellen. Sie sind Instrumente, die es den planenden Politikern ermöglichen, ein Projekt durch die demokratischen Entscheidungsgremien durchzuboxen. Sie sind nur Hilfsmittel in der politischen Auseinandersetzung.

Also müssen die Zahlen auf Biegen und Brechen geschönt werden. Die wahren Kosten werden kleingerechnet, die wirtschaftlichen Aussichten viel zu großgerechnet. Sonst kommt das Projekt nicht durch die Gremien. Und wenn die harte wirtschaftliche Wirklichkeit sich nicht an die frisierten Prognosen hält - was sie noch nie getan hat -, macht das auch nichts: Schließlich können die politischen Repräsentanten sich dann mit dem Sachverständigengutachten herausreden, das dem Projekt eine glänzende Zukunft vorausgesagt hat.

Es gibt eine ganze Reihe von "Fachleuten", die sich mit solchen "Gutachten" eine goldene Nase verdienen. Deshalb wohl heißen sie ja auch Gutachten: Sie erachten für gut, was in Wahrheit grottenschlecht ist.

Zusammen machen die 18 Regionalflughäfen im Besitz der öffentlichen Hand Jahr für Jahr Verluste von rund 175 Millionen Euro. Allein der sächsische Flughafen Leipzig/Halle erwirtschaftete 2012 einen Fehlbetrag von über 66 Millionen Euro. Zwischen 2006 und 2011 brachte der Flughafen es auf Verluste von rund 300 Millionen Euro. Getragen werden die von den Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie den Städten Leipzig, Halle und Dresden.

Allein Mecklenburg-Vorpommern mit seinen gerade mal 1,6 Millionen Einwohnern hat fünf Flughäfen. Jeder einzelne von ihnen ist so überflüssig wie ein Kropf. Keiner von denen könnte überleben, selbst wenn jeder Mecklenburger und jeder Pommer einmal im Jahr irgendwohin fliegen würde. Nordrhein-Westfalen hat sogar sieben Flughäfen. Insgesamt verteilen sich wenige große und die sehr vielen kleinen Flugplätze über die ganze Bundesrepublik.

"Kassel-Airport": sechsmal in der Woche startet ein einsamer Linienflug

Dabei liegen manche davon nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Den hessischen Flughafen Kassel-Calden, der sich seit neuestem stolz "Kassel-Airport" nennt, trennen nur 70 Kilometer vom westfälischen Paderborn. Der inzwischen eingestellte Regionalflughafen Zweibrücken in Rheinland-Pfalz liegt keine 35 Kilometer vom Flughafen Saarbrücken im Saarland entfernt. Ist am Flughafen Köln/Bonn kein Platz mehr frei, startet man vom 60 Kilometer entfernten Düsseldorf. Und der Flughafen Friedrichshafen liegt auch gerade mal 80 Kilometer vom Flughafen Memmingen entfernt.

Nach fast 15 Jahren Planung eröffnete 2013 der internationale Verkehrsflughafen Kassel-Calden. Die Medien nannten ihn bereits bei der Eröffnung Deutschlands sinnlosesten Flughafen.

In das Mega-Projekt, das die strukturschwache Region in Nordhessen stärken sollte, flossen 271 Millionen Euro von Land und Kommunen - fast doppelt so viel wie ursprünglich geplant - für gerade mal sechs Flüge pro Woche. Im Winterhalbjahr geht normalerweise gar keine Maschine. Kein Witz: sechsmal in der Woche startet in Calden ein einsamer Linienflug, außer im Winter: eine wahre Luft- und Lachnummer.

100.000 Passagiere waren für 2013 geplant, doch nur 47.000 kamen. Für die kommenden Jahre ist mit besseren Zahlen nicht zu rechnen. Eher mit schlechteren. Denn fest stand schon vor der Eröffnung: Das großkotzige Projekt, das sich in der Eigenwerbung als "Wohlfühlairport" bezeichnet, dürfte den Steuerzahlern des Landes Hessen (Anteil: 68 Prozent), der Stadt und des Landkreises Kassel (je 13 Prozent) sowie der Gemeinde Calden (6 Prozent) noch in Jahrzehnten auf der Tasche liegen.

Die Gemeinde Calden hat gerade mal 7.500 Einwohner. Selbst im laufenden Betrieb rechnen auch die Betreiber bis 2020 mit Verlusten von bis zu zehn Millionen Euro im Jahr. Doch auch danach wären Gewinne ein wahres Wunder. Schließlich zählt auch die Stadt Kassel zu den am stärksten verschuldeten Städten Hessens.

Fachleute gehen davon aus, dass ein Flughafen 4 bis 5 Millionen Passagiere Minimum braucht, um die laufenden Kosten zu decken. Erst mit noch höheren Passagierzahlen verdient man überhaupt Geld. Damit ist bei den meisten Regionalflughäfen niemals zu rechnen.

Großflughäfen erzielen das Gros ihres Umsatzes übrigens nicht mehr mit Starts und Landungen, sondern mit dem, was die Fachleute "Non-Aviation-Geschäft" nennen, also mit den Geschäften im Terminal, Einzelhandelsläden, Bars, Restaurants, Hotels und Service-Angeboten. Jeder wirtschaftlich profitable Flughafen ist ein großes Warenhaus.

Bei den meisten Kleinflughäfen besteht noch nicht einmal die vage Hoffnung, dass sie je zu dieser Größe heranwachsen könnten. Denn wenn nur alle paar Tage mal ein Flugzeug dahergeflogen kommt, gibt es auch kein kauffreudiges Publikum, das durch die Geschäfte im Terminal flanieren könnte.

Ein Flughafen wie Kassel-Calden hat hohe Kosten. Allein die Abschreibung der Aufwendungen für den Bau auf die üblichen 25 Jahre sorgt für eine Belastung von gut elf Millionen Euro im Jahr. Dazu kommen weitere geschätzte rund zehn Millionen Euro Betriebskosten für Terminal, Lotsen oder Flughafenfeuerwehr.

In Kassel-Calden haben sich Politiker ohne Rücksicht auf Verluste ein Denkmal erbaut, wie vor 250 Jahren der hessische Landgraf, der Calden das Rokoko-Lustschloss Wilhelmsthal hinterließ. Der überflüssige Flughafen ist ein Investitionsgrab und eine komplette Fehlinvestition.

Jahr für Jahr Verluste: Flughafen Frankfurt-Hahn

Nicht viel besser steht es um den Flughafen Frankfurt-Hahn. Aus einem ehemals amerikanischen Militärflughafen wurde mit dem Ryanair-Boom für kurze Zeit ein Drehkreuz für Billigflüge. Am Flughafen Hahn sind das Land Rheinland-Pfalz mit 82,5 Prozent und Hessen mit 17,5 Prozent beteiligt. Der 1999 als Deutschlands erster Billigairport gestartete Flughafen ist hoch verschuldet.

Seit Bestehen meldet Hahn Jahr für Jahr Verluste zwischen 5 und 10 Millionen Euro bei gerade mal 50 Millionen Euro Umsatz. 2009 war der Flughafenbetreiber Fraport bei der Hahn-Gesellschaft ausgestiegen, dessen 65 Prozent übernahm Rheinland-Pfalz zum symbolischen Preis von einem Euro. Mehr war der Anteil nicht wert.

Frankfurt-Hahn, Terminal 1. Bild: Craig, Public Domain

2010 lag das Minus bei 10,8 Millionen Euro, 2013 bei rund 20 Millionen. Der Schuldenstand beläuft sich nun auf über 124 Millionen Euro. Verbindlichkeiten in Höhe von 40 Millionen wurden beim Liquiditätspool von Rheinland-Pfalz geparkt, der eigentlich für den kurzfristigen Finanzbedarf von Landesunternehmen gedacht, aber nicht zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen. Allein Rheinland-Pfalz hat über 313 Millionen in den Hahn gesteckt. Es ist eigentlich nur eine Frage der kurzen Zeit, wann Hahn endgültig geschlossen werden muss.

Rheinland-Pfalz war dennoch bereit, für einen weiteren Flughafen im eigenen Bundesland rund 50 Millionen Euro zu verpulvern und die laufend anfallenden Defizite auszugleichen. Der Flughafen Zweibrücken fuhr 2013 bei einem Passagieraufkommen von 242.880 ein Minus von 2,8 Millionen Euro ein. 2014 wurde das Insolvenzfahren eröffnet. Grund ist ein Papier der EU-Kommission. Demnach muss der Airport Staatsbeihilfen bis zu 56 Millionen Euro zurückzahlen. Er liegt aus EU-Sicht zu nah am Flughafen der Landeshauptstadt Saarbrücken, der übrigens auch Verluste macht.

Nach einer Studie der Hamburger Unternehmensberatung ProLogis sind seit 2008 in Europa 65 regionale Airlines in die Pleite gegangen. Jede dritte hat innerhalb von fünf Jahren den Betrieb eingestellt. Von 195 Regionalfliegern blieben nur noch 130 übrig. Dadurch verloren Regional-Airports seit 2011 bis zu 40 Prozent der Passagiere und leiden unter wachsenden Verlusten.

Wofür das Geld ausgegeben wird

Im thüringischen Altenburg verabschiedete sich Ryanair 2011 und hinterließ eine Investitionsruine. Bis dahin wurden Zuschüsse von mehreren hunderttausend Euro pro Verbindung gezahlt. Ryanair drohte mit der Schließung des Standorts und erzwang niedrigste Flughafengebühren. Nach einem halbjährigen Intermezzo in Cochstedt zog der Billigflieger trotzdem weiter nach Leipzig/Halle - die Zeche zahlt der Steuerzahler.

Also gingen in Altenburg die Lichter aus. Keine Fluggesellschaft fliegt die Piste mehr an. Über 17 Millionen Euro Steuergelder wurden vergraben. 50 der 65 Mitarbeiter des Flughafens wurden in die Arbeitslosigkeit entlassen.

Terminal des Leipzig-Altenburg Airport. Bild: WikiABG. Lizenz: CC-BY-SA-3.0 [2]

Verschwendungssucht und lokalpolitischer Größenwahn haben die ökonomische Misere der Regionalflughäfen herbeigeführt. Dafür ist der Flughafen Magdeburg-Cochstedt ein Paradebeispiel. Nicht der Mangel an Geld ist das Problem, sondern die Art, wie und wofür es ausgegeben wird. Obwohl Sachsen-Anhalt zu den ärmsten Bundesländern zählt und nur durch die Solidarleistungen anderer Bundesländer vor der Pleite bewahrt wird, warf es für das Prestigeobjekt Cochstedt viel Geld zum Fenster hinaus.

Der Flughafen erhielt mit großem finanziellem Aufwand einen neuen Tower mit riesigem Vorfeld und großzügigen Wartungshallen sowie eine neue Landebahn mit Befeuerung. Prunkstück des Flughafens ist der Millionen teure Passagierterminal, der "Glaspalast".

Bis 2009 hatte das Land Sachsen-Anhalt bereits rund 60 Millionen Euro für Ausbau und Entwicklung aufgewendet. Diverse Fluggesellschaften versuchten sich, stellten meist den Flugbetrieb ab Cochstedt mangels Auslastung bald wieder ein. Seit Dezember 2013 hat der Flughafen keine reguläre Flugverbindung mehr. Dafür steigen die Verbindlichkeiten kontinuierlich, im Millionenbereich. Rund 400.000 Fluggäste würden für einen nahezu wirtschaftlichen Betrieb benötigt. Davon ist man weit, weit entfernt.

Nach Investitionen in Höhe von 60 Millionen Euro verkaufte Sachsen-Anhalt seinen Flughafen Cochstedt für eine Million Euro an einen dänischen Betreiber. Unter dem Strich ein Minus von 59 Millionen Euro. Über 80 Millionen Euro wurden für den Ausbau von Cochstedt ausgegeben. Zwei Drittel davon stammen aus öffentlichen Mitteln.

In den Einzugsbereichen von Berlin, Leipzig und Dresden tummeln sich zu viele Kleinstflughäfen für zu wenige Passagiere. Insgesamt wurden Milliarden von Euro Steuergeld für den Bau von Regionalflughäfen vergeudet, für die es keinerlei Aussicht auf einen wirtschaftlichen Betrieb gibt.

Bei Thüringens einzigem internationalen Airport Erfurt-Weimar gingen die Passagierzahlen 2013 um rund ein Drittel auf nur noch knapp 184.000 zurück. Mittelfristig sollen sich die jährlichen Passagierzahlen in Richtung 290.000 bewegen. Doch auch damit kann kein Flughafen der Welt jemals auch nur in die Nähe schwarzer Zahlen kommen. Und in den thüringischen Medien sorgte der Verlust von "nur" 3,8 Millionen Euro für Jubelstimmung: Das sei weniger als der für den Verlustausgleich vorgesehene Landeszuschuss von 4,7 Millionen Euro.

Hohe Verluste sind am Flughafen Dortmund seit über zehn Jahren an der Tagesordnung: 2009 waren es 24,5 Millionen Euro, 2010 noch 19,7 Millionen Euro, 2011 auch 19,5 Millionen, 2012 18,5 Millionen und 2013 weitere 20,9 Millionen. Besserung ist nicht in Sicht. Der Flughafen gehört der Stadt Dortmund und den Stadtwerken Dortmund, die wiederum der Stadt gehören. Und Dortmund ist pleite. 74 Millionen Euro fehlen im Haushalt.

Zum stolzen Preis von einem Euro verkauft

Nach der Streichung mehrerer Ryanair-Verbindungen geriet auch der Flughafen Lübeck-Blankensee ins Straucheln. Die Stadt Lübeck hatte den hoch defizitären Regionalflughafen Ende 2012 zum stolzen Preis von einem Euro an den deutsch-ägyptischen Geschäftsmann Mohamad Rady Amar verkauft. Doch der tauchte im April 2014 plötzlich unter und ward nie mehr gesehen. Daraufhin musste der Flughafen Insolvenz anmelden.

Insgesamt summieren sich die Verluste des Airports seit 2004 auf über 30 Millionen Euro. Doch statt weitere Fehlinvestitionen zu vermeiden, finanzierten Stadt und Land dem Flughafen für 4,3 Millionen Euro ein neues Landesystem. Nicht besonders klug bei einem Flughafen, auf dem kaum jemand landen mag. Insgesamt belaufen sich die Lasten für die öffentlichen Kassen auf über 60 Millionen Euro.

2014 gelang buchstäblich in letzter Minute der Verkauf an den alleinigen Gesellschafter der in Hongkong registrierten PuRen-Group. Was der dafür zahlte, blieb ein Geheimnis. Das weist darauf hin, dass er nicht viel zahlen musste. Für die Pacht des Geländes, die Miete der Landebahnbefeuerung und des Instrumentenlandesystems, die nach wie vor der Stadt Lübeck gehören, erhält die Stadt jährlich rund 400.000 Euro.

Die PuRen-Gruppe, setzt auf Medizin-Tourismus und die Ausbildung von Piloten. Das klingt nach allem Möglichen, aber nicht nach einem Erfolgsrezept. Es wurde weitergewurschtelt. 2015 ging der Flughafen zum zweiten Mal in die Insolvenz. Die Zukunft ist ungewiss. Gewiss ist nur, dass die Steuerzahler erneut für die gigantischen Verluste aufkommen müssen.

Flughafen Weeze. Bild: Frank Vincentz. Lizenz: CC-BY-SA-3.0 [3]

Rund 34 Millionen Euro schuldet der Flughafen Weeze dem Kreis Kleve. Nachdem Ryanair 13 Flugstrecken eingestellt hatte, musste der Airport-Betreiber den Offenbarungseid leisten: 2011 stimmte der Landkreis zu, bis 2016 die jährlichen Zins- und Kapitalforderungen in Millionenhöhe auszusetzen. Im Gegenzug erhielt der Kreis Anteile am Flughafen. Als ob sich dadurch ein einziges Problem lösen ließe.

Der Privatflughafen Weeze wurde mit öffentlichen Mitteln finanziert: Der Kreis Kleve gewährte einen Kredit von 26 Millionen Euro. Weil der Flughafen seit Jahren keine Zinsen an den Kreis Kleve zahlen konnte, wuchsen dessen Schulden beim Kreis von 26 Millionen auf über 34 Millionen Euro. Und die Zahl der Fluggäste sinkt ständig. Der Flughafen rechnet mit nur 2,5 Millionen Passagieren, fast ein Drittel weniger als in den Vorjahren.

Allerdings macht das operative Geschäft seit mehreren Jahren Verluste. Der Trick: Nicht geleistete Zinszahlungen werden in Geschäftsanteile umgewandelt. So verschwinden knapp 1,4 Millionen Euro im Nebel - Jahr für Jahr seit 2011.

Auch Bayern ist keine Ausnahme

Auch Bayerns Steuerzahler müssen für defizitäre Kleinstflughäfen blechen. So sollen mehrere Millionen Euro öffentlicher Gelder in den Ausbau des Allgäu-Airports in Memmingen fließen. Der Freistaat greift dem Privatflughafen in Memmingen mit einem einmaligen Zehn-Millionen-Euro-Zuschuss unter die Arme. Dabei wurden schon 2007 Subventionen in Höhe von 6,5 Millionen Euro gezahlt.

Flughafen Memmingen. Bild: Volker Bender. Lizenz: CC-BY-SA-3.0 [4]

Der Allgäu Airport ist der drittgrößte Flughafen Bayerns nach München und Nürnberg. Er wird bislang von privaten und kommunalen Gesellschaftern getragen, schreibt aber rote Zahlen. 2012 machte er 1,1 Millionen Euro Verlust und wies 15 Millionen Euro Verbindlichkeiten aus. 2011 wurden mehrere innerdeutsche Flüge von Memmingen aus eingestellt. Damit brachen die Passagierzahlen von über 900.000 auf 764.000 ein. Das bedeutete einen Jahresverlust von über zwei Millionen Euro. Nach Zinsen und Abschreibungen steht beim Allgäu-Airport unterm Strich hoher Verlust von gut einer Million Euro.

Auch dem Flughafen Nürnberg geht es schlecht: Seit Jahren schreibt das Unternehmen Millionenverluste. Stadt und Freistaat wollen dem hoch verschuldeten Flughafen mit Zuschüssen und Darlehen in Höhe von 70 Millionen Euro finanziell Luft verschaffen. Mit 40 Millionen Euro soll das Kapital des Airport-Betreibers aufgestockt werden. Weitere 30 Millionen Euro wollen der Freistaat und die Stadt als Darlehen gewähren. 2013 belief sich der Verlust auf 3,9 Millionen Euro.

Drei weitere bayerische Airports sind gar keine mehr. Augsburg, Bayreuth und Hof-Plauen wurden zu Verkehrslandeplätzen herabgestuft. Ein Linienverkehr in Augsburg findet nicht statt. In Hof-Plauen hatte zuletzt Cirrus Airlines zweimal täglich eine Verbindung nach Frankfurt aufrechterhalten. Mit der Pleite der Fluggesellschaft wurden auch diese Flüge 2012 eingestellt. Im oberfränkischen Bayreuth machte der Regionalflugplatz zuletzt rund 400.000 Euro Defizit pro Jahr.

Im Fall von Hof-Plauen kann man übrigens den in entwickelten Demokratien höchst seltenen Fall feiern, dass couragierte Beamte 2006 den Freistaat vor einer Investitionsruine erster Güte bewahrten. Das kommt in der demokratischen Politik alle hundert Jahre einmal vor. Aber es kommt vor.

Damals waren die Staatsregierung sowie mehrere Städte und Landkreise drauf und dran, den Flughafen, der heute mit dem Linienflugzeug nicht mehr zu erreichen ist, für insgesamt 54 Millionen Euro auszubauen. Doch das Luftamt Nordbayern lehnte die Pläne ab. Der Flughafen Hof-Plauen GmbH & Co KG sei es in den "nicht gelungen, brauchbare Finanzierungsnachweise vorzulegen und einen ausreichenden Bedarf für den Ausbau darzulegen".

Natürlich sind auch in Friedrichshafen die Passagierzahlen seit 2008 deutlich eingebrochen. Seit Jahren meldet der Flughafen Millionenverluste und betont stets, das operative Ergebnis sei positiv. Das ist das Ergebnis ohne Steuern, Zinsen und Tilgungsleistungen. Nur: In der freien Wirtschaft kann sich kein Unternehmen darauf zurückziehen, denn da müssen Steuern, Zinsen und Tilgungen bezahlt und also auch erst einmal verdient werden.

Doch wie miserabel der Bodensee-Airport inzwischen dasteht, zeigte sich 2014, als der Flughafen Wien seine Anteile verkaufen wollte, die er 2007 für 7,7 Millionen Euro erworben hatte. Er bekam nur noch 2,25 Millionen Euro dafür. Käufer waren die Stadt Friedrichshafen und der Landkreis Bodensee, andere Investoren fanden sich erst gar nicht.

Tributzahlungen an die politische Klientele

Alle Kleinstflughäfen werden hoch subventioniert, doch Aussicht auf Besserung gab es bislang so gut wie gar nicht: Kleinstflughäfen belasten die öffentlichen Kassen von Jahr zu Jahr immer stärker. Öffentliche Eigentümer von Regionalflughäfen führen oft einen Subventionswettlauf, um Fluggesellschaften anzulocken. Da fließen dann trotz leerer Kassen reichlich Steuermittel, oft an ausländische Billigfluggesellschaften und an deren Kunden und verzerren den Wettbewerb zu Ungunsten kostendeckender Flughäfen.

Die meisten regionalen Flughäfen generieren nicht genügend Umsatz, um daraus ihre Betriebskosten zu decken. Zu viele Flughäfen im selben Einzugsgebiet produzieren unrentable Geisterflughäfen, die einander gegenseitig im Weg stehen.

Der renommierte Bauplaner Dieter Faulenbach Da Costa, der an vielen Flughäfen in der ganzen Welt mitgearbeitet hat, ist der Ansicht, dass alle Regionalflughäfen in Deutschland überflüssig sind. Seiner Ansicht nach braucht Deutschland sechs Flugplätze: einen im Osten, einen im Norden, einen im Zentrum, einen im Westen, einen im Südwesten, einen im Süden. Alle anderen sollten zum öffentlichen Nutzen eingestellt werden.

Das allerdings verbietet die in entwickelten Demokratien herrschende Unvernunft politischer Willensbildung: Die Politiker müssten eingestehen, dass sie Millionenbeträge ohne Sinn und Verstand und in den Sand gesetzt haben. Und das fällt ihnen wesentlich schwerer, als die Steuerzahler auch in Zukunft noch mehrere Jahrzehnte lang um viele Millionenbeträge zu erleichtern. Demokratischen Entscheidungen ist das kopflose Gewurschtel immanent, weil es leichter fällt, einfach so weiterzumachen wie bisher, als einen klaren Schnitt zu wagen und einzugestehen: Wir haben Murks gebaut. Da könnte man die nächste Wahl verlieren.

All dies sind deutliche Anzeichen dafür, dass das ganze System völlig aus den Fugen geraten ist; denn die Subventionen sind in Wahrheit überhaupt keine Subventionen im volkswirtschaftlichen Sinn. Sie fördern nicht Wirtschaftszweige, die vorübergehend in eine Schieflage geraten sind und deshalb vernünftigerweise eine Zeit lang subventioniert werden sollten, damit sie wieder auf die Beine kommen.

Es sind Tributzahlungen an die politische Klientele. Sie fördern Misswirtschaft und Fehlplanungen in gigantischen Ausmaßen und können aus genau diesem Grunde auch nicht mehr so leicht rückgängig gemacht werden. Die Situation ist festgefahren. Es gibt kein Vor und kein Zurück und auch kein Ausweichen nach links oder rechts.


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