Die Bundesnotbremse: Langsam - mit großen rechtlichen Auswirkungen
Es wird kein Schnellverfahren geben. Erste Inhalte der Veränderungen im Infektionsschutzgesetz werden bekannt
Es könnte länger dauern, bis die heute im Kabinett beschlossene Änderung des Infektionsschutzgesetzes in Kraft tritt: nämlich bis Ende kommender Woche.
Der Text, den die Regierung heute beschlossen hat, wird als "Formulierungshilfe" bezeichnet. Die Bundestagsfraktionen von CDU/CDU und der SPD stricken daraus einen Gesetzesentwurf, der "aus der Mitte des Parlaments" kommt - möglichst noch heute Abend, wie berichtet wird. Der würde dann am Freitag zur ersten Lesung im Bundestag vorgelegt. Dann ist Wochenende.
Am Montag ist die Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss vorgesehen. Danach sah der Zeitplan, wie ihn die FAZ erfahren hat, zwei Alternativen vor. Bei der schnelleren wäre die zweite und dritte Lesung und auch die Schlussabstimmung für Mittwoch vorgesehen.
Allerdings bräuchte es dazu, um Fristvorgaben, die für die Lesungen vorgesehen sind zu verkürzen, eine Zweidrittel-Mehrheit.
Diese Mehrheit bekommt die Regierung nicht. AfD, FDP und die Linke wollen dieses Eilverfahren nicht mittragen, wie Christian Rath von Legal Tribune Online berichtet. Er geht davon aus, dass das Gesetz frühestens Ende nächster Woche in Kraft treten kann. Auch die FAZ rechnet erst am Freitag in einer Woche mit einer Schlussabstimmung im Bundestag.
Der Bundesrat müsste nach der Abstimmung im Bundestag zu einer Sondersitzung am Freitag zusammenkommen, die Bundesregierung kann das verlangen. Er muss nicht zustimmen, weil die Änderung des Infektionsschutzgesetzes nach Auffassung der Bundesregierung ein Einspruchsgesetz ist.
Aber er kann, wie es der Name besagt, Einspruch einlegen. Das, so folgert die FAZ, hätte die Einsetzung eines Vermittlungsausschusses zur Folge. Andernorts spekuliert man damit, dass die Länder noch die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes durchsetzen könnten: "Dann gelten Enthaltungen als faktische Ablehnung, was nicht zuletzt den Grünen, die in elf Ländern mitregieren, doch noch starkes Gewicht geben würde." (Legal Tribune Online)
Die Legal Tribune Online hat offenbar Einblick in den Kabinettsbeschluss bekommen, was einige Präzisierungen zum vorangegangenen Artikel (Im "Griff der dritten Welle": Bundesregierung beschließt Bundesnotbremse) zulässt.
Zum zentralen Punkt der Bundesnotbremse, die durch einen neuen § 28b im Infektionsschutzgesetz (IfSG) verankert werden soll, heißt es, dass der bundesgesetzlich geregelte Automatismus zum Herunterfahren des öffentlichen Lebens und der Kontakte einsetzt, "sobald in einem Landkreis der Inzidenzwert drei Tage lang über 100 (Neu-Ansteckungen pro 100.000 Einwohner/Woche) liegt".
Die Maßnahmen treten erst dann automatisch wieder außer Kraft, "sobald der Inzidenzwert im jeweiligen Kreis fünf Tage hintereinander unter 100 liegt".
Etwas konkretisiert wird dort auch eine Bundeskompetenz, die im vorangegangenen Artikel angedeutet wurde. Das neue Gesetz liefert die Grundlage für eine Politik über Verordnungen:
Zudem soll die Bundesregierung künftig gem. § 28b Abs. 6 IfSG für Fälle einer Inzidenz über 100 auch Verordnungen beschließen können, mit denen die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen verschärft oder abgeschwächt werden können. Auf Druck der SPD soll nicht nur der Bundesrat, sondern auch der Bundestag solchen Verordnungen zustimmen müssen.
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Verstöße gegen die Notbremsen-Maßnahmen gelten als Ordnungswidrigkeit. "Der Katalog in § 73 Abs. 1a IfSG wird entsprechend erweitert. Bei Verstößen drohen gem. § 17 Ordnungswidrigkeitengesetz (OwiG) Geldbußen von 5 bis 1.000 Euro."
Und zuletzt eine Auswirkung, die noch für Streit sorgen könnte:
Große Auswirkungen hat die Bundes-Notbremse auf den Rechtsschutz der Betroffenen. Wer Maßnahmen wie die Ausgangssperre für unverhältnismäßig hält, kann gegen die gesetzliche Regelung nur noch per Verfassungsbeschwerde das Bundesverfassungsgericht anrufen. Eine Anrufung der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe ist nicht mehr möglich, denn eine Normenkontrolle gem. § 47 VwGO, die gegen die Verordnungen der Landesregierungen möglich war, steht hier nicht zur Verfügung.
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