Die CSU hat dem Grundgesetz nie zugestimmt
Gehört der Bayer Horst Seehofer zu Deutschland? Und wie ernst nimmt der Verfassungsminister unsere Verfassung? Ein Kommentar
In Zeiten, an denen ein deutscher CSU-Innenminister sagt: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", ist es angebracht, ein paar Fragen zu stellen und an einige Selbstverständlichkeiten zu erinnern.
Der Vorsitzende der CSU hat das "Hohe C" im Namen seiner Partei. Aber gehört schon damit das Christentum zu Deutschland? Der Artikel vier des Grundgesetzes sagt, die Religionsfreiheit gehört zu Deutschland, nicht das Christentum.
In Deutschland leben über vier Millionen Muslime. Warum also soll der Islam weniger zu Deutschland gehören als das Christentum? In Deutschland leben auch etwa 300.000 Buddhisten. Gehört nicht auch der Buddhismus zu Deutschland? Oder das Judentum?
Über Bayern und seine CSU lohnt immer ein Blick in die Geschichte. Es war am frühen Morgen des 20. Mai 1949 als im Bayerischen Landtag eine Abstimmung über das Grundgesetz der Bundesrepublik stattfand.
Ergebnis: 64 Abgeordnete stimmten mit Ja, aber 101 mit Nein.
Landtagpräsident Horlacher verkündete: "Das Grundgesetz hat in der vorliegenden Fassung nicht die Zustimmung des Bayerischen Landtags gefunden." Die meisten CSU-Abgeordneten hatten das Grundgesetz abgelehnt.
Das Grundgesetz, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, kam nur deshalb zustande, weil alle anderen Bundesländer zugestimmt haben. Erforderlich war eine Zweidrittel-Mehrheit. Nur deshalb gilt das Grundgesetz auch in Bayern. Aber heute ist in ganz Deutschland der CSU-Vorsitzende Innenminister und damit auch Verfassungsminister. Doch mit dem Artikel vier des Grundgesetzes tut sich Horst Seehofer immer noch schwer - wie seine CSU schon 1949.
Die Präambel des Grundgesetzes beginnt mit dem Satz: "Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen… hat sich das Deutsche Volk dieses Grundgesetz gegeben." Wenn Horst Seehofer diesen Gottesbezug im Grundgesetz ernst nehmen würde, dann wüsste er, dass Gott kein Christ ist, sondern der Gott aller Menschen, aller Konfessionen und Nationen, also auch der Gott des Islam.
Gott ist so wenig Christ wie Jesus katholisch war, er war ein Jude. Und schon gar nicht CSU-Mitglied.
Als Innenminister ist Horst Seehofer primär zuständig für unsere Sicherheit, auch für die Sicherheit von vier Millionen Muslimen. Und er ist zugleich Heimatminister. Das hat er ja unbedingt so gewollt. Doch warum entheimatet der Heimatminister dann Millionen Muslime mit dem unchristlichen Satz: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland?" Für viele Menschen aller Religionen ist ihre Religion ein wesentliches Stück Heimat.
Sehr seltsam, dass ein Verfassungsminister immer wieder an die Verfassung erinnert werden muss. Übrigens: Nach Artikel 65 des Grundgesetzes "bestimmt der Bundeskanzler (oder die Bundeskanzlerin) die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung" , nicht der Innenminister.
Angela Merkel hat keinen Zweifel daran gelassen, dass der Islam zu Deutschland gehört. Wenn ein Minister in einer so zentralen Frage seiner Kanzlerin ständig widerspricht, müsste er in normalen Zeiten selbstverständlich entlassen werden. Aber was ist an Ostern 2018 und bei dieser CSU noch normal?
Kein Minister steht über der Verfassung. Nur Horst Seehofer. Das Osterwunder 2018.
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