Die Chaostruppe Union und der unbeliebteste Kanzlerkandidat aller Zeiten
Die FDP hätte zuerst eine "Jamaika-Koalition" bevorzugt. Doch nach Durchstechereien wird die Verhandlungs- und Regierungsfähigkeit der Union zunehmend bezweifelt
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und seine Partei können wohl ihr Erfolgsrezept beibehalten, einfach nur nicht negativ aufzufallen, bis der Koalitionsvertrag für eine "Ampel" in Sack und Tüten ist. Einfach selbst in keinen Fettnapf treten, den Rest erledigt die politische Konkurrenz. So haben es Scholz und die SPD innerhalb weniger Monate von der drittstärksten Kraft in den Umfragen zum Wahlsieger gebracht.
Zweieinhalb Wochen vor dem Urnengang am 26. September fielen dem Noch-Finanzminister Scholz zwar Versäumnisse im Kampf gegen Geldwäsche auf die Füße, aber die Staatsanwaltschaft Osnabrück, die die Durchsuchung im Bundesfinanzministerium veranlasst hat, führt Scholz nicht als Beschuldigten - und "geerbt" hat er die Problematik von seinem Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble, der bekanntlich ein CDU-Parteibuch hat. Parteipolitisch lässt sich der Skandal also schlecht instrumentalisieren - jedenfalls nicht von der Union.
Sondierungen trotz Scherbengericht
Deren Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) verspielte in der Woche nach der Wahl klägliche Reste seiner Autorität. Angekratzt war sie schon, als er sich im Streit um die Kandidatur gegen den Umfragen beliebteren CSU-Chef Markus Söder durchsetzte. Als die Unionsparteien dann nur zweitstärkste Kraft wurden, wollte Laschet etwas zu selbstverständlich trotzdem Kanzler werden und ist bis heute nicht davon abgerückt. Seine Hoffnung: eine "schwarz-grün-gelbe" Koalition, auch bekannt als "Jamaika-Koalition". Junge-Union-Chef Tilman Kuban, der von Anfang an für Söder gewesen war, hatte dagegen schon am Tag nach der Wahl bei "Hart aber fair" erklärt: "Wir haben die Wahl verloren. Punkt."
Kuban forderte kurz darauf eine radikale Neuaufstellung: "In der CDU darf jetzt kein Stein mehr auf dem anderen bleiben", sagte er der Welt am Sonntag.
Laut einer aktuellen Umfrage meinen 80 Prozent aller Wahlberechtigten und 70 Prozent derjenigen, die sich für die Unionsparteien entschieden haben, Laschet sollte nach deren Wahldebakel als CDU-Chef zurücktreten. Könnte der Kanzler in Deutschland direkt gewählt werden, würden sich aktuell 52 Prozent für Olaf Scholz und nur neun Prozent für Armin Laschet entscheiden, während 39 Prozent beide Kandidaten ablehnen. Laschet erreichte damit beim RTL/ntv-Trendbarometer den niedrigsten Wert, den das beauftragte Institut Forsa jemals für einen Kanzlerkandidaten ermittelt hat. Knapp die Hälfte der Befragten mit CDU/CSU-Präferenz hält es für klüger, wenn die Unionsparteien die nächsten vier Jahre auf der Oppositionsbank verbringen.
Miese Presse, miese Nummer
"Deutschlands Medien haben Laschet schon abgeschrieben", befand die Neue Zürcher Zeitung aus der Schweiz am Montag. Die Süddeutsche Zeitung hatte Laschet schon am Wochenende für "demontiert" erklärt: Eine Chance für eine "Jamaika-Koalition" aus CDU/CSU, Grünen und FDP gebe es nur, wenn die Unionsparteien geschlossen aufträten. Das sei aber nicht der Fall.
Dann wurden auch noch Inhalte der Sondierungsgespräche zwischen Union und FDP am Sonntagabend an die Bild durchgestochen. Die FDP war demnach einer "Jamaika"-Koalition zunächst nicht abgeneigt, dann aber stocksauer über die Indiskretion, die offenbar von den Unionsparteien ausging. Die FDP-Spitze habe in der internen Sitzung aber klargemacht, dass die Union jetzt die Grünen "rüberziehen" müsse, hieß es.
Für FDP-Vize Johannes Vogel war der Fall klar, da aus Sondierungsgesprächen ohne die Unionsparteien bis dato keine derartigen Zitate an die Öffentlichkeit gedrungen waren. "Es gab vergangenes Wochenende drei Sondierungsgespräche, an denen ich für die FDP auch teilgenommen habe. Aus zweien liest und hört man nix. Aus einem werden angebliche Gesprächsinhalte an die Medien durchgestochen", zwitterte Vogel. "Das fällt auf, liebe Union - und es nervt!"
Schelte für den Informanten kam auch aus den Reihen der CDU: "Was für eine charakterlos miese Nummer", twitterte die Unionspolitikerin Karin Prien. "Wer jetzt die Vertraulichkeit bricht, handelt vorsätzlich verantwortungslos und verliert jede Legitimation für die CDU zu sprechen."
Als "sachlich und vertraulich" bezeichneten dagegen die Grünen an diesem Dienstag geführte Sondierungsgespräche mit den Unionsparteien. "Natürlich sind die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Parteien groß - etwa in der Gesellschaftspolitik. Aber wir konnten auch gemeinsame Anliegen erkennen, etwa bei der Modernisierung des Staates, beim Klimaschutz und der notwendigen Transformation", hieß es diplomatisch auf den Social-Media-Accounts der Grünen, deren Anhänger sich teilweise irritiert darüber zeigten und die Parteispitze darum baten, "ihre Seele" nicht zu verkaufen.
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