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Die Großen Brüder von INDECT

Zwei neue Großprojekte der europäischen Sicherheitsforschung stellen alle früheren Vorhaben in den Schatten. Derweil wird über die Fortsetzung des Programms bis 2020 verhandelt

Die Kritik am EU-Sicherheitsforschungsprogramm konzentriert sich auf das Projekt INDECT. Zeit, dass sich das ändert. Denn bei Großprojekten wie PERSEUS und Co. geht es nicht nur um Überwachung, sondern auch um die Mobilisierung der Forschung für die europäische Rüstungspolitik.

Wenn es hierzulande um das 1,4 Milliarden Euro schwere Sicherheitsforschungsprogram [1] der EU geht, kommt die Sprache schnell auf INDECT [2] Das Projekt war angetreten mit dem Versprechen, ein "intelligentes Informationssystems zur Unterstützung von Beobachtung, Suche und Erkennen für die Sicherheit der Bürger in städtischen Umgebungen" zu entwickeln. Als "Bevölkerungsscanner" geziehen beschäftigt das Projekt Netzaktivisten, Bürgerrechtler, Enthüllungsjournalisten und Parlamentarier (Bevölkerungsscanner liebäugelt mit Supercomputer [3]).

In der Tat klingen die technokratischen Überwachungsvisionen von INDECT beklemmend, aber nicht wenige zweifeln an der Realisierbarkeit der vollmundigen Versprechen. So ist es fragwürdig, dass die koordinierende Technische Universität Krakau wirklich über die Qualitäten verfügt, ein Konsortium aus 18 Projektpartnern effektiv zu managen und das disparate Patchwork technischer Teilprojekte zu einem integrierten urbanen Überwachungssystem zu schmieden. Plausibler ist, dass einzelne Module im Verlauf des Projektes zur Praxistauglichkeit heranreifen und letztlich isoliert ihren Weg in den Alltag suchen. Doch selbst dann muss man die Frage stellen, welche Chancen für eine erfolgreiche Vermarktung bestehen. Das Konsortium - Universitäten, die polnische und nordirische Polizei sowie einige mittelständische Unternehmen - repräsentiert eher periphere Akteure des sicherheitsindustriellen Komplexes, und entsprechend behaupten Insider hinter vorgehaltener Hand, dass die Genehmigung des Projektes mehr dem europäischen Proporzdenken geschuldet war als einem überzeugendem Forschungsplan.

Doch nicht wenigen der zahlreichen Akteure der Sicherheitsforschung dürfte es sehr gelegen kommen, dass INDECT als Projektionsfläche der Ängste vor der "Forschung für den Überwachungsstaat" vom großen Ganzen ablenkt. Zwar ist INDECT mit seinem 15-Millionen-Euro-Budget das teuerste Projekt in der Förderlinie "Sicherheit der Bürger". Aber diese ist nur eine - zudem kleinere - unter insgesamt sieben Förderlinien; und INDECT ist nur eines von mehr als 130 Projekten [4], die seit 2007 im Rahmen des Europäischen Sicherheitsforschungsprogramms bewilligt wurden. Von A wie ADABT ("Automatic detection of abnormal behaviour and threats in crowded spaces") bis W wie WIMA2S ("Wide maritime area airborne surveillance") zielen zahlreiche dieser Projekte auf die Entwicklung und Perfektionierung von Überwachungssystemen - und einige von ihnen mit absehbar größerem Erfolg als der mutmaßliche "Bevölkerungsscanner".

170 Millionen Euro für die Festung Europa

Mehr als zehn Projekte haben Budgets, die zum Teil weit über dem von INDECT liegen, die meisten davon in der Förderlinie "Intelligente Überwachung und Grenzsicherheit". PERSEUS, TALOS, EFFISEC, I2C oder SEABILLA: Hier geht um den Ausbau und die Integration der existierenden Grenzüberwachungssysteme an Mittelmeer und Atlantik, die Sicherung der grünen Grenze im Osten der EU durch semi-autonome Patrouillenroboter und Sensornetze oder neue High-Tech-Schleusen für die Grenzkontrolle an Häfen ("Vollständige situative Kenntnis der Außengrenzen" [5]). Bislang fördert die Europäische Kommission diesen Schwerpunkt mit 110 Millionen Euro; weitere 60 Millionen steuern die beteiligten Unternehmen als Eigenanteil dazu.

Mit einem Gesamtbudget von fast 44 Millionen Euro das teuerste Projekt des Forschungsprogramms ist PERSEUS [6] ("Protection of European seas and borders through the intelligent use of surveillance"). Anfang 2011 gestartet, zielt das Megavorhaben auf die Entwicklung eines "System of Systems" zur Überwachung von Europas Seegrenzen [7]. Unter Leitung des spanischen Technologiekonzerns Indra [8] versammelt es 29 Projektpartner. Unter ihnen große Systemintegratoren wie die EADS-Rüstungstochter Cassidian [9], die spanische EADS-CASA sowie Saab und Boeing. Mit dabei sind aber auch das französische Innenministerium, die griechische Küstenwache, die spanische Guardia Civil, das griechische Verteidigungsministerium und das NATO Undersea Research Centre [10] in La Spezia. Zudem beteiligen sich das italienische Innenministerium und seine Küstenwache, die Polizei Irlands, die rumänische Grenzpolizei sowie eine Reihe von Hafenbehörden als externe "Endnutzer".

Bis 2015 will das Projekt Informationskanäle zwischen den verschiedenen existierenden Kontrollzentren auf- und ihre Überwachungskapazitäten ausbauen. Insbesondere soll die Sensorik zum automatisierten Erkennen, Identifizieren und Verfolgen "verdächtiger kleiner Boote und tief fliegender Flugzeuge" durch die Fusion von Radar- und Satellitendaten mit Informationen von Patrouillenbooten, Flugzeugen und einer im Aufbau befindlichen Flotte taktischer Drohnen verbessert werden. Das Ziel ist ein gemeinsames Lagebild der nationalen Grenzpolizeien und Küstenwachen, der EU-Grenzschutzagentur Frontex [11] und der Europäischen Maritimen Sicherheitsagentur [12] (EMSA).

Damit stellt PERSEUS den letzten Schritt beim Aufbau des europäischen Grenzüberwachungssystems EUROSUR [13] dar, den die EU seit mehr als fünf Jahren vorbereitet. Systematisch knüpft das Vorhaben an Vorarbeiten von abgeschlossenen und laufenden Sicherheitsforschungsprojekten wie OPERAMAR, GLOBE, AMASS oder SEABILLA an, in denen strategische Blaupausen und Basistechnologien entwickelt wurden und werden. Eng verknüpft ist PERSEUS aber auch mit dem Programm Maritime Surveillance [14] (MARSUR) der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA). Gemeinsam sollen beide Projekte in einer zivil-militärisch integrierten Meeresüberwachung [15] münden, wie sie im Rahmen der "integrierten Meerespolitik für die Europäische Union" spätestens seit 2009 vorangetrieben wird.

Angesichts der Tatsache, dass die EU als ihren "maritimen Bereich" nicht nur "Küstenmeere, ausschließliche Wirtschaftszonen und Festlandsockel der EU-Mitgliedstaaten", sondern auch "Such- und Rettungs- sowie alle Einsatzgebiete, die von einer zivilen oder militärischen Behörde für eine Marineoperation der EU ausgewiesen wurden", definiert, steht fest, dass PERSEUS und die anderen Grenzüberwachungsprojekte nicht nur der unmittelbaren Migrationsabwehr dient, sondern - im Sinne eines "Pre-border"-Konzeptes - auch der imperialen Machtprojektion auf Hoher See. Illustratives Beispiel hierfür ist die geplante Einbindung des Maritimen Analyse- und Operationszentrums zur Bekämpfung des Drogenhandels [16] (MAOC-N), das seit 2006 von Lissabon aus die Arbeit von Polizei und Marine aus sieben Staaten koordiniert, um im östlichen Atlantik zwischen Kap der guten Hoffnung und Norwegischer See Jagd auf Schmuggler zu machen.

Bahnhofsüberwachung von der Stange

Weitere Großprojekte widmen sich dem Themenfeld "Sicherheit von Infrastrukturen", das mit 100 Millionen Euro gefördert wird. Im April 2011 startete SECUR-ED [17] ("Secured Urban Transportation - A European Demonstration"), mit einem 40-Millionen-Euro-Budget nach PERSEUS das zweitgrößte Projekt der Sicherheitsforschung. Vage heißt es:

Das oberste Ziel von SECUR-ED ist es, Verkehrsunternehmen in großen und mittelgroßen europäischen Städten Mittel an die Hand zu geben, um die Sicherheit der öffentlichen Nahverkehrs zu verbessern. Das zweite zentrale Ziel ist es, den Markt für Sicherheit in diesem Bereich für die europäische Industrie zu entwickeln.

Hierzu soll "ein konsistenter und interoperabler Mix von Technologien und Prozessen definiert werden, der die Sicherheit von Personen und Infrastrukturen - von Kleinkriminalität bis zu großen terroristischen Bedrohungen - adressiert und auf die Interoperabilität und Standardisierung der Lösungen setzt" Im Einzelnen geht es um die Entwicklung und Erprobung von Verfahrensvorschriften und Ausbildungseinheiten für Risikomanagement sowie Einsatzplanung und -durchführung, aber auch um vorausschauende Videoanalyse und intelligente Lagebildeinschätzung, Sensoren zur Detektion von chemischen, biologischen oder nuklearen Stoffen, den standardisierten und interoperablen Informationsaustausch zwischen Verkehrsbetreibern und Sicherheitsbehörden sowie die Resilienz kritischer Infrastrukturen. Voraussichtlich 2013 sollen die entwickelten "modularen Lösungen" auf Bahnhöfen und im Schienennetz der vier Großstädte Berlin, Madrid, Mailand und Paris getestet und "validiert" werden. Weitere "Satellitendemonstrationen" sind in Brüssel, Istanbul, Lissabon und Bukarest geplant.

Geleitet wird das Projektkonsortium vom französischen Technologie- und Rüstungskonzern Thales. Weitere Partner sind Selex und Ansaldo, beides Töchter des italienischen Rüstungsgiganten Finmeccanica, die Safran-Tochter Morpho, der kanadische Konzern Bombardier, die schwedische Rüstungsforschungsagentur FOI [18], die deutsche Fraunhofer-Gesellschaft und ihr niederländisches Pendant TNO, der Lobbyverband der europäischen Sicherheitsindustrie EOS [19] sowie einige Universitäten. Daneben sind mit der Deutschen Bahn AG, den französischen Verkehrsunternehmen RATP und SNCF, Verkehrsbetrieben aus Brüssel, Madrid, Norditalien, Rumänien und der International Association of Public Transport zahlreiche Akteure des schienengebundenen Personenverkehrs beteiligt. Fest steht auch, dass das französische Innenministerium als Projektpartner involviert ist.

Unklar ist aber bislang, wer die Interessen von Polizei und Rettungskräften in dem geplanten Beratergremium wahrnehmen wird. Offen ist auch, wer die kritische Beratung zu "ethischen und sozialen Fragen" übernehmen wird, die sicherstellen soll, dass die geplanten Demonstrationsprojekte mit nationalem und europäischem Recht kompatibel sind. Dass im Rahmen der deutschen Sicherheitsforschung in dem ähnlich gelagerten SINOVE-Projekt [20], das mit acht Millionen Euro des Bundesforschungsministeriums an der Entwicklung intelligenter Videoüberwachung für Bundespolizei und Deutsche Bahn [21] arbeitet, die DB-Konzernsicherheit für Datenschutz und Akzeptanzforschung zuständig ist, lässt nichts Gutes ahnen.

Zentrale Partner von SECUR-ED sind identisch mit jenen von PROTECTRAIL [22] ("The Railway-Industry Partnership for Integrated Security of Rail Transport") dem zweiten großen EU-Projekt zur Bahnsicherheit. Auch hier sind Ansaldo, Selex, TNO, Bombardier, Thales und Morpho wieder dabei, diesmal mit Verstärkung durch Smith Heimann, bekannt für seine Flughafenscanner, und den israelischen Rüstungskonzern Elbit Systems. Für knapp 22 Millionen Euro soll PROTECTRAIL, ähnlich wie das große Schwesterprojekt, dazu beitragen, durch Machbarkeits- und Demonstrationsstudien für standardisierte Systemlösungen den Markt für Sicherheitstechnologien im Regional- und Fernbahnverkehr zu entwickeln. Konkret geht es dabei um den Schutz von Signalanlagen und Schienenabschnitten sowie um die Überprüfung von Personal, Passagieren, Gepäck und Güterfracht. Auch wenn sich die verfügbaren Informationen über Details ausschweigen, ist angesichts der Zielsetzung und Konsortialpartner klar, dass es in der Praxis des im Herbst 2010 angelaufenen Projektes um den Einsatz von Überwachungstechnologien unterschiedlichster Couleur geht.

Auch wenn im Gegensatz zu PERSEUS bei beiden Projekten nicht die Entwicklung eines klar umrissenen Systems im Vordergrund steht, dürften sie angesichts der Schar involvierter Großkonzerne und der kritischen Masse beteiligter "Endnutzern" signifikante Ergebnisse zeitigen und die Markteinführung von standardisierten Systemlösungen zur technisch hoch gezüchteten Überwachung von Bahnhöfen und Schienennetzen auf breiter Front beschleunigen.

"Full Spectrum"-Überwachung für den mobilen Einsatz

Ein weiteres bemerkenswertes Großprojekt ist IMSK [23] ("Integrated Mobile Security Kit"), mit einem Budget von mehr als 23 Millionen Euro das größte von 28 Vorhaben in der Förderlinie "Wiederherstellung der Sicherheit in Krisenfällen". Ziel des Projektes ist die Entwicklung und Demonstration eines mobilen und schnell einsetzbaren Systems zur Sicherung von Großereignissen wie Gipfeltreffen oder Sportveranstaltungen. Hierzu sollen Technologien zur großräumigen Videoüberwachung, zur Sicherung von Kontrollpunkten und zur Detektion von Gefahrstoffen kombiniert werden, um die Informationen zu einem integrierten Lagebild zusammenzufügen.

Die wenigen Informationen, die verfügbar sind, deuten an, dass es um den Einsatz von Satelliten, Luftschiffe, Video-, Infrarot-, Röntgen- und Terahertz-Kameras sowie Systeme zur automatisierten Nummernschilderkennung und andere Technologien algorithmischer Überwachung geht. Mobilisiert werden sollen also das komplette elektromagnetische Spektrum sowie akustische, seismische und chemische Sensoren.

Entsprechend sieht auch die Zusammensetzung des Konsortiums aus: Koordiniert vom schwedischen Saab-Konzern, sind als Industriepartner beteiligt das deutsche Rüstungsunternehmen Diehl BGT Defence, die Satelliten- und Kommunikationssparten der Finmeccanica-Tochter Selex, mehrere Tochterunternehmen von Thales und der Massenspektrometer-Hersteller Bruker Daltonics. Hinzu kommen Forschungseinrichtungen wie die Schwedische Rüstungsforschungsagentur FOI, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Fraunhofer-Gesellschaft sowie einige mittelständische Unternehmen wie die französische AirshipVision International. Als potenzielle Anwender sind die polizeitechnische Forschungsstelle des französischen Innenministeriums sowie die Schwedische Polizei und der Deutsche Fußballbund vertreten. Angeblich soll auch das europaweite ATLAS-Netzwerk polizeilicher Spezialeinheiten [24] Interesse signalisiert haben.

Die Projektbeschreibung verspricht ein "Privacy Impact Assessment", eine Abschätzung zur Bewertung der Folgen des Projektes für Privatsphäre, Datenschutz und Bürgerrechte, und im Beratergremium sitzt ein Mann, der für soziale, rechtliche und ethische Fragestellungen zuständig ist. Bislang allerdings findet sich zum Thema so gut wie nichts. Nur in einem Projektnewsletter von April 2010 [25] liest man unter der Überschrift "Soziale Folgen" den wenig ermutigenden Satz:

IMSK wird die Sicherheit bei verschiedensten Ereignissen erhöhen. Der größten Gefahr für solche Ereignisse ist Terrorismus. Aber IMSK, wenn erfolgreich demonstriert, könnte auch dazu beitragen, "gewöhnliche Gewalt" zu bekämpfen, wie z.B. Probleme mit Hooligans bei Fußballspielen. Erhöhte Sicherheit könnte dazu führen, dass vermehrt Familien solche Sportereignisse besuchen.

Dass in dem Beirat aber auch ein Vertreter von EADS sitzt, der für das Thema "Dual Use" zuständig ist, signalisiert, dass es auch militärische Interessen an einem mobilen und schnell aufbaubaren System zur Rundumsicherung von gefährdeten Objekten gibt. Dies erinnert daran, dass den Auftakt zum EU-Sicherheitsforschungsprogramm eine "Gruppe von Persönlichkeiten" (GoP) orchestrierte, denen Fragen kostengünstiger Rüstungsbeschaffung für die damals neue Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik kaum weniger am Herzen lagen als Bedarfe der Polizei und des Katastrophenschutzes: "Als Brücke zwischen ziviler Forschung und Wehrforschung sollte ein Europäisches Sicherheitsforschungsprogramm die Vorteile nutzen, die sich aus der Dualität von Technologien und der wachsenden Überschneidung zwischen militärischen und nicht-militärischen Sicherheitsaufgaben ergeben, um die Lücke zischen beiden Forschungssektoren zu schließen", hieß es im Abschlussbericht der GoP [26] von 2004.

Weiterforschen für zivil-militärisch "vernetzte Sicherheit"

Gegenwärtig gehen die Verhandlungen um die Fortsetzung des EU-Sicherheitsforschungsprogramms in die heiße Phase. Nachdem die Europäische Kommission im Februar 2011 ihr Grünbuch für Horizon 2020 [27], so der verheißungsvolle Name des kommenden EU-Forschungsrahmenprogramms, vorgelegt hatte, soll - nach einer Serie von Konsultativworkshops - Ende November der konkrete Gesetzentwurf in Brüssel vorgelegt werden. Als möglicher Berichterstatter des Europaparlaments hat sich mit dem christdemokratischen Abgeordneten Christian Ehler [28] bereits ein wohlwollender Fürsprecher deutscher Interessen in und an der Sicherheitsforschung in Stellung gebracht. Ehler, der bereits Schattenberichterstatter der konservativen Fraktion für das Grünbuch zu "Horizon 2020" war, verfügt als Vorsitzender der German European Security Association [29] (GESA) über gute Kontakte zu Industrie und militärnahen Forschungseinrichtungen wie dem Fraunhofer-Verbund Verteidigungs- und Sicherheitsforschung [30], die von der Vermarktung ihres Wissens bereits in den letzten Jahren hervorragend profitiert haben. Kürzlich orakelte [31] er auf dem "Security and Defence Day" in Brüssel, dass das Sicherheitsforschungsbudget von 2014-2020 auf zwei Milliarden Euro steigen könnte; ein Zuwachs von 600 Millionen gegenüber dem laufenden Programm.

Zum selben Anlass erklärte Ehler, dass sich die europäische Rüstungs- zu einer Sicherheitsindustrie wandeln und Rüstungsbeschaffung immer stärker auf "Dual Use"-Technologien ausgerichtet sein werde. Dies ganz im Sinne des militärisch-industriellen Komplexes, der sich in Zeiten der Sparhaushalte zunehmend um Angebot und Nachfrage von High-Tech-Rüstung sorgt und Wege sucht, Entwicklungskosten auszulagern und Märkte jenseits militärischer Beschaffung zu erschließen. Das liest sich im aktuellen Ressortforschungsplan des Bundesverteidigungsministeriums [32] dann so: "Konzepte und entsprechende Technologien, die sowohl für die Wehrwissenschaftliche Forschung als auch für die zivile Sicherheitsforschung relevant sind, bilden die Schnittstellen für das BMVg zur zivilen Sicherheitsforschung." Und auch die Europäische Rüstungsagentur ist eifrig bemüht [33] um "zivil-militärische Synergien", um "kosteneffektive Kooperationen zwischen der zivilen Sicherheitsforschung und Wehrforschungsaktivitäten" zu entwickeln.

Nur konsequent also, wenn es im Protokoll [34] des Konsultativworkshops der Kommission zur Zukunft der Sicherheitsforschung von Juni trotz allem Vorgeplänkel, dass diese "einen explizit zivilen Fokus" habe, heißt:

Um sichere Gesellschaften in Europa zu schaffen, muss die gegenwärtige Forschung im Bereich Innere Sicherheit vertieft, aber auf Äußere Sicherheit ausgeweitet werden. Enge Verbindungen zwischen Gemeinsamer Sicherheits- und Verteidigungspolitik und dem Aktionsplan zur Umsetzung der EU-Strategie für die Innere Sicherheit sind daher notwendig.

Auf der Themenagenda: Technologien zur Bekämpfung von schweren und organisiertem Verbrechen und Terrorismus, Cybercrime und Cyberterrorismus, der Schutz kritischer Infrastrukturen, die Entwicklung intelligenter Überwachungssysteme, europäischer Grenzschutz und das "Management" von sowohl inneren als auch äußeren Krisen und Katastrophen. Ein schwacher Trost, dass es offensichtlich auch Kritik an einer von großindustriellen Lobbyinteressen getriebenen Hochtechnologie-Orientierung der EU-Forschung insgesamt gab und sich manche Sozialwissenschaftler gegen die drohende "Versicherheitlichung" ihrer Disziplinen wehrten. Offensichtlich ist es dringend Zeit, dass diese Stimmen Verstärkung bekommen.


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[1] http://cordis.europa.eu/fp7/security/home_en.html
[2] http://www.indect-project.eu/
[3] https://www.heise.de/tp/features/Bevoelkerungsscanner-liebaeugelt-mit-Supercomputer-3387772.html
[4] http://cordis.europa.eu/search/index.cfm?fuseaction=proj.resultList&page=1&perPage=10&q=FD8A9BBC079BD5FCECD584ADBD3CE6A7&type=adv
[5] https://www.heise.de/tp/features/Vollstaendige-situative-Kenntnis-der-Aussengrenzen-3391191.html
[6] http://www.perseus-fp7.eu/
[7] https://www.heise.de/tp/features/Militarisierung-des-Mittelmeers-3389314.html
[8] http://www.indracompany.com/en
[9] http://www.cassidian.com/
[10] http://www.nurc.nato.int/
[11] http://www.frontex.europa.eu/
[12] http://www.emsa.europa.eu/about.html
[13] http://europa.eu/legislation_summaries/justice_freedom_security/free_movement_of_persons_asylum_immigration/l14579_de.htm
[14] http://www.eda.europa.eu/Otheractivities/Maritimesurveillance
[15] http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2009:0538:FIN:DE:PDF
[16] http://www.euractiv.com/justice/european-centre-tackle-cocaine-smuggling/article-167241
[17] http://www.secur-ed.eu/
[18] http://www.foi.se/FOI/templates/Page____111.aspx
[19] http://www.eos-eu.com
[20] http://www.bmbf.de/pubRD/_SvV_Bekanntm._D_600x800_SinoVE.pdf
[21] http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/pti-intern.dhpol.local/TagSem/Seminar/Nr32_08/CD-Beitraege/06-Paulmann/Vortrag_SinoVE-DHPol.pdf
[22] http://www.protectrail.eu/
[23] http://www.imsk.eu/
[24] http://www.bmi.gv.at/cms/cs03documentsbmi/958.pdf
[25] http://www.imsk.eu/LinkClick.aspx?fileticket=CslvGbmJT9U%3d&tabid=63
[26] http://www.src09.se/upload/External%20Documents/gop_en.pdf
[27] http://ec.europa.eu/research/horizon2020/pdf/com_2011_0048_csf_green_paper_de.pdf#page=2
[28] http://www.christian-ehler.de/
[29] http://www.gesa-network.de/
[30] http://www.vvs.fraunhofer.de/
[31] http://www.defensenews.com/story.php?i=8166506&c=EUR&s=ALL
[32] http://ebookbrowse.com/ressortforschungsplan-bmvg-2011-pdf-d114091540
[33] http://www.eda.europa.eu/Aboutus/Howwedo/Civmil
[34] http://ec.europa.eu/research/social-sciences/pdf/report-of-csf-workshops_en.pdf