Die Illusion einer globalen demokratischen Wiedergeburt durch Krieg
Seite 2: Geldsegen fürs Militär, während soziale Ungleichheit und Klimakrise eskalieren
- Die Illusion einer globalen demokratischen Wiedergeburt durch Krieg
- Geldsegen fürs Militär, während soziale Ungleichheit und Klimakrise eskalieren
- Die große Ablenkung von innenpolitischen Problemen
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Fukuyama hat zu einer Reihe von Schritten aufgerufen, um die amerikanische Demokratie zu regenerieren: eine Verringerung der "Identitätspolitik" und des kulturellen Radikalismus, um einen neuen Sinn für eine gemeinsame nationale Staatsbürgerschaft zu schaffen; ein entschiedenes Eintreten gegen Rassismus; vernünftige Kompromisse in der Einwanderungspolitik; eine Einigung über die Notwendigkeit massiver Investitionen in die Infrastruktur und die technologische Entwicklung; eine gemeinsam vereinbarte Politik zur Verringerung sozioökonomischer Ungleichheit. Er hat vor den Gefahren einer verknöcherten und nicht reformierbaren US-Verfassung gewarnt und auf die Notwendigkeit hingewiesen, etwas gegen die drohende Gefahr des Klimawandels zu unternehmen.
Hat der Krieg in der Ukraine zu einer Einigung zwischen den politischen Parteien in den USA in diesen Fragen geführt? Ganz und gar nicht. Der einzige – nur allzu bekannte – Bereich, in dem der Krieg eine echte Einigkeit in den Vereinigten Staaten und zwischen Republikanern und Demokraten im Kongress ausgelöst hat, ist die Bereitstellung enormer Geldsummen an den militärisch-industriellen Komplex. Die Militärausgaben der USA könnten man als eine Art nationalen industriellen Entwicklungsplan bezeichnen, der es nicht wagt, beim Namen genannt zu werden – zumindest nicht offen in der Gegenwart der marktwirtschaftlich orientierten Republikaner. Es ist zudem ein unsagbar verschwenderischer, korrupter und fehlgeleiteter Plan.
Die Mobilmachung amerikanischer und europäischer Institutionen für den ererbten und sich selbst vergewissernden Kalte-Krieg-Modus lenkt massiv von den wirklich existenziellen Bedrohungen der westlichen Demokratie ab. Wie Matt Duss, der oberste außenpolitische Berater von Senator Bernie Sanders, geschrieben hat:
Die Gefahr besteht darin, dass die politischen Entscheidungsträger, anstatt ein neues Paradigma für diese Ära zu entwickeln, einfach versuchen werden, ein altes Modell des Kalten Krieges ‚wir gegen sie‘wieder zum Leben zu erwecken und ihm einen Smoking zu verpassen. Wie in den Tagen nach dem 11. September 2001 könnte ein momentanes Gefühl der Einigkeit dazu benutzt werden, eine Reihe von tragisch kontraproduktiven Maßnahmen zu fördern.
Das US-Hilfspaket für die Ukraine und die Aufstockung des Pentagon-Budgets zusammengenommen stellen eine enorme Schwächung amerikanischer Ressourcen für Reformen dar, die Fukuyama befürwortet: Erneuerung der Infrastruktur, Maßnahmen gegen den Klimawandel und Reparatur des ausfransenden sozialen Sicherheitsnetzes. Auch US-Investitionen in alternative Energien werden durch die Mittel, die in die neue Öl- und Gasproduktion fließen, um von der durch den Krieg und die westlichen Sanktionen verursachten weltweiten Energieknappheit zu profitieren, ins Abseits gedrängt.