Die Klima-Revolution auf dem Bau

Holz speichert Kohlendioxid, weshalb verbaute Bäume dem Klimaschutz helfen. Die Politik versucht deshalb Anreize zu setzen. Doch ausgerechnet jetzt explodieren die Preise des klimafreundlichen Baustoffs

Um die Erderhitzung im Griff behalten zu können, muss die Menschheit aus der Atmosphäre Kohlenstoff entfernen und speichern. Das ist die Erkenntnis des Weltklimarates IPCC. "Doch bislang gibt es diese negativen Emissionen fast nur auf dem Papier, denn technische Verfahren, um CO2 aus der Luft zu holen, sind extrem teuer", erklärt Stefan Rahmstorf, Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK und Professor für das Fach Physik der Ozeane an der Universität Potsdam.

Rahmstorf will deshalb eine "Revolution auf dem Bau", wie viele andere Experten empfiehlt er das Bauen mit Holz. Derzeit ist die Zementproduktion weltweit nämlich für acht Prozent Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. "Ersetzt man Beton und Stahl als Baustoffe durch Holz, wird dabei der erhebliche CO2-Ausstoß von deren Herstellung vermieden", so der Klimaforscher. Gleichzeitig speichert ein Baum viel Kohlendioxid, massenhaft verbautes Holz sorgt als Kohlenstoff-Speicher dafür, dass der Atmosphäre Treibhausgase entzogen werden und lange "gespeichert" bleiben. Rahmstorf: "Eine Win-win-Situation."

Lake Mjøsa Tower in Brumunddal, Norwegen. Bild: Øyvind Holmstad / CC-BY-SA-4.0

Holzbauten sind längst mehr als die altbekannte Blockhütte. In Norwegen wurde ein gut 85 Meter hohes Hochhaus aus Holz errichtet, in Wuppertal das neue Studentenwohnheim, in Potsdam die Reihenhausanlage Babelsberg. Es gibt Türme von Windkraftanlagen aus Holz, Kindergärten wie die Schatzkiste in Darmstadt öffentliche Gebäude wie die Messehalle 9 in Vorarlberg oder Straßenbrücken wie in Lohmar (Nordrhein-Westfalen) über den Fluss Agger.

Messe Dornbirn, Voralberg. Bild: Friedrich Böhringer / CC-BY-SA-2.5

"Holz bietet bei der Ausführung große Flexibilität", sagt der Bau-Unternehmer Florian Thoma. "Holz verfügt von Natur aus über mechanische Eigenschaften, die es als tragendes Gerüst für bauliche Zwecke besonders geeignet macht", sagt Prof. Stefan Winter, der an der TU München Holzbau und Baukonstruktion lehrt. Der Wiener Architekt Paul Preiss urteilt: "Das ganze Raumklima in einem Holzhaus ist einfach besser."

Naheliegend ist also mehr mit Holz zu bauen: Die Stadtverordneten in Garching haben gerade beschlossen, bei Ausschreibungen zum kommunalen Bauen Holz zu bevorzugen. Aus dem europäischen Fonds "Next Generation EU" - insgesamt 750 Milliarden Euro schwer - fließt Geld in die deutschen Förderbausteine "Klimafreundliches Bauen und Sanieren" und "Weiterentwicklung des klimafreundlichen Bauens mit Holz". Bayern hat gerade ein Aktionsprogramm angekündigt, dass den Freistaat führend beim Holzbau machen soll. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU):

Bayern ist zwar Waldland Nummer 1, aber trotzdem haben wir beim Holzbau bedauerlicherweise nicht die Nase vorn. Das werden wir ändern. Denn mehr Holzbau ist mehr Klimaschutz!

Tatsächlich zeigt solche Politik Wirkung: In Köln-Ehrenfeld soll aus Holz ein Bürohaus für mehr als 500 Arbeitsplätze entstehen, in der Hamburger Hafencity startete im vergangenen Dezember der Bau des höchsten Holzhauses in Deutschland, 65 Meter hoch soll es bis zum Jahr 2023 werden.

Wohnen, Gewerbe, Bildung - die Stadt Freiburg listet aktuell 29 Holzbauprojekte im Stadtgebiet auf. In Berlin soll auf einem Teil des ehemaligen Tegeler Flugfeldes gleich ein ganzer Stadtteil aus Holz entstehen, in das Schumacher-Quartier sollen 450 Millionen Euro investiert werden.

Doch über diese Aufbruchsstimmung bricht nun plötzlich eine Materialknappheit herein: Der Markt für Bauholz ist in Deutschland in diesem Frühling wie leergefegt. "Die Nachfrage nach Holz ist im Inland aber auch durch vermehrten Export insgesamt gestiegen", bilanziert der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes. Hinzu kämen die klimabedingten Folgen von Trockenheit, Stürmen und Borkenkäfer der vergangenen Jahre, die sich zusätzlich auf den Holzmarkt auswirkten: "Das Überangebot an Kalamitätsholz kann nicht schnell genug verarbeitet werden." Kalamitätsholz stammt aus jenen Bäumen, Holz, die geschädigt oder umgefallen sind und deshalb mindere Qualität aufweisen.

Mit dramatischen Folgen für die Holzbaubranche. "Dachlatten sind um 300 Prozent teurer geworden", sagt der Kölner Dachdeckermeister Thomas Ruhrmann, "OSB-Platten um 200 bis 250 Prozent". Die gestiegenen Materialkosten an seine Kunden weitergeben kann er aber nicht: Dem Bauauftrag liegt eine verbindliche Materialkostenkalkulation zugrunde, die er im Nachhinein nicht anpassen könne. Deshalb könnten auch viele der Holzbauprojekte ins Stocken geraten: Hält der Materialengpass an, reichen die 450 Millionen Euro für das Berliner Holzstadtviertel beispielsweise nicht mehr aus, unter vielen Investoren wächst die Unsicherheit.


Einen Grund für die plötzliche Holzknappheit liefert die Corona-Pandemie: Einerseits sind durch lokale Lockdowns lang eingespielte, internationale Lieferketten unterbrochen, erklärt der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes. Andererseits hat US-Präsident Joe Biden mit seinem Konjunkturprogramm gerade einen Bauboom in den USA ausgelöst. Und weil dort traditionell viel mehr mit Holz gebaut wird als in Deutschland, decken sich US-amerikanische Baustoffhändler auch auf dem deutschen Markt ein.

Für den Klimaschutz ist freilich egal, wo der Treibhausgas-Speicher Holz verbaut wird - sieht man einmal von jenen Emissionen ab, die zusätzlich durch den Transport über den Atlantik entstehen. Für die dringend notwendige "Klimawende" auf dem Bau sind die Preissteigerungen dagegen verheerend.

Der bündnisgrüne Baupolitiker Andreas Otto aus Berlin prescht deshalb mit einer ungewöhnlichen Idee vor: Berlin und Brandenburg sollten ein gemeinsames Sägewerk betreiben, denn trotz der steigenden Preise für Schnittholz sind wegen des Überangebots nach den drei Trockenjahren die Preise für Rohholz gesunken. Das Sägewerk könnte "auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel entstehen", findet Otto. Also just dort, wo in der Nachbarschaft das Holzquartier entstehen soll.