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Die Schatzinseln

Falklandinseln: "Begehre das Richtige". Bild Government of Great Britain/CC0

Argentinien lässt im Streit um die Falklandinseln nicht locker

Argentinien beansprucht nach wie vor die Falklandinseln bzw. Malwinen für sich. Die Südamerikaner unternehmen hin und wieder Vorstöße, um das internationale Interesse in ihrem Sinne zu beeinflussen, zu "malwinisieren", und das Vereinigte Königreich zu isolieren: Die UN solle entscheiden, wem nun die Inselgruppe gehört. Der Konflikt ist vor allem ein Streit um Ressourcen. Es geht um Öl und Fischereiinteressen. Die Prioritäten haben sich in letzter Zeit verschoben, aktuell steht die Fischerei im Vordergrund.

Ölboom wurde vertagt

Um das Offshore-Öl, das in den an die Falklandinseln angrenzenden Becken vermutet wird, ist es ruhiger geworden, der Hype um die "Scheichs des Südatlantiks" [1] hat sich vorerst gelegt. Der gegenwärtige Ölpreis macht die Erkundungen unattraktiv, und die Inselbewohner sind nun froh, statt der erhofften Einnahmen aus dem Ölgeschäft wenigstens die Lizenzgebühren aus der Fischerei einzufahren.

Verschiedene kleinere Ölfirmen hatten Ende der ersten Dekade des neuen Millenniums zu Erkundungen angesetzt und Investoren ermuntert, mit 500 Millionen Pfund Sterling auf zukünftige Funde in dieser rauen Umgebung zu setzen. Jahre zuvor hatten es einige Schwergewichte der Branche schon einmal versucht - und waren unverrichteter Dinge wieder abgezogen, ohne einen Tropfen Öl gefunden zu haben.

Das erste Öl wurde 2010 im Sea Lion-Feld nördlich der Inselgruppe entdeckt, 390 Millionen Barrel werden hier vermutet. Premier Oil will hier 2020 mit der Förderung beginnen. Unterdessen hatten andere Firmen neue Erkundungen unternommen, die weitere 1.3 Milliarden Barrel in Aussicht stellten. Ursprüngliche Schätzungen waren noch von 5 Milliarden Barrel im Nordbecken und mehr als fünfmal soviel im bisher wenig erforschten Südbecken ausgegangen.

Doch seitdem wurden die hochgeschraubten Erwartungen ein ums andere mal gedämpft. Das ließ die Broker zunächst unbeeindruckt. 2012, als Falkland Oil and Gas Ltd (FOGL) den Reservoirzustand zweier seiner größten Förderstätten als qualitativ schlecht beschrieb, verdunstete auch das Vertrauen des Marktes, die Aktienwerte fielen. Die verbliebene Förderstätte vermeldete 2015 keine verwertbaren Öl- oder Gasvorkommen. FOGL wurde 2016 von der Firma Rockhopper geschluckt, die mit ihren Anteilen an Sea Lion besser dastehen.

Allein die Vorstellung von baldigem Reichtum ließen den Anteil der Öl- und Gaserkundungen am jährlichen BIP zwischenzeitlich auf ein Viertel ansteigen. Eine Unternehmensberatung ermittelte, dass das BIP um bis zu 500% klettern könnte, sollte Sea Lion die Ölförderung aufnehmen. 2014 kündigte Premier Oil jedoch an, seine Sea Lion-Operation um die Hälfte herunterzuskalieren.

Ein anderer Reichtum zeigt sich bei Nacht

Doch vor den Falklandinseln wird ein weiterer Schatz gehoben. Das lässt sich sogar aus dem All beobachten. Zusammengesetzte Karten zu Lichtquellen auf der nächtlichen Erde beleuchten menschliche Aktivitäten auch auf dem Meer, und ein besonders deutlich erkennbares Beispiel ist die Kalmarfischerei im Südwestatlantik. Die Boote fischen entlang unsichtbarer Linien, die aus den Kanten des Kontinentalschelfs, dem nährstoff- und planktonreichen Falklandstrom und den Begrenzungen der Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) von Argentinien und der Falklandinseln gebildet werden. Die Lichterkette [2] nimmt dabei die charakteristische Form eines kopfstehenden "Y" an.

Bild: Nasa

Ende der 1970er Jahre machten erstmalig von Militärsatelliten aufgenommene Nachtfotos Fischereiaktivitäten in Asien sichtbar. Heute werden solche Aufnahmen in die Überwachung von Fischereioperationen einbezogen. Denn die Massierung der Boote im Südwestatlantik deutet an, dass dort viel mehr Fischereifahrzeuge im Einsatz sind, als von der Anzahl vergebener Lizenzen anzunehmen wäre. Ein Teil der ausländischen Fangflotten befischt die Zone legal in den angrenzenden internationalen Gewässern, andere jedoch wagen sich bis in die anliegenden AWZ vor. Mit hochauflösenden Fotos können die Fischereibehörden die Flottenstärke und den wöchentlichen Gesamtfang während der Kalmar-Saison schätzen. 300.000 Tonnen werden jährlich der illegalen, nicht gemeldeten und nicht regulierten (IUU) Fischerei zugeschrieben.

Das Licht vor der patagonischen Küste [3] stammt nicht von amphibischen Mega-Metropolen oder von Erdgasförder-Anlagen, es ist das Licht abertausender Quecksilberdampflampen auf Jiggern: Fangbooten, die damit den Argentinische Kurzflossenkalmar (Illex argentinus) anlocken. Die Abbildung verdeutlicht das Ausmaß dieser Fischerei auf dem Patagonischen Schelf nordwestlich der Falklandinseln. Jedes Boot beleuchtet die Wasseroberfläche mit einer Leistung von durchschnittlich 200 Kilowatt. Bild: Nasa [4].

Ab 1980 entwickelte sich hier eine industrielle Kalmarfischerei [5], in der stellenweise bis zu 90 Trawler und 120 Jigger aus 14 Ländern im Fanggebiet operierten. 1999 erreichten die Kopffüßerfänge im Südwestatlantik mit 1.2 Millionen Tonnen ihren vorläufigen Spitzenwert.

Argentinien ist heute die wichtigste Fischereination in der Gegend. Zwischen 1950 und 2010 wurden fast 25% aller gefangenen Kopffüßer dort angelandet.

Fischerei vor den Falklandinseln

Die Ausdehnung der Hoheitsgewässer vor den Falklandinseln mit der Einrichtung der Falkland Islands Interim Fishery Conservation and Management Zone (FICZ) 1986 veränderte die Kalmarfischerei vor Ort grundlegend [6], die internationale Trawler-Armada verschwand aus diesen Gewässern. Nur rund 20 spanische Trawler blieben: eine Sonderform des quota hopping (Die gestohlene See [7]), denn sie gehen unter der Flagge der Falklandinseln auf Fangreise. Der Hauptbestandteil der ausländischen Fangflottille wird von hundert Illex-Jiggern aus Taiwan und Korea [8] gebildet.

CAPRICORN und BEAGLE FI, Supertrawler von Pescapuerta aus dem spanischen Vigo, fahren unter der Flagge der Falklandinseln. Foto: Bernd Schröder

Die Kalmare des Patagonischen Schelfs und seiner Ränder stellen eine enorme Biomasse-Konzentration dar, die eng in den Nährstoff- und Energiekreislauf des Ökosystems eingewoben ist. Gefangen werden vor allem zwei Kalmararten, Illex argentinus und Doryteuthis gahi, die beide zusammen 75% des Gesamtfangs der Falklandinseln ausmachen.

Die Fischerei auf die Kalmare mit ihren kurzen Lebenszyklen von einem Jahr ist von einem ständigen Auf und Ab geprägt: 2016 war kein gutes Illex-Jahr. Die stark schwankenden Populationen machen sie anfällig für Überfischung und Änderungen der Umweltbedingungen. Den Rückgang der angelandeten Illex-Mengen um fast eine Größenordnung zwischen 1999 und 2004 werten Meeresbiologen als Warnung davor, dass ein zu hoher Fischereidruck zu unumkehrbaren Langzeitschäden in der Kalmarpopulation führen kann.

Fischereiprodukte sind das wichtigste Exportgut der Falklandinseln. 2012 betrug der Wert des Fangs [9] 184.5 Millionen Pfund Sterling - fast alles ging in den Export. In weniger guten Jahren dagegen wird die 100-Millionen-Pfund-Grenze nicht überschritten. Der jährliche Fang vor den Falklandinseln beläuft sich im Durchschnitt auf rund 200.000 Tonnen. Am globalen Maßstab gemessen ist die Fischerei nicht besonders voluminös, dafür ist sie eine für die Weltversorgung bedeutende Kalmarfischerei - 50% aller in der EU verzehrten Calamari stammen von hier, wobei Spanien der Haupthandelspartner ist.

Die Fischereilizenzen bringen den Falkländern jährlich bis zu 20 Millionen Pfund Sterling ein. Die wichtigsten kommerziell gefangenen Fischarten sind Tiefsee- und Antarktisdorsche sowie Hoki und Seehechte. Bis auf Illex werden die Quoten per ITQ (individuell transferierbaren Quoten) gemanagt und seit 2006 nur noch alle 25 Jahre vergeben - eine drastische Änderung des bis dahin praktizierten Modus der jährlichen Vergabe. Die Quoten befinden sich in den Händen von 15 Fischereiunternehmen.

Die Argentinier protestierten gegen diese Quotenregelung in den von ihnen beanspruchten Gewässern. Die Arbeit der 1990 zum Zwecke des Bestandsschutzes und einer gemeinsamen Fischereiforschung gegründeten South Atlantic Fisheries Commission ruht seitdem, Argentinien hat sich daraus aus Protest zurückgezogen.

Auf Konfrontationskurs

2013 wurde auf der Inselgruppe mit ihren 3000 Seelen per Referendum ein weiterer Verbleib bei Großbritannien beschlossen. Die damalige Präsidentin Kirchner hatte schon vorher angekündigt, das Ergebnis nicht anzuerkennen. 2016 entschied [10] die UN-Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels, dass die Falklandinseln in den Gewässern Argentiniens liegen. Die Argentinier sehen sich in ihren Souveränitätsforderungen und Ansprüchen auf die Ressourcen des Patagonischen Schelfs bestätigt, auch wenn sie ihre damit verbundenen Rechte [11] nicht gegenüber den seit 1833 von den Briten verwalteten Gebieten geltend machen wollen - zumindest vorerst.

Die Insulaner wollen das nicht akzeptieren, sie haben ihre eigene Sicht [12] auf die Dinge, die sie mitunter auch in Anekdotenform [13] präsentieren. Der letztes Jahr ins Amt gekommene argentinische Präsident Mauricio Macri sagte Anfang Juli 2016 bei einem Besuch in Brüssel, dass Argentinien unabhängig vom Brexit am Anspruch auf die Malwinen festhalten werde.

Argentinische Interpretation seines Festlandsockels. Ansprüche auf Gebiete südlich 60° südlicher Breite sind nach dem Antarktisvertrag von 1959 eingefroren. Bild [14]: COPLA Argentina

Im nächsten Jahr steht der 35. Jahrestag des Falklandkriegs auf der Agenda. Die Argentinier haben in den vergangenen Jahren den Druck im Südwestatlantik erhöht. 2011 gab es vermehrt Berichte [15] über die "Belästigung" der spanischen Flotte in den Gewässern der Falklandinseln, Südgeorgien und den Südsandwich-Inseln, die die Argentinier als integralen Bestandteil ihres Territoriums ansehen. Für sie fischen die Trawler der ehemaligen Koloniemutter Spanien unter der Flagge der Falklandinseln hier demnach illegal. Seit 2010 benötigen neben den in der Region tätigen Energieunternehmen [16] nun auch diese Fischereifahrzeuge per Gesetz eine Transitgenehmigung Argentiniens, ebenso für die direkte Passage nach Montevideo in Uruguay, einem logistischen Zentrum der Falklandinseln-Fischerei: von hier aus wird der Fang nach Europa verschifft.

Nach argentinischem Recht sind "duale" Fischereioperationen einer Firma nun nicht mehr gestattet, diese muss sich nun bei der Standortwahl für eine Örtlichkeit entscheiden - entweder für das argentinische Festland, oder die besetzte Inselgruppe. Doch in letzterem Fall gibt es keine Basis mehr in Argentinien. Der spanische Fischereigigant Pescanova hat sich unterdessen für Argentinien entschieden [17] und seine "geheime" Tochter auf den Falklandinseln aufgegeben, über die auch Zugang zur lukrativen Antarktisfischerei bestand. Die Geschäfte des in Argentinien beheimateten Tochterunternehmens Argenova mit Shrimps, Antarktisdorsch und Kalmaren sowie die Märkte in Spanien, Italien, Japan, den USA und China waren zu wichtig, um das Risiko einer argentinischen Intervention einzugehen. Man hatte noch die Enteignung [18] des spanischen Energiekonzerns Repsol vor Augen, sowie die von Eduardo Vieira, einem anderen spanischen Fischereiunternehmen.

Die Spanier selber sehen sich hier als Betroffene eines Konflikts, der sie eigentlich nichts angeht. Das könnte sich nun ändern, denn nach dem Brexit wollen die Spanier Gibraltar (Europäische Kernspaltung [19]) und sind dabei auf internationale Unterstützung angewiesen. Auch dort hatte es ein Referendum gegeben. Die Bewohner lehnten eine Aufteilung der Souveränität zwischen Spanien und dem Vereinten Königreich deutlich ab, auch hier wollte man lieber britisch bleiben.

Der Ausstieg aus der EU hat Großbritannien eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich seiner globalen Rolle beschert. Es ist fraglich, ob andere Staaten nun auch weiterhin umstrittenen Britischen Überseegebieten ihren Segen geben werden. Die meisten lateinamerikanischen Länder unterstützen [20] Argentinien, ebenso China. Sollte Argentinien erneut für seine Ansprüche auf die Falklandinseln aktiv werden und um internationale Unterstützung für die Entkolonialisierung des Archipels nachsuchen, können sich die Spanier dem wegen der eigenen territorialen Begehrlichkeiten kaum entziehen. Das hätte vermutlich jedoch auch Folgen für das weitere Wirken der spanische Trawler-Flotte vor Ort, für deren Einsatz die europäischen Gewässer schon lange viel zu klein geworden sind.


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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.telegraph.co.uk/finance/newsbysector/energy/oilandgas/12015061/Falklands-drilling-dream-of-the-diehard-romantics-lives-on.html
[2] http://earthobservatory.nasa.gov/Features/Malvinas/
[3] http://www.inquinamentoluminoso.it/worldatlas/pages/fig3.htm
[4] http://earthobservatory.nasa.gov/Features/Malvinas/
[5] https://www.youtube.com/watch?v=kVTyCTeIIFQ
[6] http://dx.doi.org/10.1080/23308249.2015.1026226
[7] https://www.heise.de/tp/features/Die-gestohlene-See-3558459.html
[8] http://www.fis.com/falklandfish/html/publications.html
[9] http://www.fiassociation.com/shopimages/pdfs/2015%2003%20State%20of%20the%20Falkland%20Islands%20Economy%20Report.pdf
[10] http://www.un.org/depts/los/clcs_new/submissions_files/arg25_09/2016_03_11_COM_SUMREC_ARG.pdf
[11] http://en.mercopress.com/2016/03/27/argentina-on-a-un-decision-expands-continental-shelf-area-by-35-to-350-miles
[12] http://www.dur.ac.uk/ibru/resources/south_atlantic/
[13] http://www.falklands.gov.fk/assets/Falklands-Facts-and-Fictions-ENGLISH-.pdf
[14] http://en.mercopress.com/data/docs/PLATAFORMA-CONTINENTAL-ARG-FOLLETO.pdf
[15] http://en.mercopress.com/2011/12/05/spanish-government-concerned-with-argentine-harassment-of-fishing-vessels-in-falklands-waters
[16] http://en.mercopress.com/2011/12/05/spanish-government-concerned-with-argentine-harassment-of-fishing-vessels-in-falklands-waters
[17] http://www.nuestromar.org/noticias/categorias/22-09-14/pescanova-vendi-lafonia-su-filial-secreta-en-malvinas
[18] http://en.mercopress.com/2014/05/24/pescanova-falklands-operation-could-be-targeted-by-argentina-says-spanish-media
[19] https://www.heise.de/tp/features/Europaeische-Kernspaltung-3255834.html
[20] http://www.un.org/press/en/2015/gaspd580.doc.htm