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Die Tragödie des Wohlstands der Nationen

Grafik: TP

Ist die "geltende" Volkswirtschaftslehre in der Lage, das Problem der Klimakrise zu lösen? Ein Kommentar.

In den Wirtschaftswissenschaften herrscht die Vorstellung, dass das Aggregat der Handlungen einer Vielzahl von Menschen, die alle nach ihrem eigenen Vorteil streben, zugleich das optimale Ergebnis herbeiführe. Die Entscheidungen einzelner werden nicht in Frage gestellt und Beschränkungen gelten regelmäßig als unzulässiger Eingriff in die Freiheit.

Die Menschheit verbraucht gleichzeitig seit Jahrzehnten mehr Ressourcen als reproduziert werden. Weder der Wohlstand noch die Bevölkerung können ewig weiter wachsen. Es wird sich ein neues Gleichgewicht einstellen, das eine Reduktion der Bevölkerungszahl und des Wohlstands zur Folge haben wird, in welchem Verhältnis ist noch offen. Bestehen in dieser Konstellation überhaupt Chancen, dass es nicht zur Katastrophe kommt?

Grenze der Ressourcen

Die Menschheit hat ihr Budget an natürlichen Ressourcen 2019 rechnerisch Ende Juli 2019 verbraucht (sog. Welterschöpfungstag) behauptet das Global Footprint Network. Die Menschheit habe zu diesem Zeitpunkt so viele Ressourcen von der Erde beansprucht, wie alle Ökosysteme im gesamten Jahr erneuern können. In die Berechnung fließt unter anderen die Land- und Wasserfläche ein, die vor allem durch Photosynthese, die Umwandlung von Sonnenenergie in Biomasse, die Grundlage des Lebens bildet. Um die von der Menschheit verbrauchten ökologischen Ressourcen wie Wasser, Land, Pflanzen, Holz und saubere Luft zu regenerieren, seien derzeit 1,75 Erden notwendig.

Der übermäßige Verbrauch sei immer deutlicher feststellbar, etwa an der Bodenerosion, dem Rückgang der Wälder, der geringeren Artenvielfalt oder dem Anstieg von Kohlendioxid in der Erdatmosphäre. Die Zunahme des Kohlendioxids beruht zum Teil auf der Nutzung von fossilen Brennstoffen. Kohle und Erdöl sind aus Biomasse entstanden. Sie haben einen höheren Energiewert, weil sie Sonnenenergie nicht wie ein Stein bei kühleren Temperaturen wieder abgeben, sondern in Form von Wachstum speichern. Einen Teil der gespeicherten Energie kann man durch das Verbrennen von Öl, Holz oder Kohle wieder freisetzen.

Der Großteil des Wohlstands seit der Industrialisierung beruht auf dem technischen Fortschritt und dem Umstand, dass man nicht mehr mittels Handarbeit, Ochsenkarren, Windmühlen, Wasserrädern, Segelschiffen, Flößen etc. produziert, transportiert oder konsumiert. Innerhalb einer kurzen Spanne werden die im Laufe von Jahrmillionen angesammelten Energiereserven Kohle und Öl verbraucht. Das erste Jahr, in dem der globale Ressourcenverbrauch die Reproduktion überschritten hat, soll 1970 gewesen sein. Zwei Jahre zuvor hatte Garrett Hardin den Artikel The Tragedy of the Commons1 [1] veröffentlicht. Gegenstand des Artikels ist eine Selbstverständlichkeit, die in den Wirtschaftswissenschaften kaum Beachtung fände (Hardin war Mikrobiologe und Ökologe): Eine endliche Welt kann nur eine endliche Zahl an Menschen ernähren.

Verbrauch größer als Produktion

Wenn ein Mensch im Schnitt am Tag einen Energiebedarf von 1600 Kalorien hat, muss die Erde eine entsprechende Menge an in Nahrung gespeicherter Energie am Tag produzieren. 1600 Kalorien genügen nur, um den Menschen am Leben zu erhalten. Arbeitet der Mensch, betreibt er Sport, musiziert er, so steigt der persönliche Energiebedarf. Bei der Nutzung von mit Energie betriebenen Maschinen (Herd, Fernseher, Computer etc.) oder beim Reisen steigt der Energiebedarf in besonderem Maße. Nicht nur für die eigentliche Nutzleistung, sondern auch für die Herstellung der Maschinen werden Energie und andere Ressourcen verbraucht.

Die Steigerung des Wohlstands ist bedingt durch die Steigerung des Energiebedarfs und der Menge der für die Herstellung der Güter benutzten Rohstoffe. Die Energiegewinnung ist nach Hardin der Kern des Problems; und die Atomenergie könne daran nichts ändern. Atomkraftwerke können weder Reis noch Korn oder einen Baum wachsen lassen. Dementsprechend könnten weder die Bevölkerungszahl noch der Wohlstand immer weiter steigen. Das utilitaristische Ziel Benthams, "the greatest good for the greatest number", sei unter diesen Bedingungen nicht erreichbar.2 [2] Bei einer begrenzt nutzbaren Energiemenge oder einem Überschreiten der Regenerationsrate können bereits mathematisch nicht beide Variablen, also die Zahl der Menschen und deren Wohlstand, gleichzeitig steigen.

Das stete Wachstum setzt voraus, dass die notwendigen Ressourcen nicht nur gegenwärtig verfügbar sind, um die gegenwärtige Bevölkerung und deren Lebensstand zu ermöglichen. Sie müssen langfristig ausreichen, um den Bedarf auch in der Zukunft zu decken. Die Nachfrage nach Nahrung, Energie oder belastbarer Erdatmosphäre steigt immer weiter, das Angebot ist jedoch limitiert. Es wird sich zwangsläufig im Laufe der Zeit ein neues Gleichgewicht einstellen, weil die Nachfrage nicht vollständig gedeckt werden kann. Wie sich das Gleichgewicht gestalten werde, so Hardin, sei offen.

Die Vergrößerung der Bevölkerung begrenze den möglichen Wohlstand und umgekehrt. Eine Maximierung des Wohlstands führt zu einer Reduzierung der möglichen Größe der Bevölkerung und eine Maximierung der Bevölkerung zu einer Reduzierung des möglichen Wohlstands. Man könne nicht die Bevölkerung und den Wohlstand gleichzeitig wachsen lassen. Wenn weiterhin mehr Ressourcen verbraucht werden, wird das neue Gleichgewicht entweder die Reduzierung eines Teils der Weltbevölkerung oder des Wohlstands bedeuten (oder beides). Man könne zwar in einer positiven Wachstumsrate der Bevölkerung einen Beleg dafür sehen, dass eine Population noch unter ihrem Optimum liege. Jedoch seien die am schnellsten wachsenden Bevölkerungsgruppen der Erde im Allgemeinen die elendsten.

Umgekehrt hätten die reicheren Staaten keine Strategie entwickelt, wie sie das Problem des übermäßigen Verbrauchs an Ressourcen behandeln. Keiner der entwickelten Staaten habe etwa eine Wachstumsrate von Null. 1968 war die Aufrechterhaltung des Wohlstands bei gleichbleibender Bevölkerungsgröße noch möglich, 1970 wurde die Grenze, das Übersteigen des Ressourcenverbrauch im Verhältnis zur Regenerationsfähigkeit, nach Angaben des Global Footprint Networks überschritten, so dass heutzutage entweder eine deutliche Verminderung des Wohlstands oder der Bevölkerungsgröße (oder beides) die Folge sein wird. Dies ist eine zwangsläufige Konsequenz, die auch durch technische Mittel oder Innovationen langfristig nicht geändert werden kann.

Die Umweltbelastung und andere Auswirkungen des eigenen wirtschaftlichen Handelns auf Dritte werden in der Volkswirtschaftslehre Externalitäten genannt. Sie gelten als eine Ursache für ein Marktversagen, da der freie Markt nicht zum optimalen Ergebnis führt. Die Umweltbelastung wird modellhaft in einer Kosten-Nutzen-Rechnung dargestellt. Wenn bei der Produktion einer Fabrik schädliche Abwässer in Flüsse eingeleitet oder schädliche Abgase emittiert werden, seien dies Schäden, die den Verursacher nicht nennenswert belasten, weil hauptsächlich andere darunter zu leiden haben. Der Inhaber einer Fabrik trage nicht sämtliche Kosten, die seine Produktion verursacht.

Er hat keine Veranlassung, die Umweltbelastungen zu reduzieren, weil dies nur seinen Gewinn schmälert, ihm aber keine nennenswerten Vorteile einbringt. Externalitäten werden aus Sicht derjenigen, die der Meinung sind, der Markt führe in aller Regel ohne Einflussnahme des Staates zum besten Ergebnis, als ein Ursache aufgefasst, von dem Laisser-Faire-Prinzip abzurücken und mittels Lenkungssteuern, Verboten oder Subventionen in das Geschehen einzugreifen. Die Annahmen der Ökonomen sind zunächst finanzieller Natur: Das Unternehmen produziert zu günstig. Wenn die volkswirtschaftlichen Kosten die betriebswirtschaftlichen Kosten übersteigen, ist die volkswirtschaftlich optimale Menge geringer als die produzierte.3 [3]

Auf der anderen Seite wird das Wachstum forciert. Mit dem technischen Fortschritt verringert sich der Bedarf an Arbeitskräften, der durch eine gesteigerte wirtschaftliche Aktivität mit wieder ausgeglichen werden sollte. Die Steigerung der Produktivität durch Maschinen oder Roboter muss nicht zwingend zu einer Verringerung der Gesamtnachfrage nach Arbeit führen. Say hat dargelegt, dass Güter für den Markt regelmäßig nur dann hergestellt werden, wenn es eine Nachfrage gebe. Die Nachfrage setze finanzielle Mittel der Käufer voraus und diese finanziellen Mittel könnten sie nur erhalten, wenn sie selbst Leistungen über den Markt veräußern.

Hieraus ergibt sich ein Wechselspiel, nach dem die Vergrößerung des Angebots zu einer Vergrößerung der Nachfrage führt; diese Nachfrage ist gleichbedeutend mit neuen Leistungen, die auf dem Markt angeboten werden. Die Herstellung eines Guts durch A eröffnet die Möglichkeit zur Herstellung und dem Verkauf eines anderen Guts durch B, das dieser an A veräußern kann. Dementsprechend würde eine gute Ernte nicht nur Vorteile für den Landwirt bedeuten, sondern darüber hinaus. Je höher die Einnahmen des Landwirts seien, desto größer sei seine effektive Nachfrage nach Gütern anderer Produzenten, die davon profitieren würden, da deren Produktion und Absatz steige.4 [4]

Der technische Fortschritt in einer Branche kann insgesamt zu einer Vergrößerung der Produktion in anderen Bereichen führen. Die durch den technischen Fortschritt freigewordenen Ressourcen (wozu auch der Mensch gehört, der in der ökonomischen Theorie Mittel und Zweck zugleich ist) sollen möglichst nicht ungenutzt bleiben, sondern an anderer Stelle sich in den Produktionsprozess einbringen, damit der Gesamtausstoß erhöht wird. Der Wohlstands einer Nation geht mit der Menge der produzierten Güter einher. Je höher der Wohlstand ist, desto mehr und desto schneller werden Produkte hergestellt und veräußert und zugleich steigt der Ressourcenbedarf.

Unsichtbare Hand

Hardins Schlussfolgerung war: Solange man den Geist von Adam Smith nicht ausdrücklich aus dem Gebiet der praktischen Demografie ausgetrieben habe, seien keine nennenswerten Fortschritte erreichbar. Die in wirtschaftlicher Hinsicht in den Vordergrund gestellte unsichtbare Hand, die Idee, dass ein Individuum, das nur seinen eigenen Gewinn beabsichtigt, sozusagen von einer unsichtbaren Hand geleitet auf diesem Weg dem öffentlichen Interesse am besten diene, habe zu einer Tendenz des Denkens beigetragen, die seitdem das Handeln auf der Grundlage rationaler Analysen störte, nämlich dass individuell getroffene Entscheidungen tatsächlich die besten Entscheidungen für eine gesamte Gesellschaft seien.

Wenn diese Annahme richtig sei, rechtfertigte sie das Fortbestehen der gegenwärtigen Politik des Laissez-faire in der Reproduktion. Dann müssten die Menschen von sich aus die Vergrößerung der Population begrenzen. Wenn dies nicht geschehe, also die Bevölkerung wachse, müssten wir unsere individuellen Freiheiten überprüfen, um festzustellen, welche noch vertretbar seien. Man müsse dann versuchen, durch gemeinschaftliche Anstrengungen die notwendigen Reduktionen zu erreichen, oder die Grenzen der Natur werden auf drastische Art die Reduktion herbeiführen.

Hardin führte ein Beispiel zur Übernutzung einer Ressource aus einem Artikel von 1833 an. Der britische Autor Lloyd berichtete, dass in der Nähe einer Stadt zwei Viehweiden seien. Auf der einen Weide waren die Rinder mickrig und verkümmert und der Bewuchs dürftig, während auf eine anderen Viehweide prächtig genährte Kühe genügend Nahrung fanden.5 [5] Die Ursache sah der Autor darin, dass die eine Weide von der Allgemeinheit genutzt werden durfte, die andere im Privateigentum stand. Während der Privateigentümer den Gesamtertrag der Weide seiner Entscheidung zugrunde lege, wäre dies bei der Nutzung der Weide durch die Allgemeinheit anders.

Der einzelne Kuheigentümer hätte, wenn er eine weitere Kuh auf die Weide treibe, einen kleinen Ertrag, den sonst nicht erzielen würde. Wenn der Gesamtertrag sinke, ginge dies hauptsächlich zulasten aller anderen, die pro Kuh jeweils eine kleine Einbuße hinnehmen müssten, deren Summe aber größer wäre als der Zugewinn durch eine weitere Kuh. Ist die Kuhweide nicht privat, würde die optimale Zahl an Kühen, etwa 100 dort weiden.

Wäre die Weide frei nutzbar, wären es vielleicht 150 Kühe, die aber alle zusammen weniger Milch geben als die 100 gut genährten. Frei nutzbare Ressourcen können zu stark genutzt werden. Wenn Holz, Wildtiere, Bodenschätze, Fische von jedermann erworben werden dürfen, dann führe dies zu Raubbau. Niemand ist für die Nachteile verantwortlich, die durch Vernichtung der Bestände entstehen. Wälder werden kahl geschlagen, ohne dass für die Wiederaufforstung gesorgt wird, Meere leer gefischt usw.6 [6]

Property Rights als Lösung?

Der Aufsatz von Hardin hat in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur ein großes Echo hervorgerufen. Allerdings nicht, wie man meinen könnte, weil er eine Änderung der freien Marktwirtschaft gefordert hat, sofern der Ressourcenverbrauch unvermindert fortschreitet. 1968 war die Zeit des Kalten Kriegs und der Höhepunkt der Studenten- und Bürgerrechtsbewegungen: Proteste gegen den Vietnamkrieg, die schwarze Bürgerrechtsbewegung, die APO oder Unruhen im Westen und Osten wie der Prager Frühling.

Linke Intellektuelle, die Kritik an dem kapitalistischen System übten, konnten an den Universitäten zu wissenschaftlichen Popstars werden. Es sei misslich, so führende US-Ökonomen, dass die Analyse der Grundlagen des kapitalistischen Systems über lange Zeit den Linken überlassen worden sei. Der Kapitalismus beruhe in besonderem Maße auf Märkten und Eigentumsrechten, um Konflikte über knappe Ressourcen zu klären. "These fundamental characteristics of an idealized capitalistic system have been taken for granted by most mainstream economists even though the discipline of economics developed contemporaneously with Western style capitalism."7 [7]

Hardins Aufsatz wurde bekannt, weil man aus Sicht der Gegner der linken Intellektuellen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte: Gemeineigentum sei die schlechtere Lösung gegenüber dem Privateigentum; und es gebe eine Lösung für die Umweltprobleme, die ohne Verbote oder hohe Steuern auskomme. Die Antwort lautete, man müsse alle Ressourcen in das kapitalistische System integrieren, dann könnte Laissez-faire nicht nur das Ressourcenproblem, sondern auch die meisten Umweltprobleme lösen.

Bei der Viehweide sei Überführung in Privateigentum dem Gemeineigentum vorzuziehen, weil die Weide besser genutzt wird. Es wird mehr Milch produziert. Bei der Umweltbelastungen werden regelmäßig Verbote und Lenkungssteuern als Reaktionsmöglichkeiten diskutiert. Beide Varianten werden jedoch nicht als optimal angesehen. Zweck von Gesetzen solle nicht die möglichst vollständige Unterbindung von schädlichen Emissionen sein (Verbot oder Höchstwerte als mildere Form), "but rather to secure the optimum amount of smoke pollution, this being the amount which will maximise the value of production."

Die optimale Menge an Umweltbelastung könne nicht durch Lenkungssteuern herbeigeführt werden, denn dann müsste Steuer genau in Höhe der sozialen Kosten (Nachteile für die Allgemeinheit) bemessen werden.8 [8] Hierzu sei nur der Markt mit geeigneten privatwirtschaftlichen Rechten in der Lage. Man solle deshalb für eine möglichst gut geölte Marktmaschine mit starken Eigentumsrechten und geringen Transaktionskosten sorgen. Die Emissionszertifikate der EU sind ein Versuch, die Produktionskosten bei Emissionen nicht durch Lenkungssteuern zu erhöhen, sondern den Emissionen einen Marktpreis zu geben. Als knappes Gut soll der Preis über Angebot und Nachfrage geregelt werden.

Die Weltweide

Es gab immer wieder die verbreitete Vorstellung, das Ende der Welt, die Apokalypse, sei nahe. Auch wenn dies nicht eingetreten ist: Die Tatsache, dass die Erde und die Ressourcen endlich sind, und damit zwangsläufig irgendwann eine Übernutzung stattfinden muss, lässt sich nicht leugnen. Es gab früher Mangellagen, die durch Emigration, dem Wegsterben eines Teils der Bevölkerung, durch technische Entwicklung wie die Dreifelderwirtschaft oder Düngung oder schlichtweg wieder bessere Ernten endeten.

Jedoch war langfristig nur das Wegsterben eines Teils der Bevölkerung nicht mit einer Steigerung der Produktionsmenge und damit einem höherem Ressourcenverbrauch verbunden. Brachliegende Landflächen wurden genutzt, Sümpfe trocken gelegt, Millionen sind im 19. Jahrhundert nach Amerika ausgewandert und nutzen dort Ressourcen, Kohlegruben drangen immer weiter in das Erdreich vor und das Meer wird inzwischen teils wie eine Viehzucht bewirtschaftet mit Fütterung, Pestiziden, Antibiotika usw. Dass der Mensch viele Mittel gefunden hat, die Produktionsmenge zu steigern, steht außer Frage. All dies ändert nichts daran, dass irgendwann eine Übernutzung eintritt, die sich weder technisch noch durch einen weiter steigenden Energieverbrauch vermeiden lässt.

Einheitliche Kontrolle der Ressource

Wenn die Ergebnisse des Global Footprint Networks oder die Feststellungen zur Änderung der klimatischen Bedingungen stimmen, haben wir seit längerem die Grenze überschritten. Wir sind deshalb heutzutage mit der Tragödie der Allmende auf einem anderen Niveau konfrontiert. Die Viehweide ist nicht mehr eine größere Landfläche, sondern die Erdatmosphäre (oder die regenerierenden Ressourcen).

Anstelle der Viehweide ist das Bild eines Waldes eher geeignet. Ein Wald kann eine bestimmte Menge an Holz liefern. Die maximale Menge ist begrenzt durch die Grundfläche und durch andere Faktoren wie Qualität des Bodens, Insektenbefall, Stürme, Aufforstung etc. Man kann mit technischen Maßnahmen viele Faktoren beeinflussen, jedoch können technische Maßnahmen die Grundfläche nicht vergrößern. Wenn mehr Holz verbraucht wird als unter Anwendung der technischen Mittel möglich ist, wird die Substanz des Walds selbst angegriffen.

Fragt man sich, wieso bei regenerierenden Ressourcen nach der volkswirtschaftlichen Theorie das Privateigentum dem Gemeineigentum überlegen ist, so ist das nicht die Überlegenheit des Kapitalismus gegenüber dem Sozialismus, sondern die einheitliche Zurechnung aller Vorteile und Nachteile verbunden mit einer einheitliche Kontrolle. Pigous Vorstellung9 [9] vom Gleichlauf des "trade net product" mit dem "social net product", woraus die Internalisierung externer Effekte wurde, setzt voraus, dass eine Instanz unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile über die gesamte Ressource entscheidet.

Nutzen mehrere dieselbe Ressource, besteht immer der Anreiz, die Übernutzung so weit zu treiben, bis der eigene Vorteil durch den eigenen Nachteil ausgeglichen wird. Die zusätzlichen Nachteile aller anderen werden nicht berücksichtigt. Wenn nun die Erdatmosphäre diese faktisch unteilbare Ressource ist, muss man sie als Ganzes einer einzigen Kontrollinstanz unterwerfen, die die Nutzung reguliert. Wer diese Instanz sein soll und nach welchen Maßstäben sie die Nutzungsrechte zuteilen soll, wäre völlig offen. Eine solche Kontrollinstanz ist derzeit nicht vorhanden und auch nicht geplant. Es kommen nur partikulare Maßnahmen in Betracht. Sie können zu internationalen Abkommen führen, die zu einer gemeinschaftlichen Kontrolle führen können.

Staatenwettbewerb

Betrachten wir die Alternativen, also vor allem Verbote, Lenkungssteuern oder Subventionen, stößt man ebenfalls auf Probleme. Solche Maßnahmen müssen von Staaten oder Staatenverbänden ausgehen. Von dieser Warte aus treiben nicht einzelne Kuheigentümer ihr Vieh auf die Weide, sondern Staaten lassen ihre Unternehmen gewähren, weil die Regierungen am Wohlstand der eigenen Nation interessiert sind. Dieser ist aber abhängig von entweder der Produktion im eigenen Land oder von finanziellen Zuflüssen aus dem Ausland, die vor allem auf dem Eigentum, dem geistigen Eigentum oder z. B. Zahlungen innerhalb der Familie, der Partizipation an der Wertschöpfung anderer, beruhen können.

In einem an Individualinteressen, der ökonomischer Nutzenmaximierung und Selbstverwirklichung orientierten System verstößt keiner gegen die ethischen Regeln des Zusammenlebens, wenn er keinen Verzicht übt.10 [10] Die nationalen Regierungen reagieren deshalb kaum anders als der einzelne Kuheigentümer bei der Gemeindewiese, denn sie sind von den gleichen Motiven und Überlegungen geleitet.

Sie müssen in der globalisierten Welt die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft gegenüber dem Rest sicherstellen. Es gibt nicht nur den Wettbewerb der Unternehmen, sondern den Standortwettbewerb der Staaten und Regionen untereinander, die versuchen Unternehmen mit möglichst unternehmensfreundlicher Gesetzgebung, Subventionen, Privilegien etc. im Inland zu halten und weitere anzusiedeln. In diesem race to the bottom gewinnen die Regionen, die bei im übrigen gleichartigen Bedingungen die niedrigsten Steuern, die größten Freiheiten und die niedrigsten Umwelt- oder Arbeitsstandards anbieten. Die unter Trump und den Republikanern durchgeführte Deregulierung erfolgte explizit mit der Begründung, Wettbewerbsnachteile durch Umweltschutzregeln insbesondere gegenüber China wieder auszugleichen. Allerdings ist das in der EU kaum anders, wenn es auch nicht so deutlich gesagt wird.

Die Emissionszertifikate der EU haben sich bislang faktisch als nutzlose Spekulationsobjekte herausgestellt, weil kein Mitgliedstaat soweit gehen wollte, dass ernsthafte Nachteile für die eigene Wirtschaft die Folge sein wird. Von den Wirtschafts- und Regierungsvertretern hört man stattdessen eine Variante eines Schwarzfahrerarguments: Wenn ich die Fahrkarte nicht bezahle, ist mein Vorteil groß, der Nachteil auf die große Masse verteilt aber gering. Mein Beitrag ist völlig irrelevant für die Kosten der Eisenbahn. Jeder Flugreisende kann sich sich darauf berufen, dass sein Anteil an der Klimakrise nahezu Null ist.

Sein individueller Verzicht führt zu keiner Reduktion, ist mithin also sinn- und wirkungslos, da das Flugzeug mit oder ohne ihn fliegen wird. Seinen individuellen Nachteil schätzt er hingegen als groß ein, wenn er anstelle des Flugzeugs eine beschwerliche Reise mit einem anderen Verkehrsmittel wählt. Folglich kann man moralisch einwandfrei auch jede eigene Einschränkung als nutzlos und überflüssige Bevormundung ablehnen.

Jede Gesellschaft liefert Rechtfertigungen für das Tun der Gesellschaft, die die Maßnahmen und deren Sinnhaftigkeit erklären, so auch die marktwirtschaftlichen Gesellschaften. Das Credo der unsichtbaren Hand lautet: Nicht der Wille oder die Absicht, der Gemeinschaft etwas Gutes tun zu wollen, sondern im Gegenteil, das nackte Eigeninteresse ohne Rücksicht auf die Gesellschaft ist für die Gesellschaft am nützlichsten. Das Aggregat der eigennützigen Entscheidungen der Akteure, denen man möglichst großzügige Freiheiten gewähren soll, soll für die Gesamtheit das beste Ergebnis herbeiführen.11 [11]

In den ökonomischen Theorien ist als das objektive Ziel mehr Güter vorgegeben. Das volkswirtschaftliche Ziel ist nicht die sozial verträgliche Gestaltung eines möglichen Nullwachstums oder gar eines Rückgangs des Konsums, sondern das genaue Gegenteil. Die Bedürfnisse des Menschen sollen möglichst befriedigt werden, seien aber zugleich unersättlich. Mit diesem Axiom bieten die Wirtschaftswissenschaften praktisch überhaupt keine brauchbaren Hinweise, sondern formulieren und modellieren, wie man möglichst die Produktion weiter steigern kann.

Ob Lenkungssteuern allein genügen, ist also fraglich. Steigen nur die nationalen Produktionskosten, führt das regelmäßig zur Verlagerung der Produktion in günstigere Regionen. Steigen die Kosten für die Produkte allgemein, kann dies zur Reduktion des Absatzes der betroffenen Produkte führen. Jedoch führen Lenkungssteuern selten zu einer Reduktion des Konsums; sie lenken diesen nur in eine andere Richtung, wohin ist ungewiss.

Ob es im Saldo besser ist, dass anstelle eines KFZ für 20.000 Euro 2.000 Artikel für 10 Euro zusätzlich produziert und verkauft werden, lässt sich im Vorhinein kaum bestimmen. Sinkt hingegen tatsächlich der Konsum, wird alles unternommen, um die Rezession zu vermeiden (es werden beispielsweise Abwrackprämien gezahlt); nachhaltige langlebige Produkte sind aus dieser Warte schädlich. Auch die theoretische Behandlung der Externalitäten hat nur den Zweck, die Produktivität in andere Wirtschaftszweige zu lenken, ohne das Ziel, mehr Güter zur Wohlstandsteigerung, in Frage zu stellen.

Nach den typischen Annahmen der Volkswirtschaftslehre kann eine geringfügige Verminderung der Wettbewerbsfähigkeit deutlichen Folgen haben. Die moderne Produktion zeichnet sich dadurch aus, dass die Produktionskapazität selten die Grenze des Ausstoßes ist, sondern der Absatz. Steigen die Preise der Hersteller eines Landes infolge von gewinnunabhängigen Lenkungssteuern, sinkt deren Absatz. Jedoch wird die Lücke durch andere Unternehmen geschlossen.

Man hört dies bei Waffenverkäufen regelmäßig. Verkaufen nicht wir die Waffen an irgendwelche Regimes, die aus Gründen einen großen Waffenbedarf haben, machen andere das Geschäft. Das gilt im Grundsatz für alle gehandelten Waren. Wer in dieser Situation der Austauschbarkeit der Hersteller die nationalen Unternehmen besteuert, vermindert deren Absatz. Die Gesamtsituation wird dadurch nicht verbessert, sondern nur die Lage der eigenen Unternehmen, Arbeitnehmer einschließlich der Steuereinnahmen im Verhältnis zu anderer Staaten verschlechtert. Eine nationale Regierung (oder die EU) kann nur am Verbrauch ansetzen, was in- und ausländische Hersteller gleichermaßen trifft und wohl auch neue Handelsbarrieren zur Folge haben würde.

Das würde konkret die Betriebe der Staaten am stärksten treffen, bei denen das besteuerte Produkt den größten Anteil an der Wirtschaft hat, also bei Kraftfahrzeugen etwa Deutschland, bei Verkehrsflugzeugen die Vereinigten Staaten und einige Staaten in der EU, bei Computerprodukten vermutlich China usw. Das wird mit einem langen Kampf im Interesse der jeweils eigenen Wirtschaft verbunden sein, weil jede Verhandlung wiederum von dem Ziel geleitet sein wird, im Interesse des Wohlstands der eigenen Nation möglichst nur den anderen Zugeständnisse abzuringen.

Der sich selbst regelnde Markt hat weder die Sklaven oder die Kinderarbeit, noch gefährliche oder gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen beseitigt, er ist genauso wenig in der Lage, Probleme der Umweltbelastung zu vermeiden oder zu vermindern. Polanyi etwa fasste zusammen, dass der "Mensch unter dem Titel Arbeit und die Natur und dem Titel Grund und Boden vermarktet" werden. In der wirtschaftlichen Theorie werde die Fiktion, dass Arbeit und Boden zum Zweck des Verkaufs produziert und wie Waren gehandelt würden, stets aufrecht erhalten. Auf diese Art könne die Wirtschaft zwar organisiert werden. Jedoch ignoriere die Warenfiktion, dass die "Auslieferung des Schicksals der Erde und des Menschen an den Markt mit deren Vernichtung gleichbedeutend wäre."12 [12]

Wachstum

Das Wirtschaftswachstum ist in einer Marktwirtschaft von essentieller Bedeutung. Eine Marktwirtschaft kann im Grundsatz nur funktionieren, wenn es in toto positive Kapitaleinkünfte gibt. Nur dann werden finanzielle Mittel in neue Produktionsanlagen, Betriebe etc. investiert. Ist die Kapitalrendite gering, wandert es in Ausland oder wird in Immobilien oder Edelmetallen angelegt. Die großen Zentralbanken streben seit Jahrzehnten keine Nullinflation an, sondern einen Wert von ca. 2 %. Die Inflationsrate soll dazu anregen, dass die finanziellen Mittel investiert werden.

Wenn es ein Nullwachstum und zugleich ein positives Kapitaleinkommen gibt, sinken langfristig die Einkommen aller anderen, sei es, weil sie mehr Miete bezahlen müssen, weil die Einkommenssteigerung geringer ausfällt als die Inflation oder weil der Bäcker seinen Brotpreis erhöhen muss, weil er eine höhere Miete zu zahlen hat. Andere Umverteilungsmechanismen wie etwa die Altersversorgung haben, anders als Kapitaleinkommen, nicht die Tendenz zum exponentiellen Steigen (Zinseszins).

Ein Nullwachstum ist aus Sicht der Ökonomie eine Rezession, die in einer Marktwirtschaft auf Dauer zu Auswanderung, sozialen Unruhen oder anderen Radikalisierungen führen kann. Die modernen Industrieländer sind auf eine Kapitalrendite angewiesen, um eine wettbewerbsfähige Wirtschaft aufrecht zu erhalten und fortlaufende Investitionen in die Wirtschaft sicherzustellen. Sie müssen deshalb auch möglichst fortlaufend ein positives Wachstum aufweisen, um die Kapitalrendite sicherzustellen.

Bei der üblichen Verteilung der Einkommen kann ein Staat es kaum wagen, die ökonomisch angezeigten Mengenreduktionen durchzusetzen. Die Schlussfolgerung der Ökonomen, dass bei nicht internalisierten negativen externen Effekten zu günstig produziert wird, heißt ja nicht, dass die Preise erhöht werden sollen, sondern dass die produzierte und konsumierte Masse des betroffenen Produkts reduziert werden soll. Das Wachstum muss in dem System gleichwohl vorhanden sein.

Einzelne Staaten können versuchen, einen Wandel des inländischen Konsums zu erreichen. Wachstum lässt sich dabei sinnvoll nur durch qualitatives Wachstum erreichen, was aber eine Umstellung der Produktion und eine Umverteilung der Einkommen voraussetzt, denn auch die Produkte des täglichen Bedarfs müssten teurer werden. Zweck der Umverteilung ist nicht, mehr Konsum zu ermöglichen, sondern eine andere Art der Produktion und Distribution, in die der Ressourcenverbrauch eingepreist ist und zu einer Verringerung des Ausstoßes führt.

Tragödie der Allmende

Die moderne Tragödie der Allmende stellt sich so als eine Tragödie des Wohlstands der Nationen dar. Die Erdatmosphäre ist die Allmende. Die Umstände, die zur Übernutzung der Atmosphäre oder den Ressourcen der Erde führen, können praktisch nur die Staatsregierungen und -verbände ändern. Sie müssten der heimischen Wirtschaft und dem heimischen Konsum Zügel anlegen, können das aber nicht gegen die Interessen der eigenen Wirtschaft oder der eigenen Bevölkerung durchsetzen.

Bei Maßnahmen gegen die eigene Wirtschaft gefährden sie nur den eigenen Wohlstand, erreichen wahrscheinlich nicht einmal den Zweck, weil es immer andere Staaten gibt, die es ihren Unternehmen erlauben, die Lücke zu füllen. Wer den ersten Schritt macht, wer in Vorleistung geht, hat verloren. Der typische Auftrag an Politiker lautet deshalb eher, wesentlich die Schäden der anderen zu minimieren; ein nie erfüllbarer Auftrag.

Jeder einzelne Staat erleidet nur einen Teil des Schadens, den die eigene Wirtschaft und der heimische Konsum verursacht, aber umgekehrt auch einen Teil des Schadens, den die anderen verursachen. Diejenigen, die den meisten Schaden verursachen, sind in der Regel zugleich die größten Nutznießer des Systems. Keiner hat in dieser Situation einen Anlass, ernsthaft eine Schadensreduktion herbeizuführen, die die eigene Wettbewerbsfähigkeit und damit den Ausstoß der eigenen Wirtschaft gefährdet.

Die Industriestaaten haben in manchen Bereichen bereits vergleichsweise hohe Standards und eine hohe Produktivität. Wenn diese ihre Produktion drosseln müssten, können andere Hersteller an deren Stelle treten, so dass infolge niedriger Standards es sogar zu einer Erhöhung des Schadstoffausstoßes bei gleicher Produktionsmenge kommen kann.

Die freie Marktwirtschaft ist auch eine planlose Anarchie ohne einheitliche Leitung. So viele Vorteile die Marktwirtschaft haben mag; die auf dem Individualismus beruhende Freiheit, nur nach seinem eigenen Vorteil streben zu dürfen, bietet nicht einmal die Hoffnung, dass auf die Klimakrise oder den übermäßigen Ressourcenverbrauch angemessen reagiert werden kann. Das bedeutet keineswegs, dass autoritäre Regierungsformen vorzugswürdig sind.

Sie können zwar den Wandel befehlen, aber auch das genaue Gegenteil anordnen; die Regierungsform bietet keinerlei Gewähr für irgend ein positives Ergebnis, dafür aber unzählige andere Nachteile. Derzeit scheinen nur internationale Abkommen mit Sanktionen gegen Freerider in Betracht zu kommen. Wenn allerdings die Vereinigten Staaten, China, die EU, Indien weiterhin um eine wirtschaftliche Vorrangstellung und Besitzstandwahrung kämpfen, sind die Chancen schlecht.

Nullwachstum

Ein Nullwachstum des Wohlstands oder der Bevölkerung wird von den ökonomischen Autoren gefürchtet und missbilligt, wie schon Mill festgestellt hat.13 [13] Daran hat sich bis heute nichts geändert. Mill hat gleichwohl versucht, gewisse Mindestbedingungen zu definieren.

Er stellte mitten im 19. Jahrhundert die Frage, auf welchen Punkt die Gesellschaft mit ihrem immer weiter wachsenden industriellen Fortschritt hinsteuere. Jeder Ökonom müsse akzeptieren, dass der Wachstum des Wohlstands nicht unendlich sein könne und das am Ende des Prozesses kein weiteres Wachstum mehr stattfindet. Auch wenn dieses Stadium unvermeidlich sei, die staatswirtschaftlichen Autoren fassten diesen Zustand nur als unerfreulich und entmutigend auf, ein Zustand, der vermieden werden muss.

Er selbst würde dies durchaus als wünschenswert ansehen, wenn gewisse Bedingungen erfüllt seien bzw. erfüllbar wären. Der Zustand des Nullwachstums soll dann angestrebt werden, wenn der Aufwand außer Verhältnis zu dem Erfolg stehe (dieser Zustand ist inzwischen faktisch erreicht). Er erkenne keinen Sinn, wenn Personen, die bereits ein Vermögen hätten, das jedes Bedürfnis übersteige, ihre Mittel und ihren Konsum weiter steigern würden, ohne dass dieses Vermögen ihnen weitere Glückseligkeit verschaffe (abgesehen von dem Repräsentieren von Reichtum).

Genauso wenig sei es sinnvoll, weiteres Wachstum anzustreben, damit mehr Personen aus der Mittelklasse in die der Reichen aufsteigen könnten. Nur die nicht so entwickelten Staaten müssten sich um eine Steigerung des Wohlstands kümmern. Den von Mill angestrebten Zustand kann man nicht als einen Stillstand auffassen, sondern als ein Zustand, in dem zwar keine Ausweitung der Produktion stattfindet, aber weiterhin eine qualitative Änderung.

Das marktwirtschaftliche Ideal, dass die Menschen ständig um das Fortkommen bangen müssten, "the trampling, crushing, elbowing and treading each other's heel's" sei für das Wachstum notwendig, jedoch nicht erstrebenswert. In den fortschrittlichsten Staaten sei ab einem gewissen Zeitpunkt wirtschaftlich eine bessere Verteilung der Einkommen und eine Begrenzung der Bevölkerung notwendig, jedoch kein weiteres Wachstum. Der Staat müsse dafür sorgen, dass die Produktion aufrecht erhalten bleibt, dass kein Staat markant hinter einen anderen zurückfällt, dass niemand arm sei und das keiner das Bedürfnis hätte, reicher zu werden.

Man mag dies als eine Utopie auffassen, aber welche Alternativen bieten sich? Wir erleben derzeit den Kampf um den Erwerbsspielraum, in dem Mitspieler ausgeschlossen und faktisch einem tödlichen Schicksal überlassen werden. Wenn der Erwerbsspielraum knapp wird, so Max Weber, wird ein Teil der Konkurrenten anhand irgend einem äußerlich feststellbaren Merkmal ausgeschlossen. Das seien typischerweise Rasse, Sprache, Konfession, örtliche oder soziale Herkunft, Abstammung, Wohnsitz usw.14 [14]

Wir können diesen Ausschluss auf verschiedene Arten herbeiführen, der auf eine Reduktion der vor allem ärmeren Weltbevölkerung hinauslaufen dürfte. Dies kann jedoch nur zu einer gewissen Verzögerung führen, wenn die reichen Nationen ihren Wohlstand und Ressourcenverbrauch nicht reduzieren. In der gegenwärtigen Entwicklung wäre dies nur ein kurzfristiger und in jeder ethischen Hinsicht teuer erkaufter Aufschub.

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[11] https://www.heise.de/tp/features/Die-Tragoedie-des-Wohlstands-der-Nationen-4499847.html?view=fussnoten#f_11
[12] https://www.heise.de/tp/features/Die-Tragoedie-des-Wohlstands-der-Nationen-4499847.html?view=fussnoten#f_12
[13] https://www.heise.de/tp/features/Die-Tragoedie-des-Wohlstands-der-Nationen-4499847.html?view=fussnoten#f_13
[14] https://www.heise.de/tp/features/Die-Tragoedie-des-Wohlstands-der-Nationen-4499847.html?view=fussnoten#f_14
[15] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html