Die Tragödie von Michail Gorbatschow
- Die Tragödie von Michail Gorbatschow
- Gorbatschow konnte Sowjetunion nicht zusammenhalten
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Er wird als Held gefeiert, weil er das Ende der UdSSR und des Kalten Krieges herbeiführte. Warum überlebte Gorbatschow den darauf folgenden gesellschaftlichen Bruch in Russland nicht?
Michail Sergejewitsch Gorbatschow, dessen Tod diese Woche bekannt gegeben wurde, war die tragischste Figur der jüngeren Geschichte. Als Mann mit hohen Idealen, aber aus einem sehr beschränkten intellektuellen Umfeld stammend, hat er große Errungenschaften vorzuweisen – und erlebte dennoch, wie fast alle von ihnen zerstört wurden.
Eines seiner größten Vermächtnisse ist, dass er im Vergleich zum Untergang anderer Reiche (einschließlich des britischen und des französischen) den Zusammenbruch der Sowjetunion mit außerordentlich wenig Blutvergießen als Präsident begleitete. Und nun wird selbst diese Errungenschaft durch den post-imperialen Krieg in der Ukraine zerstört.
Gorbatschow hat schwerwiegende Fehler gemacht – aber es kann gut sein, dass die Kombination der Herausforderungen, mit denen er konfrontiert war, auch den größten Staatsmann überfordert hätte. Kein anderer Staatschef in der Geschichte war gezwungen, ein halb entwickeltes, aber irrationales und ausgemergeltes Wirtschaftssystem grundlegend zu reformieren und gleichzeitig ein riesiges multinationales Reich umzugestalten, während die Ideologie, die dieses Imperium zusammenhielt, um ihn herum zerfiel. Die nächstliegende historische Parallele sind die Reformer des Osmanischen Reiches in den Jahrzehnten vor seinem endgültigen Zusammenbruch – und auch sie scheiterten auf katastrophale Weise.
Um sowohl Gorbatschows Idealismus als auch seine Naivität in Bezug auf das sowjetische System zu verstehen, ist es unerlässlich, die tatsächlichen Erfolge der UdSSR zu kennen. In der Tat war Gorbatschow selbst Teil dieser Erfolge. Er wurde als Sohn einer armen Bauernfamilie russisch-ukrainischer Herkunft in der Provinz Stawropol im Nordkaukasus geboren. Das sowjetische System und die Kommunistische Partei ermöglichten ihm Bildung und boten enorme Möglichkeiten. Sein Vater wurde während des Zweiten Weltkriegs in der Roten Armee verwundet. Gorbatschow war 14 Jahre alt, als diese Armee ihren großen Sieg über Nazideutschland errang.
In den folgenden Jahren erlebte er die technologischen und technischen Errungenschaften der Sowjetunion in den 1950er und 1960er Jahren. Später, als Erster Sekretär der Kommunistischen Partei von Stawropol, leitete er eine der letzten dieser Errungenschaften, den großen Stawropol-Kanal. Er erlebte Cruschtschows "Tauwetter". Der Idealismus dieser Zeit scheint in ihm wach geblieben zu sein und die graue autoritäre "Stagnation" der Breschnew-Jahre überlebt zu haben. Das wurde auch durch die klassische russische Literatur genährt, die (zumindest in ihrer sowjetischen Prägung) in hohem Maße idealistisch geprägt war.
Wie Chruschtschow (allerdings ohne seine bäuerliche Grobheit) war Gorbatschow also ein rein sowjetisches Produkt. Trotz seiner großen Intelligenz gab es Dinge, die er nicht zu sehen vermochte. So verstand er nicht, dass die Verbrechen des Kommunismus nicht mit Stalin, sondern mit Lenin begonnen hatten und, wenn sie vollständig aufgedeckt würden, die gesamte Ideologie, auf der das sowjetische System beruhte, gefährden würden. Eine andere war die Macht des Nationalismus. Gorbatschow scheint aufrichtig an die Brüderlichkeit der sowjetischen Völker geglaubt zu haben. Da er selbst Halb-Ukrainer war, war nationaler Hass zwischen Ukrainern und Russen für ihn buchstäblich unvorstellbar.
Gorbatschows Scheitern wird oft mit dem enormen Erfolg Deng Xiaopings bei der Umgestaltung des kommunistischen Chinas im gleichen Zeitraum verglichen, während er gleichzeitig den Staat zusammenhielt. Das ist jedoch nicht ganz fair. Im Gegensatz zu China war die Sowjetunion nicht nur selbst ein riesiger multinationaler Staat, in dem ethnische Russen in der Minderheit waren. Moskau herrschte auch über große, alte und widerspenstige Nationen in Ost- und Mitteleuropa.
Angesichts der polnischen, tschechoslowakischen und ungarischen Geschichte und der erzwungenen Teilung Deutschlands war es klar, dass diese Länder revoltieren würden, sobald die kommunistische Unterdrückung gelockert würde. Da sie an die UdSSR selbst grenzten, war es auch sehr wahrscheinlich, dass die daraus resultierenden Unruhen auf die sowjetischen Nationalitäten übergreifen würden. Um dies zu verhindern, wäre eine grausame Repression erforderlich gewesen. Das wiederum widersprach nicht nur dem gesamten Programm Gorbatschows. Er selbst schien davor regelrecht zurückgeschreckt zu sein.