Die Welt auf 2,7-Grad-Kurs

Die Energie- und Klimawochenschau: Von verzweifeltem Protest vor der Wahl und den falschen Finanzströmen

Am Sonntag jährte sich zum dritten Mal der Todestag von Steffen Meyn, der während der Räumung des Hambacher Forsts bei einem Sturz von einer Hängebrücke tödlich verunglückte. Der Student Meyn, der an einer Dokumentation über die Waldbesetzung arbeitete, hatte von oben filmen wollen, nachdem die Polizei ihn daran gehindert hatte, vom Boden aus zu filmen. Zudem waren die Menschen im Wald die ganze Nacht Scheinwerferlicht und Kettensägenlärm ausgesetzt gewesen, was die Sicherheit der Menschen in den Bäumen gefährdete.

Der damals von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens unter Ministerpräsident Armin Laschet angeordnete Polizeieinsatz ist inzwischen vom Verwaltungsgericht Köln für rechtswidrig befunden worden. Der Brandschutz war erwiesenermaßen als Räumungsgrund vorgeschoben, dabei ging es darum, RWE die Rodung des Waldes zu ermöglichen, um den Tagebau Hambach zu erweitern.

Der Erhalt des Hambacher Forsts wurde erst 2020 beschlossen. Elisabeth Meyn beschreibt im Interview mit der Zeit den empathielosen Umgang von Ministerpräsident Armin Laschet mit dem Tod ihres Sohnes. Auch sieht sie ihn verantwortlich für die Eskalation, die erst zu dem Unglück geführt hatte.

Die Hungerstreikenden

Auch heute sind die Leben junger Menschen gefährdet, die seit 21 Tagen im Hungerstreik im Berliner Regierungsviertel ausharren. Zwei junge Frauen haben ihren Hungerstreik am Wochenende aus gesundheitlichen Gründen beendet, ein weiterer Aktivist setzt seinen Hungerstreik trotz einer kurzzeitigen Einlieferung ins Krankenhaus fort.

Die sechs jungen Leute fordern mit ihrem "Hungerstreik der letzten Generation" ein öffentliches Gespräch mit den drei Kandidierenden für das Kanzleramt sowie "das Versprechen von ihnen, in einer neuen Regierung direkt einen Bürger:innenrat einzuberufen. In diesem sollten Sofortmaßnahmen gegen die Klimakrise, unter anderem eine 100 Prozent regenerative Landwirtschaft, besprochen werden".

Nun mag man zum Hungerstreik als politisches Mittel durchaus kritisch stehen - und auch Umweltverbände bitten die Streikenden, ihre Gesundheit nicht länger aufs Spiel zu setzen - gleichzeitig würden sich Olaf Scholz, Armin Laschet und Annalena Baerbock nichts vergeben, wenn sie mit den Hungerstreikenden reden würden.

Denn um eine Auseinandersetzung mit der Klimakrise werden sie nicht herumkommen, sofern sie denn Teil der nächsten Regierung werden. Die Hungerstreikenden haben Laschet, Scholz und Baerbock nun zu einem öffentlichen Gespräch am Donnerstagabend eingeladen. Sollten sie nicht erscheinen, will ein Teil der Hungerstreikenden danach auch die Flüssigkeitsaufnahme verweigern, während ein anderer Teil in dem Fall den Hungerstreik beenden würde und erklärt: "Wir treffen für uns die Entscheidung, dass es sich nicht mehr lohnt, den Kanzlerkandidat:innen noch mehr unseres wertvollen Lebens und unserer Gesundheit zu opfern."

2,7 Grad Erwärmung bis 2100

Wer das letzte, auf Sat1 ausgestrahlte Triell verfolgt hat, mag auch schon ein leises Gefühl von Lebenszeitverschwendung gehabt haben. Zum Thema Klimaschutz war jedenfalls nichts Neues zu vernehmen. Das lag allerdings auch daran, dass die beiden Moderatorinnen in gewohnter Manier nach den Kosten des Klimaschutzes fragten und nicht nach den Kosten künftiger Klimaschäden. So war es einzig Annalena Baerbock, die aussprach, dass Klimaschutz zwar Geld koste, ein Nicht-Handeln aber in Zukunft unbezahlbar werde.

Ebenfalls am Sonntagabend diskutierte Anne Will mit den Parteispitzen von CDU, SPD, FDP und Grünen über die Klimaschutzprogramme der Parteien. Dass die Linke, die das Thema Klimaschutz ja ebenfalls in ihrem Wahlprogramm behandelt, nicht eingeladen war, bleibt dabei unverständlich.

Wirklich neue Erkenntnisse brachte die Sendung aber auch nicht, außer vielleicht in ihrem Vorspann, in dem gewarnt wird, dass die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um 2,7 Grad Celsius steigen könnte.

Diese Zahl ist dem NDC (nationally determined contribution)-Bericht der UN, also dem Bericht über die national festgelegten Beiträge der Staaten zur Treibhausgasreduktion, zu entnehmen, der am 17. September veröffentlicht wurde. Darin werden die im Vorfeld der Weltklimakonferenz von Glasgow aktualisierten NDCs ausgewertet.

Kombiniert mit den Szenarien des letzten IPPC-Berichtes lässt sich aus den Angaben der Staaten errechnen, dass sich die Welt auf einem Erwärmungspfad von 2,7 Grad (2,1 bis 3,5 Grad) bis zum Ende des Jahrhunderts befindet. Statt zu sinken, wie eigentlich notwendig, um 1,5 oder auch zwei Grad einzuhalten, würden die Emissionen bis 2030 auch mit Umsetzung der neu eingereichten NDC weiter steigen.

Das Gesamtniveau der globalen Treibhausgasemissionen im Jahr 2030 wird unter Berücksichtigung der Umsetzung aller aktuellen NDCs voraussichtlich um 16,3 Prozent über dem Niveau von 2010 liegen. Gemäß SR1.5 (IPCC-Sonderbericht über 1,5 Grad globale Erwärmung, Anm. d. Verfasserin) müssen die globalen anthropogenen Netto-CO2-Emissionen bis 2030 um etwa 45 Prozent gegenüber dem Stand von 2010 bis 2030 sinken und um 2050 netto null erreichen, um globale Nettoemissionspfade mit keiner oder einer begrenzten Überschreitung des 1,5 °C-Ziels einhalten zu können. Zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter 2 °C müssen die CO2 -Emissionen bis 2030 um etwa 25 Prozent gegenüber dem Stand von 2010 sinken und um 2070 netto null erreichen.

UN-Bericht

Vereinfacht gesagt: Die Entwicklung der CO2-Emissionen läuft drastisch in die falsche Richtung. Wenn man ein Restbudget von CO2 bis zum Erreichen einer 1,5-Grad-Grenze ansetzt, dann wäre dieses bis 2030 zu 89 Prozent aufgebraucht, oder in absoluten Zahlen: das Restbudget betrüge 2030 noch 55 Gigatonnen, so viel, wie die Menschheit momentan in einem Jahr emittiert.

Dies alles führt die UN zu dem Schluss, dass die nationalen Beiträge zwischen jetzt und 2030 noch wesentlich verschärft werden müssten oder die Staaten ihre Beiträge übererfüllen müssten.