Die sinnlose Quarantänepflicht
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Warum das Gebot der Selbstisolation nach einer Corona-Infektion nicht greift und welche Schritte notwendig wären. Ein Erfahrungsbericht
Am 8. Dezember hat es mich erwischt. Auf einem Flug von München nach Istanbul wurde ich mit dem Corona-Virus infiziert, vermutlich von einem schräg hinter mir sitzenden fiebrig wirkenden Passagier. Es war ein Schock - und es wurde zu einer lehrreichen Erfahrung über die Realität von Quarantänepflichten. Vor dem morgendlichen Rückflug aus Istanbul war ich noch negativ getestet worden. Ohne ein solches Testergebnis kommt man dort gar nicht erst in den Flughafen.
Wäre das beim Hinflug in München auch so gewesen, wäre mein "Super-Spreader" wohl nicht in den Flughafen und in den Flieger gekommen. Aber Deutschland nimmt die Quarantäne-Pflichten nicht allzu ernst. Das ist nun wohl die Ursache für meine Infektion.
Eigentlich wäre ein erneuter Test in München nicht mehr notwendig gewesen, aber ich wollte ganz sicher sein. Ich lies mich also am Flughafen nochmals testen und fuhr ins Büro in die Münchner Innenstadt. Am späten Nachmittag kam die E-Mail mit dem Ergebnis. Ich bin viel beruflich unterwegs und habe solche Nachrichten schon etliche Male geöffnet. Das ist immer ein bisschen spannend. Erleichtert liest man dann in der Regel "negativ". Dieses Mal erschrak ich, als plötzlich ein "Positiv" erschien.
Strikte Quarantäne war für mich nun selbstverständlich. Nur wo, das war die erste Gewissensfrage: Nach Hause zur Familie, dort Abstand halten, aber gut versorgt werden? Nein, das schien mir zu riskant, ich blieb in meinem kleinen Büro. Auch hier in München hatte ich Freunde und es gibt Lieferdienste. So, dachte ich, müsste es funktionieren.
Die zwei Wochen aber wurden dann zum Lehrstück über die praktischen Schwierigkeiten einer Quarantäne, allein und unversorgt. Nach dieser Erfahrung bin ich überzeugt, dass wir diesen Virus mit den aktuellen Lockdowns nicht in den Griff bekommen werden. Denn Deutschland und auch unsere Nachbarländer kennen im Gegensatz zu Fernost keine totale Isolation von Infizierten. Bei uns ermahnt man und überlässt die Infizierten in Isolation sich selbst. (Corona-App: Wie geht es nach dem Lockdown weiter?)
Strikte Isolation ist schwierig
Isolation bedeutet entsprechend meist ein (vorsichtiges) Zusammenleben mit der Familie oder dem Partner - und das endet fast immer mit einer weiteren Infektion, oder auch mit mehreren. Oder man lebt allein. Das entsprach meiner Situation, immerhin begünstigt durch die Lage in der Münchner Innenstadt: Lieferdienste in Reichweite und etliche Freunde und Nachbarn. Das könnte doch so schwierig nicht sein.
Aber sehr schnell wurde klar, dass eine Versorgung durch Nachbarn und Freunde kaum zu organisieren ist. Denn plötzlich haben sie alle Angst. Lieferdienste bleiben als Ausweg, allerdings eingeschränkt, nur mit teurer Speisekarte. Und schon das Frühstück wird nach einigen Tagen zum Problem. Und draußen auf dem Land, sei es Dorf oder Kleinstadt, sucht man auch Lieferdienste oft vergebens.
So wurde sehr schnell klar, warum die meisten Infizierten die Isolation laufend brechen. Denn allein schon die Versorgung für die tägliche Ernährung zwingt viele, ihr Quartier immer wieder zu verlassen. Hinzu kommt natürlich die Sehnsucht nach frischer Luft, nach Bewegung und vielleicht auch nach sozialen Kontakten. Isolation wird nicht wirklich ernst genommen. Die Corona-App ermuntert eigentlich sogar, die Isolation zu brechen. Sie hat als Priorität, Begegnungen mit Infizierten aufzuzeichnen und zu warnen. Welch ein Widerspruch.
Zwar ist Isolation, Quarantäne, gesetzliche Vorschrift für Infizierte und eventuelle Kontaktpersonen. Aber letztlich ist die Vorschrift strikter Isolation, obwohl medizinisch geboten, in Deutschland Theorie. Der "Freigang" wird toleriert. Und die Behörden sind ziemlich machtlos.
Die Tageszeitung Die Welt befragte kürzlich alle Bundesländer über die Kontrollen der Quarantänepflichten und eventuelle Zwangsunterbringung. Das Ergebnis: Eine einheitliche Forcierung gibt es nirgends, Zwangsunterbringung gibt es kaum und Kontrollmöglichkeiten überhaupt nicht. Masken werden kontrolliert, Quarantänebrecher aber kaum.
Wie sollte das auch gehen? Ein infizierter Spaziergänger ist nicht von einem Gesunden zu unterscheiden. Australien und etliche der vergleichsweise erfolgreicheren Nationen nutzen dazu IT-Möglichkeiten.
Das Smartphone darf Infizierte überwachen
In einem letzten, oben verlinken Beitrag bei Telepolis hatte ich auf die Situation in Taiwan verwiesen. Dort wird bei jedem Infizierten das Smartphone mit einer Überwachungssoftware geladen. Wer kein Handy hat, bekommt eines geliehen. Der Telekom-Betreiber wird angewiesen, die Behörden zu benachrichtigen, wenn der oder die Infizierte die registrierte Sendezelle verlässt oder das Telefon abschaltet. Und die Behörde überprüft mit täglichen Anrufen oder SMS-Abfragen, ob sich die infizierte Person im festgelegten Gebäude befindet.
Eine Verwendung der Smartphone-Daten zur Nachverfolgung erfolgt dagegen nicht. Man hält die persönliche Befragung für ausreichend. Damit beschränkt sich die Ordnungsfunktion nur auf die Feststellung der Gesetzesübertretung. Wäre das mit unseren Datenschutzgesetzen vereinbar?
Ja, sagt Christoph Degenhart, emeritierter Professor für Staats-und Verwaltungsrecht sowie Medienrecht: "Grundsätzlich ist es möglich, dass Kranke oder Krankheitsverdächtige abgesondert werden können." Das Infektionsschutzgesetz sehe in Paragraf 30 diese Möglichkeit vor. Es bedarf zwar einer richterlichen Anordnung, aber bei einer Gefährdung der öffentlichen Gesundheit ist dies Routine.
Das Nullziel
Ohne konsequent durchgesetzte Isolation werden wir niemals null Infektionen erreichen, eine Forderung der Initiative #ZeroCovid. "Das Ziel darf nicht in 200, 50 oder 25 Neuinfektionen bestehen, es muss Null sein", heißt es auf deren Homepage.
Eine Initiative, die in sich logisch ist und von zahlreichen Virologen unterstützt wird. Denn eine Inzidenz von 50 wird sich wieder aufschaukeln. Aber ein Nullziel werden wir nur erreichen, wenn wir jede neue Infektion sofort und rigoros isolieren. Das ist vor allem bei niederen Inzidenzen unausweichlich.
Da wir in Europa zu offenen Grenzen zurückkehren wollen, bedarf das ganz besonderer Anstrengungen - und wie meine Erfahrungen zeigen, auch bei der Unterbringung.
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