"Die unverzichtbare Nation": Wie die USA sich in Nahost und Ukraine verrennen

Präsident Joe Biden spricht am 18. Februar 2022 im Roosevelt Room des Weißen Hauses über die Lage in der Ukraine. Bild: Erin Scott, Weißes Haus / Public Domain

Die Biden-Regierung agiert mit Hybris. Sie glaubt an zwei Fronten als unipolare Weltmacht Siege erringen zu können. Was an diesem Glauben falsch ist. Gastbeitrag.

Die Rede des US-Präsidenten im Oval Office zur Unterstützung der Ukraine und Israels durch die USA enthielt viele ideologische Erklärungen, aber kaum echte Rechtfertigungen für die Politik seiner Regierung.

Daniel Larison ist Redakteur bei Antiwar.com und leitete zuvor die Zeitschrift The American Conservative.

Biden wiederholte Patentrezepte vom Höhepunkt des unipolaren Moments und bestand darauf, dass die USA beide laufenden Kriege unterstützen müssen, weil sie die "unverzichtbare Nation" sind und "die amerikanische Führung die Welt zusammenhält".

Der Präsident behauptete auch, dass der Erfolg der Ukraine und Israels "entscheidend für die nationale Sicherheit Amerikas" sei. Aber seine Verteidigung dieser Behauptung lief auf wenig mehr als eine überarbeitete Domino-Theorie hinaus, wonach ein Scheitern an einem Ort zu Katastrophen an anderen Orten führen würde.

Wäre der ukrainische und israelische Erfolg wirklich "lebenswichtig" für die nationale Sicherheit der USA, ist es zweifelhaft, dass die USA in einer unterstützenden Rolle bleiben würden. Die Tatsache, dass die USA bisher ein direktes Eingreifen in beide Konflikte vermieden haben, deutet stark darauf hin, dass selbst Biden nicht wirklich glaubt, dass lebenswichtige Interessen der USA an beiden Orten gefährdet sind.

Wenn Biden das denken sollte, hätte er Recht, dass lebenswichtige Interessen nicht bedroht sind. Möglicherweise wäre es gut, wenn zwei Nichtverbündete in ihren jeweiligen Kriegen siegen würden, aber es kann nicht wirklich als lebenswichtig für die Sicherheit der USA bezeichnet werden.

Biden übertreibt, was auf dem Spiel steht, um mehr Unterstützung für beide Kriege gleichzeitig zu fordern, obwohl jeder für sich diskutiert werden sollte.

Die Gefahr besteht darin, dass der Präsident öffentlich gesagt hat, dass in beiden Kriegen lebenswichtige Interessen auf dem Spiel stehen, obwohl das nicht der Fall ist. Biden hat es den Hardlinern leicht gemacht, ihm seine eigenen Worte vorzuhalten, wenn sich die Lage in einem der beiden Konflikte verschlechtert. Dann würde er unter Druck geraten, die USA zu weiteren unnötigen und möglicherweise sehr kostspieligen Kriegen zu verpflichten.

Die Entscheidung von Präsident Biden, beide Kriege in dieselbe Rede zu packen, um für die Finanzierung beider Kriege zu werben, wird die Skeptiker kaum überzeugen. Die beiden Konflikte sind so unterschiedlich, dass der Versuch, sie als Teil desselben globalen Kampfes zu sehen, kaum ernst genommen werden kann.

Die Paarung von Tyrannen und Terroristen in Bidens Rede ist ein rhetorischer Schachzug aus der Bush-Ära, der uns an die Fehler erinnert, die entstehen, wenn man radikal unterschiedliche Gegner in einen Topf wirft.

Im Ukraine-Krieg ist Russland derjenige, der illegal ein Gebiet besetzt, das es mit Gewalt an sich gerissen hat. Im Konflikt zwischen Israel und der Hamas ist Israel der illegale Besatzer, der seit mehr als einem halben Jahrhundert das Land eines anderen Volkes besetzt hält.

Die lange Geschichte der Enteignung und Unterdrückung der Palästinenser unter israelischer Herrschaft macht es unmöglich, beide Konflikte als einfache Geschichten von belagerten Demokratien zu behandeln. Doch das ist es, was Biden zu tun versucht, um noch mehr Militärhilfe für den mächtigsten Staat der Region zu rechtfertigen.

Zwar verdient Biden ein wenig Anerkennung dafür, dass er anerkennt, dass die Hamas nicht das palästinensische Volk vertritt. Aber seine uneingeschränkte Unterstützung für die israelische Militäroffensive, einschließlich der lähmenden Belagerung des Gazastreifens, zeigt, dass er diese Unterscheidung in der Praxis nicht respektiert.

Biden behauptet, dass, wenn Gegner nicht gestoppt werden, "sie weitermachen" und "die Bedrohungen für Amerika und die Welt weiter zunehmen". Doch das scheint in diesen beiden Fällen äußerst unwahrscheinlich.

Eine niedergehende Weltmacht schadet sich selbst

Russland ist nicht in der Lage, einen Angriffskrieg gegen Länder jenseits der Ukraine zu führen. Selbst im schlimmsten Fall einer vollständigen Niederlage der Ukraine müsste die russische Regierung selbstmörderisch sein, wenn sie weiter nach Westen in das Nato-Gebiet vordringen wollte.

Der Wunsch des Präsidenten, die von Russland ausgehende größere Bedrohung größer darzustellen, als sie ist, führt dazu, dass er die Fähigkeit der Nato zur Abschreckung von Angriffen infrage stellt. In dem anderen Konflikt scheinen die Bedrohungen für Amerika viel wahrscheinlicher zu werden, wenn sich die USA eng an Israel binden, das einen verheerenden Krieg in Gaza führt.

Die Annahme, dass die USA die "unverzichtbare Nation" sind und dass ihre Führung "die Welt zusammenhält", ist ein diskreditiertes Glaubensbekenntnis. Es ist nicht wahr, und es gibt viele Beispiele von Vietnam über den Irak bis Syrien dafür, dass die "Führung" der USA Spaltung und Konflikte erzeugten, was zum Schaden aller führte.

Der Glaube an die "Unverzichtbarkeit" der USA hat einige der schlimmsten Fehler und Verbrechen in der jüngeren US-amerikanischen Geschichte begünstigt und in den 25 Jahren, seit Madeleine Albright diesen Satz gesagt hat, viel dazu beigetragen, die Sicherheit der USA und der Welt zu untergraben und zu beeinträchtigen.

Es ist ein erstaunlich arroganter Glaube, der davon ausgeht, dass die Sicherheit des Rests der Welt von der ständigen Einmischung der USA abhängt. Auf die Politik angewandt, verurteilt dieser Glaube die Vereinigten Staaten dazu, für den Rest ihrer Existenz in fremden Kriegen zu kämpfen oder anderweitig daran beteiligt zu sein.

Das hält die Welt nicht zusammen, sondern wird sich in vielen Regionen destabilisierend und zerstörerisch auswirken, da die USA immer wieder versuchen zu beweisen, wie "unverzichtbar" sie trotz ihres relativen Niedergangs sind.

Es sei daran erinnert, dass Albright in ihrer Formulierung nicht nur betonte, dass die Welt von den USA abhängt, sondern auch, dass sie von den USA abhängt, weil wir "aufrecht stehen und weiter in die Zukunft sehen als andere Länder" und die USA daher berechtigt sind, Gewalt anzuwenden, wenn sie es für richtig halten. Wie Andrew Bacevich feststellte, war Albrights Behauptung Unsinn:

Die Vereinigten Staaten sehen nicht weiter in die Zukunft als Irland, Indonesien oder irgendein anderes Land, egal wie weise oder frisch man es präsentiert.

Die USA haben keine besondere Weitsicht oder ein besseres Verständnis der Welt als andere Länder, und in vielen Fällen ist es peinlich, dass die politisch Verantwortlichen Schwierigkeiten haben, das zu sehen, was direkt vor ihnen liegt.

Das vielleicht Beunruhigendste an Bidens Aufruf zu mehr Unterstützung für beide Kriege ist, dass er sich keine Gedanken darüber macht, wie überfordert die USA bereits in der Welt sind. In einem früheren Interview mit 60 Minutes wies der Präsident Bedenken zurück, dass die USA zu viele zusätzliche Lasten auf sich nehmen würden:

Wir sind die Vereinigten Staaten von Amerika, um Himmels willen, die mächtigste Nation in der Geschichte – nicht in der Welt, in der Geschichte der Menschheit. Wir können uns um beides kümmern und trotzdem unsere internationale Verteidigungsstrategie aufrechterhalten.

Die Äußerungen des Präsidenten haben den Beigeschmack von Hybris. Das Ignorieren der Grenzen der US-Macht hat unsere Regierung in der Regel dazu gebracht, sich auf gefährliche und selbstzerstörerische Weise zu übernehmen. Wir müssen hoffen, dass die Selbstüberschätzung des Präsidenten nicht das Schicksal herausfordert.

Bidens Rede mag andere, die an die "unverzichtbare" Rolle Amerikas glauben, zufrieden gestellt haben, aber bei den US-Amerikanern, die diese Überzeugung nicht teilen, und bei den vielen anderen, die sich wünschen, dass sich ihre Regierung mehr um die inneren Probleme des Landes kümmert, wird sie zwangsläufig nicht ankommen.

Bidens predigtartiger Appell für mehr Kriegsfinanzierung könnte im Kongress kurzfristig erfolgreich sein, indem er die bereits vorhandene Unterstützung für Israel nutzt, um mehr Unterstützung für die Ukraine zu gewinnen. Aber er könnte auch die Öffentlichkeit wegen der ständig steigenden Anforderungen an die US-Ressourcen von der Unterstützung für beide Konflikte abbringen.

Der Präsident besteht darauf, dass es sich um eine "kluge Investition" handelt, die sich "auszahlen" wird. Doch für eine wachsende Zahl von US-Amerikanern scheint es nichts anderes zu sein, als gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Responsible Statecraft. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.