Diese Russen wollen keinen Krieg
- Diese Russen wollen keinen Krieg
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Ewgeny Kosakow informiert in einem Buch über russische Kriegsgegner – darunter Sozialdemokraten, Anarchisten, Feministinnen und Gewerkschafter. Die Kommunistische Partei ist gespalten.
Aktuell sorgt ein "Manifest für Frieden" in Deutschland für heftige Diskussionen. Es wird als "verlogen" und als Ende von Anstand und Moral abqualifiziert. Dabei ist es bieder und kreuzbrav und fordert nichts anderes als Verhandlungen, damit das Sterben auf allen Seiten endlich aufhört.
Wer könnte etwas dagegen, haben außer nationalistischen Ideologen auf allen Seiten und natürlich der Rüstungsindustrie? Das Manifest erinnert an den Krefelder Appell von 1980. Auch damals reichte das Spektrum der Erstunterzeichner von Nationalpazifisten, ehemaligen Militärs und Christen bis zu Kommunisten, die wahrscheinlich sogar die meisten Unterschriften sammelten, aber sonst im Hintergrund bleiben.
Trotzdem wurde der Krefelder Appell von SPD bis zum rechten Rand der Union als verkapptes kommunistisches Projekt bezeichnet, das natürlich nur den Interessen Moskau dienen solle. Trotzdem wuchs die Zahl der Unterstützer. Weniger bekannt ist, dass es auch eine linke Kritik am Krefelder Appell wie an der deutschen Friedensbewegung insgesamt gab. Da wurde moniert, dass hier eben nur die deutschen Interessen formuliert und ausblendet werde, dass Kriege weltweit auch nach 1945 immer eine Realität waren.
Ob die Kritik der Deutschland-Zentriertheit auch auf das aktuelle Friedensmanifest zutrifft, wird sich an der Liste der Rednerinnen und Rednern bei der für übernächsten Samstag geplanten Kundgebung in Berlin ablesen lassen. Werden auch russische Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner zu Wort kommen, die schließlich seit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine besonderen Repressalien ausgesetzt sind? Werden ukrainische Pazifisten wie Ruslan Kotsaba zu Wort kommen, der für ihre Weigerung, sich am Krieg zu beteiligen, mit Verfolgung konfrontiert war?
Russische Linke gegen den Krieg – ein differenzierter Blick ist wichtig
"Seit Beginn der 'Militärischen Spezialoperation' der russischen Streitkräfte in der Ukraine nahmen Tausende Menschen in Russland an Antikriegsprotesten teil. Allein in den ersten Wochen wurden 13.800 Menschen festgenommen" schreibt der in Bremen lebende Historiker Ewgeny Kasakow in seinen kürzlich im Unrast-Verlag erschienen Buch "Spezialoperation und Frieden – die russische Linke gegen den Krieg".
Zunächst gibt Kasakow einen allgemeinen Einblick in die politische Lage in die Ukraine und Russland. Dort beschreibt er das Putin-Regime sehr differenziert: "Man kann nicht das unter Putin entstandene Herrschaftssystem erklären, wenn man sich lediglich auf den Repressionsaspekt konzentriert und die massive Integrationskraft des Regimes unbeachtet lässt." So gibt es Putin gegenüber loyale Monarchisten ebenso wie Sowjet-Nostalgiker, Marktwirtschaftler und auch manche, die sich als Linke begreifen. Die aber lässt er im Buch rechts liegen.
Kasakow konzentriert sich auf den Teil der Linken, die den Einmarsch in die Ukraine klar ablehnen. Hier hat er Pionierarbeit geleistet und stellt die verschiedenen Fraktionen der Linken von Sozialdemokraten, Gewerkschaftern bis zu Feministinnen und Anarchisten vor, zeichnet ihre Spaltungen und Zerwürfnisse nach und widmet sich dann der Frage, wie sie sich theoretisch und praktisch zum Krieg in der Ukraine positionieren.
Die Kommunistische Partei Russlands und der Ukraine-Krieg
Wie wichtig Kasakows Anspruch ist, einen differenzierten Blick auf die verschiedenen Gruppen zu werfen, zeigen die unterschiedlichen Positionen zum Ukraine-Krieg in der größten russischen Oppositionspartei, der Kommunistischen Partei Russlands. Die sozialkonservative Parteiführung gibt sich als Unterstützerin der russischen Außenpolitik. Doch an der Basis waren schon zu Beginn des Krieges andere Töne zu hören.
So haben die "Resolution des runden Tisches der linken Kräfte" vom 24. Februar 2022 auch Mitglieder der Kommunistischen Partei Russlands unterzeichnet. Dort heißt es ganz klar. "Wir verurteilen die (...) Invasion in die Ukraine, weil sie zum Tod von Tausenden von Menschen auf beiden Seiten führen wird. Die ökonomische Lage der Werktätigen beider Länder wird sich verschlechtern."
Fast ein Jahr später zeigt sich, wie recht die Verfasser dieser Resolution hatten. Kasakow zeigt auch, dass die Politiker der Kommunistischen Partei Russlands, die sich für eine Anerkennung der östlichen Provinzen der Ukraine als Teil Russlands aussprachen, gegen eine Ausweitung des Konflikts waren. Sie unterstützten die Absatzbewegung der Donbass-Republiken, die auch von einem Teil der dortigen Bevölkerung getragen wurde, sprachen sich aber gegen den Angriff auf die übrige Ukraine aus.
In einem eigenen kleinen Kapitel widmet sich Kosakow dem Phänomen des Linksstalinismus, was eigentlich als Widerspruch erscheint, zumindest, wenn Emanzipation und Kampf gegen Macht und Autoritäten als einem unverzichtbaren Teil linker Politik betrachtet wird. Bei den von Kosakow beschriebenen Linksstalinisten handelt es sich meist um kleine Gruppen, die oft auch schnell zerfallen oder ihre poststalinistischen Positionen revidieren. So schreibt der Autor, dass es zur Annäherung zwischen ehemaligen Linksstalinisten und Trotzkisten kommt, manche öffnen sich sogar feministischen Diskussionen. Die Ablehnung des Ukraine-Kriegs ist dort weitverbreitet.