Digitalisierung statt Chemie auf dem Acker
Gewöhnungsbedürftig, aber effektiv? Der autonom fahrende "LaserWeeder" auf dem Felde. Foto: Carbon Robotics
Steigende Löhne in der Landwirtschaft wurden bisher mit verstärktem Chemieeinsatz oder ausländischen Saisonarbeitern aufgefangen. Mit digitalen Robotersystemen soll nicht nur der Biolandbau revolutioniert werden
Der Einsatz von Herbiziden könnte durch Roboter gemindert werden, die den Wuchs von Wildkräutern automatisch verhindern. Von besonderem Interesse sind diese sogenannten Jäteroboterfür die Unkrautbekämpfung nicht nur im Biolandbau, wo der Herbizideinsatz grundsätzlich nicht erlaubt ist. Der Wunsch, das Unkraut von Robotern jäten zu lassen, wird schon seit geraumer Zeit ein Wunsch von Landwirten und Landmaschinenherstellern geäußert, die beobachten, wie der häufige Chemieeinsatz die Bodenqualität beeinträchtigt.
Die als Prototyp entwickelte Idee aus dem letzten Jahrzehnt kam aber bis heute nicht zur serienmäßigen Umsetzung. Möglicherweise war der Widerstand gegen den Chemieeinsatz in der Landwirtschaft noch nicht groß genug – oder die Bilderkennung war einfach noch nicht leistungsfähig genug.
Inzwischen haben sich einerseits die technischen Voraussetzungen bei der Bildauswertung deutlich verbessert, andererseits hat die Erkenntnis immer mehr Raum gewonnen, dass Unkrautvernichtungsmittel nicht nur die Qualität der Böden schädigen, sondern auch die Gesundheit der Landwirte und ihres Umfelds beeinträchtigen. So wird die Verwendung von Glyphosat zunehmend eingeschränkt.
Für die als Ersatz diskutierten Herbizide wird ein noch größeres Schädigungspotenzial befürchtet. Untersucht sind die Langzeitwirkungen dieser Herbizidcocktails aber bis heute noch nicht.
Die Idee, mit gezielten Nutzpflanzenzüchtungen herbizidresistente Pflanzen anzubieten, um dann alle anderen Pflanzen als Unkräuter chemisch zu vernichten, ist abgesehen von den Umweltschäden auch nicht dauerhaft praktikabel, weil auch Reste der vom vergangenen Anbau übriggebliebenen Früchte beim aktuellen Anbau stören würden.
Damit stößt der landwirtschaftliche Chemieeinsatz inzwischen an eine weitere Grenze. Dazu kommt die damit verbunden Reduzierung der Sortenvielfalt und die Monopolisierung der Saatguterzeugung in Verbindung mit der spezifischen Chemie, was die Kosten für die Landwirte in die Höhe treibt, ohne die Erlössituation der Bauern zu verbessern.
Nicht nur die Bodenqualität leidet unter dem massiven Einsatz von Chemie, sondern auch der Nährstoffgehalt des so angebauten Gemüses ist in den letzten Jahrzehnten um rund 40 Prozent gesunken. Doch ein Verzicht auf das ständige Versprühen von Chemikalien auf den Feldern und dem Unkraut freien Lauf zu lassen, würde gut die Hälfte der Ernte kosten und es unmöglich machen, rentabel zu arbeiten.
Auf der anderen Seite lässt sich Unkraut immer schwerer bekämpfen, da Sorten überleben, welche gegen die chemischen Bekämpfungsmittel resistent sind, und die Hersteller von Herbiziden daher gezwungen sind, immer stärkere Chemikalien zu entwickeln, die letztlich auch mehr Schäden verursachen.
Autonome Roboter sollen das Unkraut vernichten
Da sich inzwischen auch ein verstärkter Personaleinsatz zum Jäten des Unkrauts als nicht mehr wirtschaftlich erweist, sucht man nach technischen Lösungen, die mithilfe einer immer effizienteren Bilderkennung und einer KI-gestützten Auswertung zu chemiefreien Lösungen führen kann.
Ziel ist es dabei, dass autonome Roboter auf dem zu bearbeitendem Feld ohne menschlichen Fahrer operieren und nur für einen Wechsel zum nächsten Feld von einem Fahrer gesteuert werden müssen. Die technische Alternative zum Pflanzengift soll mit einem autonomen Roboter das Unkraut beispielsweise per Laser beseitigen. Der autonome LaserWeeder von Carbon Robotics kann beispielsweise pro Stunde 100.000 Unkräuter vernichten.
Die Firma erklärt dazu: "Was wir dabei relativ früh entdeckten, ist, dass wir durch den Einsatz von Hochleistungs-Energiesystemen – also Lasern, die im Wesentlichen eine Möglichkeit sind, gezielt Energie abzugeben – dieses Unkraut abtöten können. Dank unseres Computer-Vision- und Deep-Learning-Know-hows ist es uns möglich, in Echtzeit zu erkennen, was ein Unkraut und was eine Nutzpflanze ist – und das Unkraut zu vernichten."
Der LaserWeeder verfügt über acht unabhängig voneinander ausgerichtete 150-Watt-Laser, wie sie sonst zum Schneiden von Metall verwendet werden und die 20-mal pro Sekunde ihren Laserstrahl abfeuern können. Orientiert werden sie anhand von zwölf hochauflösenden Kameras, die mit KI-Systemen verbunden sind, die Nutzpflanzen von Unkraut unterscheiden können.
Die Steuerung des Laser-Unkrautentferners erfolgt mithilfe von Computer Vision. Er findet die Furchen in den Feldern selbst, positioniert sich mithilfe von GPS-Systemen und sucht mit Lidar nach Hindernissen. Der derzeit eingesetzte Prototyp fährt auf dem Feld mit einer Geschwindigkeit von acht Kilometern pro Stunde und kann 15 bis 20 Hektar an einem Tag jäten und kann dabei nicht nur Unkraut erkennen, sondern auch sogenannte Fehlfrüchte, die aus einem früheren Anbau stammen und in der aktuellen Kultur stören und einen höheren Sortieraufwand bei der Ernte verursachen würden.
Neben dem Projekt von Carbon Robotics gibt es zahlreiche andere derzeit noch in der Entwicklung befindliche Projekte wie etwa der von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderte Etarob Feldroboter zur ökologischen Unkrautregulierung.
Schädlingsabwehr durch Roboter
Unkraut oder Fehlfrüchte sind jedoch nur eine Bedrohung für die agrarische Produktion. Die Abwehr tierischer Schädlinge erfolgt bislang zumeist mit Pestiziden. Inzwischen wird die optische Erkennung auch im Bereich der Schädlingssuche eingesetzt.
Damit sollen Pflanzen vor herbivoren Insekten und anderen tierischen Schädlingen geschützt werden, ohne den Nützlingen zu schaden.
Damit zukünftig weniger Pflanzenschutzmittel im Anbau von Obst und Gemüse eingesetzt werden, arbeitet man beispielsweise im Laser Zentrum Hannover an einer intelligenten optischen Schädlingsabwehr. Auf Basis von Bildgebung und künstlicher Intelligenz werden Systeme so trainiert, dass sie Schädlinge von Nützlingen unterscheiden können.
Man entwickelt Lasersysteme, die etwa den Pflanzenbefall mit weißen Fliegen einzudämmen oder mit Milben infizierte Bienen zu behandeln. Eine Herausforderung ist dabei, dass die Systeme robust genug sind, um mit den vorhandenen Umweltbedingungen zurechtzukommen.
Die Landwirtschaft steht mit der Automatisierung vor einem gewaltigen Umbruch. Der zunehmende Einsatz digitaler Technik und optischer Bilderkennung wird die Landwirtschaft, wie sie heute betrieben wird, zusehends verändern.
Wie in anderen Bereichen der Wirtschaft wird auch im Agrarsektor das spezifische Fachwissen zunehmend in selbstlernende IT ausgelagert und lässt sich damit deutlich schneller und effizienter skalieren als bei der Ausbildung des landwirtschaftlichen Personals.
Der Einsatz immer schnellerer Rechner und immer ausgefeilterer Software steht auch in der Landwirtschaft im Wettbewerb nicht nur mit der Lebenserfahrung der Bauern, sondern auch mit dem im Rahmen der Industrialisierung der Landwirtschaft zunehmenden Einsatz von Chemie und hybriden, vom Landwirt nicht selbst vermehrbaren Saatgütern.
Eine verstärkt umweltfreundlichere Automatisierung der Landwirtschaft könnte auf Sicht dazu führen, dass künftig wieder mehr als 30 Prozent des in Deutschland verkauften Obsts und Gemüses auch in Deutschland – und damit näher am Absatzmarkt angebaut wird. Das würde den Transportaufwand reduzieren und könnte daher auch die Bedeutung von Geschmack und Nährstoffgehalt gegenüber der Transportfestigkeit wieder stärker in den Vordergrund rücken.