Drama um Geflüchtete in Griechenland

Grenzfluss Evros. Bild: Mariza: virtual_tourist / Lizenz: CC-BY-3.0

Vorwürfe wegen Propaganda: Zwischen Fake News und "Bedrohung der nationalen Sicherheit".

Die Geflüchteten in Griechenland stehen erneut im Fokus internationaler Medien. Nur im Land selbst ist es mitunter schwer, darüber zu berichten. Schuld ist unter anderen der im Herbst 2021 reformierte Artikel 191 der Fake News unter Strafe stellt. Was Fake News sind und was nicht, bestimmt im Zweifel die Regierung.

Neutrale Berichterstattung aus dem Grenzgebiet zwischen Griechenland und der Türkei ist nicht möglich. Beide Regierungen haben es zum militärischen Sperrgebiet erklärt.

Anzeigen gegen Berichterstatter

Der Vizevorsitzende des rechtsextremen Parteibündnisses National Recreation und frühere Rechtsanwalt von Abdullah Öcalan, Failos Kranidiotis, reichte beim Areopag eine Anzeige gegen alle ein, die wiederholten und verbreiteten, was internationale Medien über eine Gruppe von 38 Geflüchteten auf einer Insel im Grenzfluss Evros schrieben. Berichte zum Thema wurden über Agenturen wie Reuters und dpa verbreitet und von zahlreichen Medien veröffentlicht.

Von offizieller Seite wurden derartige Berichte als Propaganda gegen Griechenland eingestuft. Die Führung der Polizei veröffentlichte am vergangenen Sonntag ein Pressestatement, in dem der Oppositionspartei Syriza vorgeworfen würde, sie würde im Sinn ausländischer Propaganda gegen das eigene Land agieren.

Im Kern ging es um den Streit, ob die Insel im Grenzfluss Evros, auf denen die Geflüchteten festsaßen, griechisches oder türkisches Territorium ist. Zwischenzeitlich war, nach Angaben der Geflüchteten, ein kleines Mädchen auf der Insel von einem Skorpion gestochen worden und ohne ärztliche Behandlung verstorben. Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge hatte sich eingeschaltet und die Regierungen beider Staaten ermahnt, den Menschen Hilfe zukommen zu lassen.

Wem gehört die Insel?

Tagelang wurde diskutiert, wessen Hoheitsgebiet das strittige Eiland im Fluss ist. Anders als sonst, wo Griechenland und die Türkei ihre Gebietsansprüche vehement verteidigen, wurde nun von beiden geleugnet, dass es eigenes Hoheitsgebiet sei. Dort, wo die Geflüchteten anhand ihrer Telefondaten lokalisiert wurden, hat das griechische Katasteramt griechisches Hoheitsgebiet registriert.

Bürgerschutzminister Takis Theodorikakos behauptet dagegen, dass es türkisches Gebiet sei und stützt sich dabei auf eine nicht öffentliche Stellungnahme der griechischen Militärführung.

Die Geflüchteten gelangten schließlich am Montag mit einem Boot auf unstrittig griechisches Territorium. Wie sie an das Boot kamen und wer es geschickt hat, blieb ungeklärt. Immigrationsminister Notis Mitarachi, der bis dahin die Existenz der Gestrandeten ebenso geleugnet hat wie den Tod des Mädchens, eilte in die Region.

Dort versicherte er, dass mit der Hilfe des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds versucht werde, die sterblichen Überreste des Kindes zu bergen und ihm ein würdiges Begräbnis zu ermöglichen.

Warum in den Tagen zuvor niemand auf die Idee kam, das Rote Kreuz um Hilfe zu bitten, erklärte der Minister nicht. Nach Angaben der griechischen Seite wurde vorher der türkische Staat um Hilfe gebeten.

EU-Türkei Pakt – Muster ohne Wert

Das gesamte Vorgehen beider Staaten zeigt, dass der Pakt zwischen der EU und der Türkei in der Flüchtlingsfrage eine Farce ist. Griechenland werden seit Jahren von der EU gleichzeitig illegale Push-Backs vorgeworfen und ebenfalls von der EU, Lob für die Sicherung der Grenzen ausgesprochen.

Da es im Grenzgebiet keine Möglichkeit für unabhängigen Journalismus gibt, werden von türkischer Seite Videos von Push-Backs der Griechen präsentiert, während die Griechen mit Videos von der Schleusertätigkeit türkischer Uniformierter kontern. Griechische Medien berichten davon, dass Geflüchtete von der türkischen Polizei zum Grenzübertritt gezwungen werden. Dies sagt auch Immigrationsminister Mitarachi unter Berufung auf Aussagen der Geflüchteten, die allerdings nicht selbst öffentlich zu Wort kommen.

Es wäre die Aufgabe von Juristen, zu prüfen, ob unter diesen Umständen asylrechtlich noch eines der beiden Länder als sicherer Drittstaat angesehen werden kann.

In Griechenland lässt sich die Regierung dafür feiern, dass die Zahl der Geflüchteten gesunken ist. Mitarachi erklärte im Interview beim Radiosender Skai, dass sich 2020 noch 92.000 Asylsuchende im Land befanden, nun seien es aktuell 18.000. Die übrigen seien weg – wohin sagte der Minister nicht.

Ebenso stolz ist das Ministerium auf die Hilfsprogramme für Geflüchtete aus der Ukraine. Hier soll in Griechenland nach Angaben des Ministeriums das "größte Hosting-Programm in Europa" existieren, was angesichts der Aufnahmezahlen ukrainischer Flüchtlinge in anderen Ländern höchst zweifelhaft ist.

Die restriktive Politik gegen Geflüchtete hat dafür gesorgt, dass die Lager im Land immer leerer werden. Jetzt sollen sie sukzessive geräumt werden. In Athen kommt es in diesen Tagen zur gewaltsamen Räumung des früheren Vorzeigelagers Eleonas. Die verbliebenen Bewohner sollen auf andere Lager verteilt werden und sträuben sich.