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"Drogen-Regierung" in Honduras abgewÀhlt

Jutta Blume

Xiomara Castro am Wahlabend. Bild: @XiomaraCastroZ

Die linke PrÀsidentschaftskandidatin Xiomara Castro liegt nach Wahlen vorne. Das wird auch das VerhÀltnis zu Deutschland verÀndern

"Se van" – "Sie gehen". Oder gar schon "Se fueron" – "Sie sind weg": Unter diesen Hashtags wird in sozialen Medien der Wahlsieg der linken PrĂ€sidentschaftskandidatin Xiomara Castro in Honduras gefeiert. Nach AuszĂ€hlung von ĂŒber 50 Prozent der abgegebenen Stimmen fĂŒhrte Castro mit 53,6 Prozent vor ihrem Hauptkonkurrenten Nasry Asfura mit 33, 8 Prozent, der Vorsprung ist damit nicht mehr einzuholen.

Die Wahlbeteiligung war mit 68 Prozent fĂŒr Honduras ungewöhnlich hoch. Die Parolen zeigen aber auch, worum es den WĂ€hler:innen in erster Linie ging: Das Ende von zwölf Jahren Herrschaft der Nationalen Partei, die eine Autokratie mit einem hohen Niveau an Korruption errichtet hat und die Gewaltenteilung im Land weitgehend außer Kraft gesetzt hat.

Bereits am Wahlabend erklÀrte sich Castro zur Gewinnerin. "Wir haben den Autoritarismus und die KontinuitÀt umgekehrt. Wir werden eine Regierung der Versöhnung, des Friedens und der Gerechtigkeit bilden. Wir werden eine direkte und partizipative Demokratie gewÀhrleisten", erklÀrte Castro.

Sollte das Wahlergebnis offiziell bestÀtigt werden, wÀre Xiomara Castro auch die erste Frau im höchsten Staatsamt in der Geschichte des Landes. Auch das ist bedeutend in einem Land, in dem ein absolutes Abtreibungsverbot herrscht und das eine der höchsten Feminizidraten der Welt hat.

Xiomara Castro trat fĂŒr die Partei Libre zum zweiten Mal als PrĂ€sidentschaftskandidatin an, zum ersten Mal kandidierte sie 2013. Castro ist die Ehefrau des 2009 aus dem Amt geputschten PrĂ€sidenten Manual Zelaya, der seiner eigenen liberalen Partei damals zu weit nach links gerĂŒckt war.

Die Partei Libre wurde aus Teilen der Widerstandsbewegung gegen den Putsch gegrĂŒndet und verspricht einen linken Reformkurs. Castros aussichtsreichster Gegenkandidat war der BĂŒrgermeister von Tegucigalpa, Nasry Asfura von der regierenden Nationalen Partei. Castro wird von einer Parteienallianz der Parteien Salvador de Honduras, Teilen der Liberalen Partei und der Kleinpartei Pinu gestĂŒtzt.

Angst vor Wahlbetrug und politischer Gewalt

Neben dem PrĂ€sidentenamt wurden ĂŒber die Abgeordneten des Nationalkongresses und die BĂŒrgermeisterĂ€mter abgestimmt. Auch hier zeichnen sich große VerĂ€nderungen ab. Nach dem Stand der AuszĂ€hlung erhĂ€lt Libre die grĂ¶ĂŸte Zahl der Parlamentssitze, kommt jedoch zusammen mit der Partei Salvador de Honduras noch nicht auf eine absolute Mehrheit.

Auch die BĂŒrgermeisterĂ€mter in den beiden grĂ¶ĂŸten StĂ€dten Tegucigalpa und San Pedro Sula gehen voraussichtlich an die Kandidaten von Libre. Überschattet war der Wahlkampf von politischer Gewalt. Das UN-Hochkommissariat fĂŒr Menschenrechte schrieb:

Seit der Ausrufung der Vorwahlen im September 2020 hat das UN-MenschenrechtsbĂŒro in Honduras 63 FĂ€lle von politischer Gewalt registriert, darunter 29 Tötungen, 14 Angriffe, 12 FĂ€lle von aggressivem Verhalten sowie sieben Personen, die direkt bedroht wurden und eine, die entfĂŒhrt wurde.

Des Weiteren Ă€ußerte das BĂŒro Besorgnis, dass sich die Menschenrechtsverletzungen bei Protesten nach der Wahl 2017 wiederholen könnten [1].

Jene waren nach deutlichen Anzeichen fĂŒr Wahlbetrug losgebrochen [2], schon die nicht verfassungskonforme erneute Kandidatur HernĂĄndez‘ hatte fĂŒr Missmut gesorgt. Polizei und MilitĂ€r gingen in den folgenden Wochen mit Repression und exzessiver Gewalt gegen die Protestierenden vor.

Über 30 Demonstrierende verloren ihr Leben, ein Großteil wurde von den SicherheitskrĂ€ften erschossen. Zur Verantwortung gezogen wurde dafĂŒr niemand. Stattdessen hat die honduranische Regierung mittlerweile ein Gesetz erlassen, dass den SicherheitskrĂ€ften gewissermaßen Straffreiheit fĂŒr im Amt begangene Gewalttaten zusichert.

Doch trotz zahlreicher UnregelmĂ€ĂŸigkeiten bei der Wahl 2017 blieb die internationale Kritik an den VorgĂ€ngen recht zurĂŒckhaltend und Juan Orlando HernĂĄndez wurde international als Wahlsieger anerkannt.

Dieser nutzte die zweite Amtszeit, um die Straflosigkeit fĂŒr korrupte Politiker:innen weiter abzusichern. Seine Regierung weigerte sich, die Internationale UnterstĂŒtzungsmission gegen Korruption und Straflosigkeit in Honduras (Maccih) fortzufĂŒhren, obwohl oder gerade weil sie Ermittlungserfolge vorweisen konnte.

Durch sie konnten Korruptionsnetzwerke aufgedeckt werden, in die ĂŒber 60 Abgeordnete verwickelt waren. Deutschland hat die Maccih mit zwei Millionen Euro unterstĂŒtzt.

PrĂ€sident HernĂĄndez, der von großen Teilen der honduranischen Bevölkerung und politischen Analysten offen als Narco-Diktator bezeichnet wird – also eine Regierung, die vom Drogenhandel profitiert – ist spĂ€testens mit der Verurteilung seines Bruders Antonio HernĂĄndez fĂŒr Drogenhandel und GeldwĂ€sche im großen Stil vor einem New Yorker Gericht im Jahr 2019 auch international in Verruf geraten.

In dem Verfahren wurde der PrÀsident von Zeugen als Mitwisser und Beteiligter der kriminellen GeschÀfte benannt, juristisch verfolgt wurde er bislang nicht. Die Armut hat in Honduras in den letzten acht Jahren immer weiter zugenommen, auch, weil Abgeordnete und RegierungsfunktionÀre systematisch öffentliche Gelder abgezweigt haben.

Die Effekte des Klimawandels, wie DĂŒrren und die beiden aufeinanderfolgenden Hurrikans im Jahr 2019 trugen weiter zur Verarmung der Bevölkerung und Migrationsbewegungen in Richtung Norden bei.

Deutsche UnterstĂŒtzung fĂŒr fragwĂŒrdige Projekte

Das deutsche AuswĂ€rtige Amt betont auf seiner Seite jedoch weiterhin das freundschaftliche VerhĂ€ltnis der beiden LĂ€nder. Deutschland gehört demzufolge zu den grĂ¶ĂŸten bilateralen Geldgebern in der Entwicklungszusammenarbeit mit Honduras.

"Schwerpunktbereiche sind Bildung sowie Umwelt- und Ressourcenschutz einschließlich der nachhaltigen Nutzung natĂŒrlicher Ressourcen und Klimaschutz." [3]

Das klingt zwar gut, wahrscheinlich sind Gelder aber auch in Wasserkraftprojekte geflossen, in deren Namen Menschenrechte verletzt wurden. Genau nachvollziehen lĂ€sst sich das nicht, da Mittel der deutschen KfW in Mittelamerika ĂŒber die Entwicklungsbank BCIE vergeben werden.

Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit soll aber 2023 auslaufen, das war bereits lange vor den Wahlen beschlossene Sache. Auch deutsche Unternehmen ließen sich von dem Wissen um grassierende Korruption und Menschenrechtsverletzungen in dem zentralamerikanischen Land nicht immer stören.

So wurde auf dem ehemaligen MilitĂ€rstĂŒtzpunkt Palmerola in der NĂ€he der Hauptstadt Tegucigalpa ein neuer internationaler Flughafen errichtet, der Ende November eröffnen sollte. "Möglich wurde der Bau und Betrieb des Flughafens durch das Engagement der MĂŒnchner Flughafengesellschaft mit ihrem Tochterunternehmen Mia, das dem honduranischen Partner EMCO/PIA unentbehrliches Know How und Kontakte zur VerfĂŒgung stellt", schreibt das Ökumenische BĂŒro fĂŒr Frieden und Gerechtigkeit aus MĂŒnchen [4].

Problematisch daran ist die Zusammenarbeit mit dem EigentĂŒmer der EMCO, Lenir PĂ©rez, der UmweltschĂŒtzer:innen im Dorf Guapinol kriminalisieren lĂ€sst, weil sie sich gegen seine Eisenerzmine und fĂŒr den Schutz ihrer Wasserressourcen eingesetzt haben.

Acht MĂ€nner aus dem Dorf sitzen seit ĂŒber zwei Jahren in Untersuchungshaft, die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen gegen willkĂŒrliche Verhaftungen prangert dies als unrechtmĂ€ĂŸig an. Die Bayerische Staatsregierung, die MehrheitseigentĂŒmerin der MĂŒnchner Flughafengesellschaft ist, wollte hingegen auf Nachfrage im Jahr 2018 von Menschenrechtsverletzungen durch PĂ©rez‘ Unternehmen nichts wissen.

Ein unvorteilhaftes Signal sendete Deutschland auch in Bezug auf das Projekt der "Zede", das sind Sonderwirtschaftszonen mit weitgehendem Autonomiestatus, wie etwa einer eigenen Gerichtsbarkeit. Weite Teile der honduranischen Bevölkerung lehnen die ZEDE ab, weil sie Vertreibungen und Enteignungen fĂŒrchten. Besonders indigene Territorien sind gefĂ€hrdet.

Der deutsche Botschafter zeigte sich im Juli wenig sensibel fĂŒr die Stimmung in der honduranischen Bevölkerung, als er in Begleitung der Außenhandelskammer die im Bau befindliche Zede "PrĂłspera" auf der Insel RoatĂĄn besuchte und mit deren GeschĂ€ftsfĂŒhrung, nicht aber mit Gegner:innen des Projekts sprach.

Xiomara Castro und ihre Allianz wollen die Sonderentwicklungszonen wieder abschaffen. Leicht wird das angesichts zu erwartender EntschÀdigungsforderungen von Unternehmen nicht werden.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-6280964

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=27845&LangID=E
[2] https://www.heise.de/tp/news/Betrugsvorwuerfe-nach-Wahlen-in-Honduras-3905798.html
[3] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/honduras-node/bilateral/221064
[4] https://www.oeku-buero.de/nachricht-506/honduras-bruchlandung-fuer-die-menschenrechte.html