Drohnen-Supermacht Iran: "Sanktionen zeigen nur sehr eingeschränkte Wirkung"
Shahid-Drohnen stellen Russland ein billiges und effizientes Waffensystem zur Verfügung. Worin die Vorteile liegen. Interview mit Oberst Reisner
Markus Reisner ist ein von Medien viel gefragter Militärexperte. Der Oberst des Generalstabsdienstes des österreichischen Bundesheers hat praktische Erfahrung. Er war fast ein Jahrzehnt bei österreichischen Spezialkräften (Jagdkommando) tätig. Zugleich arbeitet er als Militärhistoriker und ist Vorstandsmitglied des Clausewitz Netzwerks für Strategische Studien.
Telepolis-Autor Lars Lange fragte den Experten nach seiner Einschätzung zur Rolle der iranischen Shahid-Drohnen, die Russland zu Geran-2-Drohnen fertigt, im ukrainischen Kriegsgeschehen.
Welche Bedeutung hat die Geran-2 für Russland im Ukraine-Krieg?
Markus Reisner: Sie ist ein Beispiel dafür, dass Sanktionen nur sehr eingeschränkt gegen den militärisch industriellen Komplex Russlands Wirkung zeigen. Wie kann es zudem sein, dass der Iran, ein Land, dass unter einem strengen Sanktionsregime steht, zu einer Drohnen-Supermacht werden konnte?
Der Iran lieferte bis jetzt geschätzte 3.000 Stück Shahid-131/136 an Russland. Russland hat mit der Shahid-131/136 ein billiges, effizientes Waffensystem verfügbar, welches hohen Druck auf die ukrainischen Verteidiger ausübt.
Hat die Nato eine äquivalente Drohne?
Markus Reisner: Nein, hier gibt es kein vergleichbares System. Man war davon überzeugt, nach 9/11 ausschließlich mit Szenarien der Aufstandsbekämpfung gebunden zu sein.
Der Einmarsch Russlands in der Ukraine 2014 hatte keine wesentliche Strategieänderung in der Rüstungswirtschaft zur Folge. Nun herrscht Katerstimmung.
Lesen Sie auch
China, Iran, Russland: Geheimdienste sehen neue Kampfdrohnen-Allianz
Werden Autisten zu Griechenlands Waffen-Trainern?
Chinas Low-altitude Economy hebt noch nicht ab
Russland verdreifacht Drohnen-Produktion im Krieg gegen die Ukraine
Östliche Nato-Staaten alarmiert: Forderung nach Reaktion auf russische Luftraumverletzungen
Würden Sie sagen, dass die Drohne ein Gamechanger ist? Wenn ja, warum?
Markus Reisner: Dazu muss man aus meiner Sicht drei Kriterien anlegen.
1. Gibt es eine unmittelbare messbare Wirkung des Einsatzes der Shahid-131/136?
Ja, den gibt es! Erfüllen sich doch vor allem den Zweck einer laufenden Sättigung der ukrainischen Fliegerabwehr.
2. Erfolgt der Einsatz effizient (minimaler Aufwand, hohe Wirkung)?
Dies ist der Fall, betrachtet man z.B. das Verhältnis der Kosten einer Shahid-131/136 (ca. 20.000 Euro) zu einer z.B. IRIS-T-Abwehrrakete (ca. 450.000 Euro)
3. Was wäre gewesen, wenn es keinen Einsatz der Shahid-131/136 gegeben hätte?
Russland wäre nicht in der Lage gewesen, eine laufende strategische Luftkampagne durchzuführen. Vor allem, da es die Produktion von Marschflugkörpern und ballistischen Raketen erst erhöhen musste.
Kann die Drohne verschiedene Aufgaben übernehmen? Welche Aufgaben erfüllt sie hauptsächlich?
Markus Reisner: Die Shahid-131/136 erfüllt vor allem den Zweck einer laufenden Bindung der ukrainischen Luftabwehr und einer Abnützung des verfügbaren Fliegerabwehrmunitionspotentials. Ihr vorgestaffelter Einsatz ermöglicht oft erst den gezielten Einsatz von Marschflugkörpern.
Wir sehen jetzt die Entwicklung einer Shahid mit Jet-Triebwerk. Russland scheint die Drohne ebenfalls kontinuierlich weiterzuentwickeln. Welche Neuerungen können wir noch erwarten?
Markus Reisner: Die iranischen und russischen Entwickler arbeiten laufend an einer Verbesserung des Systems. Dies betrifft vor allem die Bereiche Navigation, Geschwindigkeit, Maßnahmen gegen Störungen im elektromagnetischem Bereich, sowie Wirkung (Treffergenauigkeit und Sprengkopf).