Droht Deutschland eine Generation Nichtschwimmer?

Im Herbst und Winter könnte der Schwimmunterricht erneut ausfallen. Bild: Tania Van den Berghen auf Pixabay

Viele Kinder und Jugendliche in der Bundesrepublik können kaum schwimmen. Doch aufgrund der Gaskrise könnte der Schwimmunterricht im Herbst und Winter wieder ausfallen. Lebensretter warnen vor dem Schließen der Schwimmbäder.

Das Baden ist deutschen Gewässern ist nicht ohne Risiko. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2022 ertranken mindestens 199 Menschen, teilte die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft DLRG mit. Im Vergleich zum letzten Jahr ist das ein Anstieg um 15 Fälle.

Die meisten tödlichen Unfälle passierten laut DLRG demnach in Flüssen und Seen, sie machten etwa 90 Prozent der Fälle aus. "Immer wieder zeigt sich, dass vor allem Selbstüberschätzung, übermütiges Handeln und Unkenntnis über Gefahren zu Unfällen führen", erklärte Frank Villmow vom DLRG-Präsidium.

Die Zahl der Ertrunkenen wäre noch deutlich größer, wenn nicht immer wieder Rettungsschwimmer zur Stelle wären, so Villmow. In vielen Fällen würden die Helfer im Nachhinein feststellen, dass die Geretteten kaum oder gar nicht schwimmen können. Und oft handle es sich bei den Geretteten um Kinder und Jugendliche.

Vor diesem Hintergrund warnt die DLRG: Während der Pandemie haben viel weniger Kinder als üblich das Schwimmen gelernt. Es seien auch deutlich weniger Rettungsschwimmer ausgebildet worden als in normalen Jahren.

Im Ergebnis suchten viele Freibäder vergeblich Personal für die Badeaufsicht und auch die Besetzung der DLRG-Stationen an Nord- und Ostsee sei vor den Sommerferien deutlich schwerer gefallen als gewöhnlich.

Es ist allerdings damit zu rechnen, dass sich die Situation nicht verbessert. Denn durch die Gaskrise droht das flächendeckende Schließen von Schwimmbädern in Deutschland. Sollte der Gasnotstand ausgerufen werden, dann stehen Freizeiteinrichtung ganz oben auf der Liste von Betrieben, die geschlossen werden müssen.

Es drohe eine "Generation Nichtschwimmer", heißt es inzwischen in verschiedenen Medien, sollten die Schwimmbäder den dritten Herbst und Winter infolge geschlossen werden. Unter anderem die Stuttgarter Zeitung thematisierte am Donnerstag das Problem.

Offener Brief betont Bedeutung der Schwimmbäder

In einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder rief die DLRG nun dazu auf, "die Schwimmbäder auch während möglicher Energieengpässe im Herbst und Winter so lange wie möglich weiterzubetreiben".

Schwimmbäder leisteten einen bedeutenden gesellschaftlichen Beitrag, heißt es in dem Brief. Und sollte es erneut zu einer flächendeckenden Schließung nach dem Corona-Lockdown kommen, dann sei "die Wassersicherheit in Deutschland in ernsthafter Gefahr".

Die meisten Bäder lassen sich nicht auf einen Freizeitwert reduzieren. Sie sind auch Orte der Gesundheitsförderung und des Vereinssports. Und sie sind Stätten der Schwimmausbildung, die eine lebensrettende Kompetenz schafft.

Offener Brief der DLRG

In dem Brief wird außerdem daran erinnert, dass es zu den politischen Zielen in Deutschland gehört, dass Kinder sicher schwimmen können.

Die Kultusministerkonferenz hat sich 2019 dem Ziel verschrieben, dass jedes Kind am Ende der Grundschule sicher schwimmen können soll. Davon sind wir nach zwei Jahren Pandemie mit monatelang geschlossenen Schwimmbädern jedoch noch viel weiter entfernt als damals. Ein "Energie-Lockdown" für die Schwimmbäder wäre hier ein weiterer erheblicher Rückschlag, der das Unfallrisiko an den Gewässern erhöht.

Die Bäder seien – bundesweit – essenziell für den Wasserrettungsdienst an und in Flüssen, Seen und Meeren. Aber auch im Rahmen des Katastrophenschutzes. Schließlich müssen auch Rettungsschwimmer für ihre Aufgaben trainieren können.

Schwimmbäder sollen ihren Anteil zum Energiesparen beitragen, dafür plädiert auch die DLRG. Sie unterstützt dafür einen 3-Stufen-Plan, der von der Bäderallianz Deutschland und dem Deutschen Olympischen Sportbund vorgeschlagen wurde.

Demnach sollen auf einer ersten Stufe die hoch temperierten Außenbecken abgeschaltet werden. Auch Freibäder sollten unbeheizt bis zum Saisonende weiterbetrieben werden. In einer zweiten Stufe, so der Vorschlag, sollten alle "freizeitaffinen Becken und Saunen" außer Betrieb genommen werden. Und auf der dritten Stufe solle die Wassertemperatur in den verbliebenen Sport- und Lehrschwimmbecken auf 26 Grad Celsius abgesenkt werden.

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