Droht nun die Corona-Blockade im Bundesrat?

Pandemiepolitik sorgt im neuen Bundestag für heftige Kontroversen. Vertrauen hat die zu schützende Bevölkerung immer weniger

Der Bundestag hat heute wie erwartet in zweiter Lesung das neue Infektionsschutzgesetz verabschiedet. Von den 736 Abgeordneten stimmten 398 für die Novellierung, die eine Gratwanderung versucht: Einerseits wird die im März 2020 erklärte epidemische Notlage für beendet erklärt, andererseits warnen Politiker, Mediziner und Fachgremien vor einer noch massiveren Zuspitzung der epidemischen Lage als vor einem Jahr.

Der politisch-parlamentarische Apparat stößt damit zunehmend an seine Grenzen: Das betrifft zum einen die Partei- bzw. Fraktionskonstellationen im Bundestag. War die epidemische Notlage am 4. März 2020 noch mit Stimmen der großen Parteien beschlossen worden, stemmt sich die CDU/CSU-Fraktion gemeinsam mit der AfD gegen den neuen Gesetzentwurf; die Linken enthielten sich.

Alles in allem bleibt die Pandemiepolitik auf Bundesebene anhaltend umstritten. Bei der ersten Abstimmung Anfang März vergangenen Jahres war die Notlage mit 367 zu 293 Stimmen beschlossen worden, deutliche Mehrheiten haben sich seither nicht gebildet.

Angesichts der Kritik aus dem Unionslager ist erstmals auch die Befürwortung des Gesetzesvorhabens im Bundesrat am morgigen Freitag unsicher: Dort haben die Parteien einer wahrscheinlichen künftigen Ampelkoalition keine Mehrheit.

Die Fraktionen der "Ampel" hingegen zeigten sich bei der ersten namentlichen Abstimmung seit der Konstituierung des 20. Deutschen Bundestags im Oktober geschlossen. Alle Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP - sofern sie im Plenum anwesend waren - stimmten für die Novelle.

Neben den inhaltlichen Differenzen im Parlament treibt die Pandemiepolitik zunehmend einen Spaltkeil in die Gesellschaft: Derzeit sorgt vorwiegend die Debatte um die ungeimpfte Bevölkerungsminderheit für Polarisierungen; ebenso das Unvermögen, eine überzeugende Strategie gegen die Pandemie zu präsentieren. Das bleibt nicht ohne Folgen, wie Telepolis dieser Tage berichtete: Nach einer Statista-Umfrage gaben im Frühjahr 2021 rund 45 Prozent der Befragten in Deutschland an, der Regierung eher nicht zu vertrauen.

Strafgesetzbuch wird angestrengt

Der neue Paragraf 28a Absatz 7 des Infektionsschutzgesetzes benennt eine Reihe von Schutzvorkehrungen, die – ein positives Votum im Bundesrat vorausgesetzt – bis zum 19. März 2022 ergriffen werden könnten.

Dabei geht es um Abstandsgebote, die Maskenpflicht, die Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen, verpflichtende Hygienekonzepte, Auflagen für den Betrieb von Gemeinschaftseinrichtungen wie Hochschulen oder Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie die Verarbeitung von Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Teilnehmern einer Veranstaltung - alles in allem also bekannte Maßnahmen.

Uneins sind sich "Ampel"-Parteien und Union beim strafrechtlichen Umgang mit gefälschten Impfdokumentationen. Zwar werden solche Delikte künftig, ebenso wie "der Gebrauch fremder Gesundheitszeugnisse" im Strafgesetzbuch (StGB) ausdrücklich erfasst.

Der Gesetzentwurf der Unionsfraktion sah jedoch auch Änderungen der Paragrafen 277 bis 279 StGB vor, sodass die sogenannte Privilegierung entfällt. "Die Tatbestände sollten sich auch nicht mehr auf die Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften beschränken", führt der Informationsdienst des Parlaments aus: In den genannten Paragrafen sollte der Strafrahmen angehoben und besonders schwere und "verwerflichen" Fälle eingefügt werden.

Die nun beschlossene Neuregelung kritisierte die Union hingegen als unzureichend. Der neue nordrhein-westfälische CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) drohte mit einer Ablehnung des Gesetzes im Bundesrat.

Unionsfraktionsvize Stephan Stracke warf den möglichen künftigen Regierungsfraktionen vor, der "Dramatik der Lage" nicht gerecht zu werden. "Sie verkürzen den Maßnahmenkatalog der Länder", so der CSU-Politiker.


In einer früheren Version des Textes war von der "ungeimpften Bevölkerungsmehrheit" die Rede. Richtig ist natürlich "Bevölkerungsminderheit", die Zahlen des RKI finden sich hier. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.