Druck der Finanzmärkte: Warum das Rentenalter bald steigen dürfte
Ratingagenturen fordern von europäischen Staaten Reform der Rentensysteme. Ohne sie könnte der Zugang zu Krediten erschwert werden. Das sind die Hintergründe.
Nur wenige Monate ist es her, dass in Deutschland diskutiert wurde, das Rentenalter auf 70 oder 75 Jahre anzuheben. Im Dezember hatte sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) noch gegen solche Vorstöße ausgesprochen – doch die Diskussion könnte demnächst wieder aufkommen.
Der Grund dafür sind Ratingagenturen wie Moody’s, S&P und Fitch. Sie mahnten Reformen der Rentensysteme in europäischen Ländern an, berichtete kürzlich die Financial Times. Im Blick haben sie auch die Bundesrepublik. Die Bevölkerung Deutschlands altert im internationalen Vergleich besonders drastisch.
Die Alterung der Gesellschaft setzt die öffentlichen Finanzen unter Druck, die Ausgaben für Renten- und Gesundheitssysteme steigen. Verschärft wird die Entwicklung durch gestiegene Zinsen, wodurch Staaten mehr für den Schuldendienst aufwenden müssen.
Die Ratingagenturen warnten nun, dass der demografische Wandel bereits jetzt die Kreditwürdigkeit der Regierungen beeinträchtige. Würden keine umfassenden Reformen eingeleitet, müsste sie weiter herabgestuft werden. Es drohe ein Teufelskreis aus einer höheren Belastung der Staatshaushalte und steigenden Kreditkosten.
Eine Prognose der EU-Kommission geht laut The Economist davon aus, dass die jährlichen altersbedingten Ausgaben in den kommenden Jahren stark ansteigen könnten. Zusätzliche 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts müssten 2030 für Renten und Gesundheitsvorsorge aufgewandt werden.
Gemessen am aktuellen BIP könnte das für den deutschen Staatshaushalt eine Mehrbelastung von über 54 Milliarden Euro bedeuten. Laut Statistischem Bundesamt erreichte Deutschland im Jahr 2022 ein BIP von 3.869,9 Milliarden Euro.
Allerdings dürfte dieser Finanzbedarf kaum ausreichen. Der Kampf gegen den Klimawandel muss finanziert werden; für Rüstung wird mehr ausgegeben; und der Wiederaufbau der Ukraine dürfte ebenfalls enorme Summen verschlingen. Laut The Economist erhöhen Klimawandel, Verteidigung, Ukraine und die Alterung die Ausgaben um etwa 3,3 Prozent des BIP.
Eine Studie der Ratingagentur S&P nimmt einen längeren Zeitraum in den Blick. Laut ihrer Prognose müssten im Jahr 2060 knapp 9,1 Prozent des BIP für altersbedingte Ausgaben aufgewandt werden. Vorausgesetzt, es werden keine Reformen eingeleitet.
In Europa sind es neben Deutschland die Länder Mittel- und Südeuropas, welche eines der schlechtesten demografischen Profile aufweisen.
Als positive Ausnahme führt S&P Griechenland auf. In einer Untersuchung von weltweit 81 Ländern sei Griechenland der einzige Staat, in dem bis 2060 ein Rückgang der altersbedingten Ausgaben erwartet werden. Als Grund werden die schmerzhaften Reformen nach der Schuldenkrise angeführt.
Hart könnte es auch für die Länder werden, die ihre Renten- und Gesundheitssysteme noch nicht an die neuen Bedingungen angepasst haben. "Je länger die Regierungen das Handeln hinauszögern, desto schmerzhafter werden die Maßnahmen sein", wird Edward Parker von der Ratingagentur Fitch in der Financial Times zitiert.
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