EU-Korruption: Der Fall Eva Kaili ist nur die Spitze des Eisbergs

Seite 2: Cosi fan tutte: Das machen doch alle!

Es ist bezeichnend, dass sich Politiker und Medien ausschließlich auf die Person Kaili konzentrieren, statt im engen Geflecht von Lobbyisten, Verbänden und Parlamentariern die systemischen Probleme zu suchen.

Sicherlich, Kaili hat im EU-Parlament die Zustände in Katar schöngeredet. Sie attestierte dem Wüstenstaat und Ausrichter der umstrittenen Fußball-WM 2022 Fortschritte beim Arbeitsrecht und bei den Menschenrechten. In ihrer Verteidigung verweist sie darauf, dass sie damit im Einklang mit der Internationalen Arbeitsorganisation sei.

In die gleiche Kerbe schlägt aber auch der Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas. Auch er hatte Katar in öffentlichen Statements und Tweets gelobt. Auffälligerweise mit ähnlichen Worten wie Kaili.

Schinas weist jeden Vorwurf von Korruption gegen sich energisch von sich. Er will keine Gegenleistung erhalten haben. Bei seinem Besuch in Katar habe es nur kleine Geschenke gegeben. "Ja, ich habe einen Fußball bekommen, eine Schachtel Pralinen", sagte er. "Ich glaube, ich habe beides dem Fahrer überlassen, der mich zum Stadion gefahren hat."

Auch Schinas beteuert: Er habe im Einklang mit der EU-Kommission gesprochen und alle seine Aussagen würden sich mit den Berichten der Internationalen Arbeitsorganisation decken, was durchaus stimmt.

Und dann: Bis heute sind auf der Internetseite von Fight Impunity, Panzeris korrupter NGO, prominente Politiker als Mitglieder des Ehrenrats aufgeführt. Sie sind zwar in ihrer Funktion bereits zurückgetreten, aber sie werden dort immer noch gelistet.

Zudem könnte es stutzig machen, dass Kailis Schwester mit zwei eigenen NGOs aktiv und bei weiteren beteiligt gewesen ist. Bei EU-Veranstaltungen zur Digitalisierung trat sie als Expertin für Kryptowährungen auf. Sie war auch Hauptrednerinnen bei einem Digitalisierungskongress "The Athens Roundtable". Einer der Veranstalter war die Organisation ElonTech, der Kailis Schwester als Direktorin und Mitbegründerin vorsteht. Gefördert wurde die Veranstaltung vom EU-Parlament, der Unesco, dem Europarat und der OECD.

Der offensichtliche Filz und die Verwicklungen von Amtsinhabern, Familienmitgliedern, NGOs und Lobbys müssen politisch aufgearbeitet werden, um in Zukunft derartigen Missbrauch von Ämtern zu verhindern. Ansonsten läuft die EU Gefahr, weiter an Glaubwürdigkeit bei den Wählern zu verlieren und Populisten zu stärken.

"Cosi fan tutte", so machen es doch alle, können Populisten durchaus mit Grund behaupten, solange niemand die Verantwortung dafür übernimmt, dass ein Fall wie der von Kaili überhaupt möglich ist. Die strafrechtliche Verantwortung von Kaili und Co. sollte nur ein Element der Aufarbeitung sein.

Die Hauptfrage, wie die EU transparent und der die Demokratie aushöhlende Einfluss von Lobbys auf Abstimmungen beendet werden kann, muss gestellt und beantwortet werden. Ebenso wie die Frage, wo beim Posten-Geschacher und bei der Zuschuss-Verteilung die Korruption anfängt.