EU-Staaten bei Preisdeckel für russisches Erdöl zerstritten
Bleibt der Deckel ohne Folgen für Russland oder wird er verheerend für die Weltwirtschaft? Vieles hängt vom angestrebten Preisniveau ab. In der EU gehen die Positionen aber weit auseinander.
Die Staaten der Europäischen Union konnten sich bislang nicht darauf einigen, wie sie die Preise von russischem Erdöl deckeln wollen. Am Freitag wurden die Gespräche darüber ausgesetzt und sollen am Montag wieder aufgenommen werden.
Diplomaten hatten eigentlich damit gerechnet, dass am Freitag eine Einigung erzielt werden könnte, heißt es bei Bloomberg. Doch die Positionen blieben verhärtet. Vor allem Polen und die baltischen Staaten nehmen demnach eine besonders harte Haltung gegenüber Moskau ein.
Auf Initiative der USA hatten die G7-Staaten beschlossen, für den Preis von russischem Erdöl eine Obergrenze festzulegen. Über ihre Höhe wird noch verhandelt. Einige EU-Diplomaten sprachen sich in diesem Rahmen dafür ein, dass die Preise zwischen 65 und 70 US-Dollar pro Barrel gedeckelt werden sollen.
Vertreter aus Polen und den baltischen Staaten sind von diesem Vorschlag empört. In ihren Augen ist das Preisniveau zu hoch, da es über den Preisen liegt, zu denen Russland aktuell Rohöl verkauft. Polen fordert deshalb einen Preis, der unter dem Marktniveau liegt und zusätzliche Sanktionen.
Aus den Daten des Informationsdienstes Argus Media geht hervor, dass die russische Ölsorte Ural deutlich unter dem diskutierten Preisniveau gehandelt wird. Am Donnerstag sei der Preis an zwei der wichtigsten Exportterminals Russlands auf etwa 52 US-Dollar pro Barrel gefallen.
Weltweit ist ein Rückgang der Ölpreise zu verzeichnen. Durch eine schwächelnde Weltwirtschaft ging die Nachfrage zurück. Die Preise für die Sorte Brent sanken von etwa 120 US-Dollar pro Barrel im Juni auf aktuell knapp 84 US-Dollar je Barrel. Ural-Öl erfuhr allein durch die Marktentwicklung einen Abschlag von etwa 20 US-Dollar pro Barrel, da sich europäische Käufer abwenden.
Der Preisdeckel soll für russisches Öl gelten, das auf dem Seeweg transportiert wird; und er soll nur so lange gelten, bis das Öl zum ersten Mal an einen Käufer an Land verkauft wird. Wird es weiterverkauft, fällt die Preisobergrenze weg.
Durchgesetzt werden soll sie unter anderem dadurch, dass der Zugang zu Schiffen, Versicherungen und anderen Dienstleistungen verwehrt wird, wenn der Kaufpreis des Rohöls oberhalb der festgesetzten Marke liegt. Knapp 95 Prozent der weltweiten Ölschiffe werden von westlichen Institutionen versichert, was fraglos ein mächtiger Hebel für einen Wirtschaftskrieg ist.
Mit diesen Sanktionen erhoffen sich die EU-Länder und die G7-Staaten, die Einnahmen der russischen Regierung zu drosseln und gleichzeitig die Versorgung des Weltmarktes mit Rohöl zu sichern. Denn sollte das Angebot aus Russland wegbrechen, dann würden die Preise auf dem Weltmarkt in die Höhe schnellen. Nach Ansicht der US-Regierung wäre das für die Weltwirtschaft ruinös.
Die verhärteten Fronten innerhalb der Europäischen Union spiegeln auch die unterschiedlichen Interessen der einzelnen EU-Länder wider. Griechenland etwa verfügt über die weltweit größte Tankerflotte. Es profitiert deshalb vom Ölhandel und ist nicht daran interessiert, dass er eingeschränkt wird. Deshalb favorisiert die griechische Regierung eine Preisgrenze, die nicht unter 70 US-Dollar liegt.
Es wird auch darüber diskutiert, weitere Beschränkungen im Kontext des Preisdeckels zu lockern, berichtete die Financial Times am Donnerstag. Bislang droht Tankern, die russisches Erdöl oberhalb der Preisgrenze transportieren, ein Ausschluss von Seeverkehrsdiensten auf unbestimmte Zeit. Diese Frist könnte auf 90 Tage abgesenkt werden, was auch im Interesse der griechischen Reeder liegen dürfte.
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