EU droht bei Ukraine-Rohstoffen leer auszugehen

Bernd Müller
Ein Laster wird mit Eisenerz in einer ukrainischen Mine beladen.

(Bild: Yevhen 11 / Shutterstock.com)

Die EU bangt um Zugriff auf ukrainische Rohstoffe. Heute besiegeln die USA und die Ukraine ein umstrittenes Abkommen in Washington. Wird die EU dabei übergangen?

Die Welt blickt heute gespannt nach Washington. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird erwartet, um das umstrittene Rohstoffabkommen zu besiegeln, über das auch Telepolis bereits mehrfach berichtet hat (etwa: hier und hier).

EU beobachtet Washingtoner Rohstoff-Deal mit Sorge

Besonders in den Hauptstädten der Europäischen Union dürfte man genau beobachten, was die Regierungen der Ukraine und der USA verabschieden. Schließlich entscheidet dieses Abkommen auch teilweise über die Rolle der EU in der globalen Politik. In der britischen Zeitung The Telegraph heißt es, das Abkommen sei Teil einer tektonischen Verschiebung der globalen Machtdynamik.

Der Grund dafür dürfte sein, dass die EU schon vor dem Krieg Interesse an den Rohstoffen der Ukraine gezeigt hat. Im Jahr 2021 hatte Kiew mit der EU ein entsprechendes Abkommen geschlossen – jetzt könnten die Europäer allerdings ausgebootet werden.

Das Papier nannte man damals "Aktionsplan der EU für kritische Rohstoffe", und es zielte darauf ab, sich jene kritischen Rohstoffe zu sichern, deren Lieferketten von China dominiert werden. Seltene Erden etwa, welche die EU zu etwa 98 Prozent von den Chinesen bezog. Mit Lithium und Graphit sollte die Ukraine auch einen Teil jener Mineralien liefern, die für den "Übergang zu einer grünen und digitalen Wirtschaft" notwendig sind.

Versäumte Vorsorge trotz Trump-Warnung

Offenbar hatten sich die Europäer darauf verlassen, dass die USA nicht nur ihre Interessen vertreten, sondern auch respektieren würden. Selbst als Donald Trump im November zum US-Präsidenten gewählt wurde, hatten es die Europäer nicht eilig, ihre Interessen zu sichern. "Sie haben das Problem fast ignoriert, und als Trump kam, rannten sie wie kopflose Hühner herum", wird eine Analystin von The Telegraph zitiert.

Lediglich von Frankreich ist bekannt, dass man seit Oktober über die Ausbeutung der ukrainischen Rohstoffe diskutiert. Selenskyj hatte im vergangenen Herbst auch gegenüber den Franzosen die Rohstoffkarte gezogen, um sich deren Unterstützung zu sichern. Das erklärte zumindest der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu auf franceinfo.

Paris zeigte sich dabei hauptsächlich an den Rohstoffen interessiert, welche die französische Rüstungsindustrie benötigt. Der Bezug dieser Stoffe sollte dank der Ukraine diversifiziert werden. Lecornu erklärte:

Unsere Verteidigungsindustrie wird eine Reihe von ganz zentralen Rohstoffen in unseren eigenen Waffensystemen benötigen, und zwar nicht nur für das nächste Jahr, sondern für die nächsten 30 oder 40 Jahre.

Der französische Präsident Emmanuel Macron habe von ihm im Oktober verlangt, so Lecornu, dass er mit den Ukrainern Gespräche führt – nicht im gesamt-europäischen Interesse, sondern auf "französischer Ebene".

Ungewisse Zukunft des ukrainischen Rohstofffonds

Ob die Franzosen noch Zugriff auf diese Rohstoffe erhalten werden, wenn das Abkommen am Freitag in Washington unterzeichnet wird, ist noch offen. An dem Fonds, in welchen die Ukrainer jetzt 50 Prozent ihrer staatlichen Rohstoffeinnahmen einzahlen sollen, wollten zuerst die Amerikaner 100 Prozent der Anteile halten.

Der aktuelle Entwurf gleicht jetzt eher einem Rahmenabkommen, bei dem viele Detailfragen, auch die zur Anteilsstruktur des Rohstofffonds, ausgeklammert wurden. Es bleibt also dem Verhandlungsgeschick der Franzosen überlassen, ob sie an dem Fonds und den Rohstoffen beteiligt werden.

Unbekannt ist bislang allerdings, ob auch Berlin schon konkrete Gespräche mit den Ukrainern geführt hat, um am Rohstoffreichtum des Landes teilzuhaben. Zumindest die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hatte deutliche Interessen bekundet.