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EU und Italien: Meloni kritisiert Einladung Selenskyjs nach Paris

Italien spielt innerhalb der EU nicht in der ersten Liga, was Geogia Meloni sauer aufstĂ¶ĂŸt. Bild: Vox España, CC0, via Wikimedia Commons

Die italienische MinisterprÀsidentin kritisiert das deutsch-französische Abendessen mit dem ukrainischen Staatschef. Die Einheit Europas werde dadurch untergraben. Worum es in dem Disput geht.

In der EuropĂ€ischen Union gibt es Zwist. Die italienische MinisterprĂ€sidentin Giorgia Meloni hat am Freitag Frankreich vorgeworfen, die Einigkeit der EU in der Ukraine-Frage zu gefĂ€hrden. Der Stein des Anstoßes war das deutsch-französische Abendessen mit dem ukrainischen PrĂ€sidenten Wolodymyr Selenskyj, das am Mittwochabend stattfand.

Meloni hÀtte gern mit am Tisch gesessen, wurde aber nicht eingeladen. Am Mittwoch hatte sie das Abendessen schon als "unangemessen" bezeichnet. Am Freitag legte sie nach und betonte, dass alle 27 EU-Staaten gemeinsam und einig auftreten sollten. Mit dem Abendessen hÀtte man dem EU-Gipfel vorgegriffen, bei dem diese Einigkeit hÀtte demonstrieren können.

Die italienische MinisterprĂ€sidentin warf dem französischen PrĂ€sidenten Emmanuel Macron vor, sich aufgrund von innenpolitischen Problemen profilieren zu wollen. Sie habe VerstĂ€ndnis dafĂŒr, fĂŒgte sie an und erklĂ€rte: "Aber manchmal geht das zulasten der Sache". In der Ukraine-Politik liege die StĂ€rke schließlich in der Einigkeit.

Macron sah die Sache anders. "Ich denke, wir waren in unserer Rolle", sagte er [1]. Deutschland und Frankreich hĂ€tten in dieser Frage seit acht Jahren eine besondere Rolle gespielt, weil beide LĂ€nder in diesem Prozess gemeinsam gefĂŒhrt hĂ€tten. Deswegen habe er Selenskyj gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrĂŒĂŸen wollen [2].

Der Vorfall macht aber auch deutlich: In der EuropĂ€ischen Union haben zwar alle Staaten eine Stimme, aber manche wiegen mehr als andere. Die Neue ZĂŒrcher Zeitung verglich die EU mit einem Zug: Deutschland und Frankreich bilden die Lokomotive, wĂ€hrend Italien im Waggon der zweiten Klasse [3] Platz nehmen muss.

Deutlich wurde das auch jĂŒngst, als die Wirtschaftsminister von Deutschland und Frankreich in den USA weilten, um die Reaktion der EU [4] auf den Inflation Reduction Act (IRA) zu besprechen. Italien war auch hier nicht eingeladen.

Meloni steht durch diese ZurĂŒckweisung innenpolitisch zweifach unter Druck. Gemeinsam mit den anderen EU-Staaten unterstĂŒtzt sie die Ukraine bedingungslos; aber diesen Kurs muss sie gegen die Bevölkerung ihres Landes durchsetzen.

In Italien ist die UnterstĂŒtzung der Ukraine wesentlich schwĂ€cher ausgeprĂ€gt als in anderen LĂ€ndern. Eine aktuelle Erhebung [5] des Marktforschungsinstituts Ipsos hat ergeben, dass nur etwa 30 Prozent der Italiener Waffenlieferungen an Kiew unterstĂŒtzen. In Großbritannien waren es dagegen 63 Prozent, in Frankreich 52 Prozent und in Deutschland 48 Prozent.

Die Opposition in Italien nutzt aber auch die Gelegenheit und wirft Meloni vor, auf EU-Ebene isoliert zu sein. Man wirft ihr vor, eine Kontroverse mit Frankreich zur falschen Zeit angezettelt zu haben. Einige Medien druckten auch das Bild ihres VorgÀngers, Mario Draghi, wie er gemeinsam mit Macron und dem deutschen Bundeskanzler im Sonderzug nach Kiew sitzt.

Melonis offensichtliche VerĂ€rgerung dĂŒrfte kaum dazu beigetragen haben, die bereits angespannten Beziehungen zwischen Paris und Rom zu verbessern, urteilte die Financial Times. Kurz nach ihrem Amtsantritt hatte ein Disput ĂŒber die Migration einen Spalt zwischen beide LĂ€nder getrieben.

"Sie tut sich keinen Gefallen, wenn sie es ĂŒbertreibt", sagte demnach Nathalie Tocci, Direktorin des in Rom ansĂ€ssigen Institute of International Affairs. Die französisch-italienischen Beziehungen seien nicht gerade glĂ€nzend. Wenn man eine Regierung habe, hinter der andere Regierungen große Fragezeichen setzten, steige natĂŒrlich die Wahrscheinlichkeit, dass man ausgeschlossen werde.

Damit will sich Meloni allerdings nicht zufriedengeben. Sie betonte: "Diejenigen, die glauben, dass es in der EU eine erste und eine zweite Liga gibt, die glauben, dass Europa ein Club sein sollte, in dem es diejenigen gibt, die mehr zÀhlen und diejenigen, die weniger zÀhlen, liegen falsch", sagte sie.

Darin dĂŒrfte sie sich allerdings tĂ€uschen: Die RealitĂ€t zeigt etwas anders.


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https://www.heise.de/-7493301

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/meloni-unter-druck-wegen-ausschluss-aus-deutsch-franzoesischem-duo/
[2] https://www.ft.com/content/2f239a74-28d2-44e8-8374-8de291554d4a
[3] https://www.nzz.ch/international/eu-und-italien-melonis-aerger-ueber-macron-und-scholz-ld.1725465
[4] https://www.telepolis.de/features/US-Subventionen-Robert-Habeck-mit-leeren-Haenden-aus-Washington-zurueck-7489849.html
[5] https://www.reuters.com/world/europe/italys-meloni-says-france-risks-undermining-eu-unity-ukraine-2023-02-10/