EU und Italien: Meloni kritisiert Einladung Selenskyjs nach Paris
Die italienische Ministerpräsidentin kritisiert das deutsch-französische Abendessen mit dem ukrainischen Staatschef. Die Einheit Europas werde dadurch untergraben. Worum es in dem Disput geht.
In der Europäischen Union gibt es Zwist. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat am Freitag Frankreich vorgeworfen, die Einigkeit der EU in der Ukraine-Frage zu gefährden. Der Stein des Anstoßes war das deutsch-französische Abendessen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, das am Mittwochabend stattfand.
Meloni hätte gern mit am Tisch gesessen, wurde aber nicht eingeladen. Am Mittwoch hatte sie das Abendessen schon als "unangemessen" bezeichnet. Am Freitag legte sie nach und betonte, dass alle 27 EU-Staaten gemeinsam und einig auftreten sollten. Mit dem Abendessen hätte man dem EU-Gipfel vorgegriffen, bei dem diese Einigkeit hätte demonstrieren können.
Die italienische Ministerpräsidentin warf dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron vor, sich aufgrund von innenpolitischen Problemen profilieren zu wollen. Sie habe Verständnis dafür, fügte sie an und erklärte: "Aber manchmal geht das zulasten der Sache". In der Ukraine-Politik liege die Stärke schließlich in der Einigkeit.
Macron sah die Sache anders. "Ich denke, wir waren in unserer Rolle", sagte er. Deutschland und Frankreich hätten in dieser Frage seit acht Jahren eine besondere Rolle gespielt, weil beide Länder in diesem Prozess gemeinsam geführt hätten. Deswegen habe er Selenskyj gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßen wollen.
Der Vorfall macht aber auch deutlich: In der Europäischen Union haben zwar alle Staaten eine Stimme, aber manche wiegen mehr als andere. Die Neue Zürcher Zeitung verglich die EU mit einem Zug: Deutschland und Frankreich bilden die Lokomotive, während Italien im Waggon der zweiten Klasse Platz nehmen muss.
Deutlich wurde das auch jüngst, als die Wirtschaftsminister von Deutschland und Frankreich in den USA weilten, um die Reaktion der EU auf den Inflation Reduction Act (IRA) zu besprechen. Italien war auch hier nicht eingeladen.
Meloni steht durch diese Zurückweisung innenpolitisch zweifach unter Druck. Gemeinsam mit den anderen EU-Staaten unterstützt sie die Ukraine bedingungslos; aber diesen Kurs muss sie gegen die Bevölkerung ihres Landes durchsetzen.
In Italien ist die Unterstützung der Ukraine wesentlich schwächer ausgeprägt als in anderen Ländern. Eine aktuelle Erhebung des Marktforschungsinstituts Ipsos hat ergeben, dass nur etwa 30 Prozent der Italiener Waffenlieferungen an Kiew unterstützen. In Großbritannien waren es dagegen 63 Prozent, in Frankreich 52 Prozent und in Deutschland 48 Prozent.
Die Opposition in Italien nutzt aber auch die Gelegenheit und wirft Meloni vor, auf EU-Ebene isoliert zu sein. Man wirft ihr vor, eine Kontroverse mit Frankreich zur falschen Zeit angezettelt zu haben. Einige Medien druckten auch das Bild ihres Vorgängers, Mario Draghi, wie er gemeinsam mit Macron und dem deutschen Bundeskanzler im Sonderzug nach Kiew sitzt.
Melonis offensichtliche Verärgerung dürfte kaum dazu beigetragen haben, die bereits angespannten Beziehungen zwischen Paris und Rom zu verbessern, urteilte die Financial Times. Kurz nach ihrem Amtsantritt hatte ein Disput über die Migration einen Spalt zwischen beide Länder getrieben.
"Sie tut sich keinen Gefallen, wenn sie es übertreibt", sagte demnach Nathalie Tocci, Direktorin des in Rom ansässigen Institute of International Affairs. Die französisch-italienischen Beziehungen seien nicht gerade glänzend. Wenn man eine Regierung habe, hinter der andere Regierungen große Fragezeichen setzten, steige natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass man ausgeschlossen werde.
Damit will sich Meloni allerdings nicht zufriedengeben. Sie betonte: "Diejenigen, die glauben, dass es in der EU eine erste und eine zweite Liga gibt, die glauben, dass Europa ein Club sein sollte, in dem es diejenigen gibt, die mehr zählen und diejenigen, die weniger zählen, liegen falsch", sagte sie.
Darin dürfte sie sich allerdings täuschen: Die Realität zeigt etwas anders.
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