UN-Experten warnen: Baerbock gefährdet Deutschlands Ansehen

Annalena Baerbock mit Olivenzweigkranz der Vereinten Nationen gekrönt

Bild Annalena Baerbock: photocosmos1 / Shutterstock.com / Grafik: TP

Die UN steht vor gewaltigen Aufgaben. Deutschland soll Schlüsselrolle spielen. Nun droht vieles an einer umstrittenen Personalie zu scheitern. Ein Gastbeitrag.

Die scheidende Außenministerin der Bundesrepublik Annalena Baerbock wird aller Voraussicht nach im Juni 2025 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York zur neuen Präsidentin der UN-Generalversammlung gewählt.

Für dieses Amt war eigentlich die deutsche Top-Diplomatin Helga Schmidt vorgesehen, die sich schon intensiv auf diese wichtige internationale Aufgabe vorbereitet hatte.

Deutschland übernimmt Reformaufgabe

Deutschland übernimmt somit eine bedeutende internationale Aufgabe im Rahmen der anstehenden Reform der Vereinten Nationen – mit Blick auch auf das 80. Jubiläum der UNO und der UN-Charta im Oktober 2025. Am 22. September 2024 wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen der UN-Zukunftspakt verabschiedet, der das Fundament für die anstehende Reform der Vereinten Nationen bildet. Hervorzuheben wären im Einzelnen folgende Reformschritte1:

Atomwaffenverbotsvertrag als Wegweiser

Wir werden das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen vorantreiben. Ein Atomkrieg würde die gesamte Menschheit auslöschen und wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um die Gefahren eines solchen Krieges abzuwenden. Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf niemals geführt werden.

United Nations, Summit of the Future

Der Vertrag trat am 22.01.2021 in Kraft. Inzwischen haben ihn weltweit 73 Staaten ratifiziert. Der Vertrag untersagt allen Unterzeichnerstaaten, Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen, zu lagern und zu testen. Auch die Weiterverbreitung von Atomtechnologie ist verboten. Die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen schließen sich damit aus. Der Verbotsvertrag wird in den kommenden Jahren immer mehr an Gewicht gewinnen und weltweit Staaten zur Unterzeichnung veranlassen.

Diese Entwicklung wird sich auch nicht über Einflussname der Atomwaffenstaaten aufhalten lassen. Vielmehr wird der Druck auf diese wachsen, endlich die im Atomwaffensperrvertrag eingegangenen Verpflichtungen einzulösen.

Wichtig wäre es, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterstützen und Mitgliedsstaaten der UN aufzufordern, den Vertrag zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass Annalena Baerbock als zukünftige Präsidentin der Generalversammlung sich dafür einsetzen wird.

Deutschland hat bis heute den Vertrag nicht unterzeichnet und nahm im März 2025 auch nicht an der Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag in New York teil.

Nachhaltige Entwicklung und Finanzierung

Der aktuelle Welthungerindex weist aus, dass über 730 Millionen Menschen weltweit an Hunger leiden. Besonders betroffen sei in Afrika die Region südlich der Sahara. Bewaffnete Konflikte erhöhen das Risiko für Hungerkrisen. 148 Millionen Kinder leiden an Wachstumsverzögerung, 45 Millionen an Auszehrung und fast 5 Millionen Kinder sterben vor dem 5. Lebensjahr, so die Zahlen der Welthungerhilfe.

Ein großes Problem ist die wachsende Schuldenkrise, die die ärmsten Länder belastet. NGOs und die Zivilgesellschaft fordern deshalb die Aussetzung des Schuldendienstes für die ärmsten Länder des Südens.

Freiwillig geleistete finanzielle Beiträge, die Deutschland den UN zur Verfügung stellt, sollten in feste regelmäßige Zahlungen umgewandelt werden. Auf Dauer würde diese Maßnahme ganz wesentlich zur Stabilität des UN-Haushalts beitragen, sich zum Vorteil aller auswirken und vielleicht Nachahmung finden. Die Eigenständigkeit des Politikfelds "Entwicklungszusammenarbeit" gilt es zu bewahren und einer Militarisierung entgegenzuwirken.

Schutz der Zivilbevölkerung

Wir verurteilen die verheerenden Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf Zivilisten, zivile Infrastruktur und kulturelles Erbe und sind besonders besorgt über die unverhältnismäßigen Auswirkungen der Gewalt auf Frauen, Kinder.

United Nations, Summit of the Future

Die aktuelle Situation im Sudan, Jemen, in Gaza und der Ukraine, wo täglich schlimmste Kriegsverbrechen begangen werden, belegen die Tragik zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Reform des Sicherheitsrats

Die Zusammensetzung im Sicherheitsrat spiegelt bis heute die Machtverhältnisse am Ende des Zweiten Weltkriegs wider. Es wurde versäumt, die Entscheidungsstrukturen den veränderten weltpolitischen Rahmenbedingungen anzupassen.

Wir können nicht akzeptieren, dass der führenden Friedens- und Sicherheitsinstitution der Welt eine permanente Stimme für einen Kontinent von weit über einer Milliarde Menschen fehlt … und wir können auch nicht akzeptieren, dass Afrikas Ansichten in Fragen des Friedens und der Sicherheit sowohl auf dem Kontinent als auch auf der ganzen Welt, unterbewertet sind." António Guterres

Deutschland fordert einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Da die Chancen einer Realisierung dieses Vorhabens gering sind, sollte Deutschland unbedingt darauf verzichten. Sinnvoller wäre die Unterstützung Afrikas für mindestens einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Afrika ist ein Kontinent ohne Atomwaffen und stünde voll im Lichte des UN-Zukunftspaktes.

Aktuelle Lage der Vereinten Nationen

Man kann sich weltpolitisch zurzeit kaum eine schlechtere Ausgangslage vorstellen. Donald Trump wird die UN weiter marginalisieren und sich vermutlich auch teilweise aus entsprechenden Organisationen und Institutionen zurückziehen.

Was das russische Regime unter Wladimir Putin von Prinzipien wie dem Gewaltverbot hält, ist bekannt. Es geht eher darum, Mindeststandards und Grundprinzipien des Multilateralismus zu verteidigen, als nun auf eine grundlegende Verbesserung der Situation zu setzen.

Hervorzuheben wären das Handeln des Internationalen Gerichtshofes (IGK) und des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH).

Die USA unter Donald Trump spielen eine eigene Rolle und bedienen sich der UN nur noch bei Bedarf. Ähnliches gilt für China und Indien. Die reformierte UN wird zudem die Interessen der Golfstaaten, des Globalen Südens stärker berücksichtigen müssen. Dazu kommen die Folgen des Klimawandels und die Forderungen der Schwellenländer nach mehr politischen und wirtschaftlichen Einfluss.

Europa und die USA werden somit an Einfluss innerhalb der UN verlieren. Das ist die Ausgangslage vor dem Antritt der deutschen Präsidentschaft der UN-Generalversammlung.

Es ist realistisch davon auszugehen, dass nur Minimalziele des UN-Zukunftspaktes erreicht werden können. Voraussetzung dafür sind diplomatisches Geschick und eine Verhandlungsstrategie, die überzeugend und glaubwürdig auf die Mitgliedsstaaten wirkt.

Ob Annalena Baerbock – anstelle der ausgewiesenen UN-Diplomatin Helga Schmidt – die richtige Besetzung für diese besondere Aufgabe und Herausforderung ist, wird von den ehemaligen deutschen UN-Diplomaten Hans Christoph von Sponeck und Michael von der Schulenburg bezweifelt.

In einer öffentlichen Stellungnahme weisen sie darauf hin, dass die noch amtierende Außenministerin großen Anteil daran habe, dass Deutschland im Ausland Ansehen eingebüßt habe.

"Frieden durch Stärke" bedeutet für Baerbock militärische, nicht menschliche Sicherheit, wie sie von den Vereinten Nationen, besonders beim Kinderhilfswerk Unicef, dem Entwicklungsprogramm UNDP, dem Welternährungsprogramm WFP und natürlich auch von UN-Generalsekretär António Guterres immer wieder gefordert werde …

Abbau von Spannungen oder Friedensverhandlungen mit Kompromissbereitschaft will sie nicht unterstützen. Sie ist alles andere als eine Brückenbauerin. Frau Baerbock hat mehrmals gezeigt, dass sie internationales Recht und den Geist und die Ethik der Charta der Vereinten Nationen nicht versteht.

Das hat sie mit Aussagen wie man müsse Russland so schädigen, dass "es volkswirtschaftlich jahrelang nicht mehr auf die Beine kommt", und bezüglich der Ukraine: "Wir stehen bei euch, solange ihr uns braucht, egal was meine deutschen Wähler denken" bewiesen.

Hans Christoph von Sponeck und Michael von der Schulenburg

Sie empfehlen der neuen Bundesregierung, die Besetzung der Präsidentschaft mit Annalena Baerbock zu überdenken. Es müsse unbedingt vermieden werden, dass das Ansehen Deutschlands in der Welt neuen Schaden nimmt.

Chance für Deutschland im Jubiläumsjahr

2025 ist ein wichtiges Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen. Deutschland sollte die Chance nutzen, mit einer klugen Personalentscheidung bei der Neubesetzung des Präsidentenamtes der Generalversammlung die UN-Charta zu stärken.

Ungeachtet aller Konflikte und trotz häufiger Verstöße gegen die gemeinsamen Grundsätze gilt die Verabschiedung der Charta und die damit verbundene Gründung der Vereinten Nationen am 24. Oktober 1945 als ein wesentlicher Meilenstein in der Geschichte der Menschheit.

Rolf Bader, geb. 1950, Diplom-Pädagoge, ehem. Offizier der Bundeswehr, ehem. Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte:innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte:innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW)

Er war Delegierter der deutschen IPPNW-Sektion auf der Zivilkonferenz der Vereinten Nationen am 9./10. Mai 2024 in Nairobi/Kenia. An der Konferenz nahmen ca. 2.100 Delegierte und über 500 NGOs aller fünf Kontinente teil. Beraten wurde über den UN-Zukunftsgipfel und den Zukunftspakt, der im September 2024 auf einer UN-Generalversammlung von den Mitgliedsstaaten beschlossen wurde.


Redaktionelle Anmerkung: Wir haben ergänzt, dass Sponeck und Schulenburg ehemalige Diplomaten sind. Sie begleiten keine aktuellen Positionen mehr; gleichwohl bleiben Sie Kenner des Betriebs der Vereinten Nationen, also Experten.