Ukraine-Krieg 2025: Wie viel kostet uns Baerbocks Panzerfrieden?

Die EU plant ein neues Hilfspaket für die Ukraine. Außenministerin Baerbock spricht von einer historischen Dimension. Ihre Vergleiche lassen aufhorchen.
Die Berliner Zeitung berichtete jüngst, dass die EU ein neues milliardenschweres Hilfspaket für die Ukraine sowie zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben plant. Bei einem Interview am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz habe Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) durchblicken lassen, dass es sich dabei um "ein großes Paket" handeln werde, das es "in dieser Dimension noch nie gegeben" habe. "Ähnlich wie bei der Euro- oder der Corona-Krise gibt es jetzt ein Finanzpaket für die Sicherheit in Europa", so Baerbock. Das Paket werde "in naher Zukunft kommen".
Für Spekulationen sorgte Baerbocks vage Bezugnahme auf frühere EU-Rettungspakete. Das gesamte Finanzpaket zur Euro-Stabilisierung zwischen 2010 und 2015 belief sich auf über 1,2 Billionen Euro. Für Corona-Wirtschaftshilfen stellte die EU 700 Milliarden Euro bereit. Die Berliner Zeitung folgerte daraus, dass sich das angekündigte Sicherheitspaket in einer ähnlichen Dimension zwischen mehreren hundert Milliarden bis über einer Billion Euro bewegen könnte.
Baerbock vergleicht, Zeitung rechnet nach
Zum Vergleich führte die Zeitung an, dass die gesamten EU-Verteidigungsausgaben 2022 bei 326 Milliarden Euro lagen. Deutschland trug dazu 52 Milliarden bei, zusätzlich zu einem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für die Bundeswehr. Alle militärischen, finanziellen und humanitären Hilfen der EU für die Ukraine seit Kriegsbeginn summieren sich bislang auf rund 160 Milliarden Euro. Die Differenz zur Höhe der erwähnten Vergleichspakete ist erheblich.
Ob eine weitere drastische Aufstockung in dieser Größenordnung wirklich bevorsteht, blieb nach Baerbocks Andeutungen jedoch gänzlich offen. Auf Nachfrage wollte Regierungssprecher Steffen Hebestreit die von der Außenministerin ins Spiel gebrachten Summen nicht bestätigen. Er wies darauf hin, dass Baerbock selbst keine konkrete Zahl genannt habe.
Dementi von Regierungssprecher
Hebestreit betonte, bei allen Überlegungen zu künftigen Unterstützungen für die Sicherheit in Europa und die Ukraine komme es auf den Zeitraum und den Kreis der Geber an. Er erinnerte daran, dass Deutschland die Ukraine seit Kriegsbeginn mit insgesamt 44 Milliarden Euro in Form von Waffenlieferungen, humanitärer und finanzieller Hilfe unterstützt hat – teils bilateral, teils über die EU.
Mit dem Ausblick auf eine mögliche Konfliktlösung stellte Hebestreit zudem klar, dass auch der Wiederaufbau der Ukraine sowie Fragen der künftigen europäischen Sicherheitsarchitektur zu berücksichtigen seien. All dies werde sicher nicht zum Nulltarif zu haben sein, jedoch immer auch im Kontext aller Beteiligten zu sehen sein.
Keine konkrete Zahl von Ministerin
Die Ministerin habe lediglich deutlich gemacht, dass die Gewährleistung von Frieden und Sicherheit in Europa eine enorme gemeinsame Kraftanstrengung bedeute. Dies betreffe militärische Kapazitäten, die industrielle Basis sowie die weitere Unterstützung der Ukraine. Europa habe mit den Corona-Hilfen gezeigt, dass es zu Großem fähig sei. Um Dimensionen dieser Größenordnung werde es wohl auch bei der Sicherheit gehen.
Der CDU-Außenpolitiker Thorsten Frei äußerte sich auf Abgeordnetenwatch skeptisch zu den kolportierten Summen. An den bisherigen Planungen seien CDU und CSU in keiner Weise beteiligt, da dies allein in der Kompetenz der Bundesregierung liege. Dass die Ampel-Koalition eine solch weitreichende Entscheidung nicht kurz vor der Bundestagswahl treffe, liege auf der Hand.
Reaktionen aus der CDU
Frei könne sich "beim besten Willen" nicht vorstellen, dass ein 700-Milliarden-Euro-Hilfspaket im Raum stehe. Dies würde alle bisherigen Zusagen in den Schatten stellen. Deutschland habe in drei Kriegsjahren etwa 44 Milliarden Euro beigetragen. Wo es Bewegung in Richtung möglicher Friedensverhandlungen gebe, halte er die Freisetzung so hoher Summen für unvorstellbar.
Der CDU-Politiker vermutet vielmehr, dass ein Paket geschnürt werden solle, um Versäumnisse bei der Verteidigungsbereitschaft in den EU-Staaten auszugleichen und die sicherheitspolitische Emanzipation Europas in der Nato voranzutreiben. Eine unionsgeführte Bundesregierung werde auf effiziente und sparsame Verwendung der Steuermittel für diese Ziele drängen.
Verfehlte Kommunikation und mediale Zuspitzung
Der Fall ist ein weiteres Beispiel verfehlter politischer Kommunikation seitens der Außenministerin. Mehrfach hatte Baerbock in den vergangenen Jahren – vorwiegend im Kontext der Ukrainekrise – für Irritationen gesorgt. Als sie sagte, die Ukraine befindet sich im Krieg mit Russland, oder als sie auf einer Pressekonferenz salopp feststellte, Deutschland sei bereit, für einen Sieg der Ukraine einen hohen Preis zu zahlen.
Während die Berliner Zeitung die Rechnungen zurückhaltend und nachvollziehbar aufschlüsselt und Vergleiche mit ähnlichen Fonds anstellt, gingen andere Medien weniger zimperlich vor. Die linksgerichteten Nachdenkseiten und die rechtskonservative Weltwoche titelten schon mit 700 Milliarden in der Überschrift – eine Zahl, die weder Baerbock genannt, noch die Berliner Zeitung explizit geschrieben hatte.
Baerbock und die Friedens- und Konfliktforschung
Tatsächlich aber hat sich Baerbock wiederholt für eine entschlossene Unterstützung der Ukraine und eine harte Haltung gegenüber Russland ausgesprochen. Ihre Aussagen warfen dabei immer wieder auch die Frage auf, inwieweit diese Position mit den Erkenntnissen der Friedens- und Konfliktforschung vereinbar ist.
Ein wiederkehrendes Thema in Baerbocks Äußerungen ist die Betonung militärischer Unterstützung für die Ukraine. So erklärte sie: "Wir sind einer der größten Waffenlieferer in dieser Situation. Das ist nichts, was uns stolz macht, sondern das ist das, was wir jetzt tun müssen, um der Ukraine zu helfen." Auch forderte sie konkret mehr Waffenlieferungen: "Ja, wir müssen mehr tun, um die Ukraine zu verteidigen. Ja, wir müssen auch bei Panzern mehr tun."
Die Äußerungen wirken beachtlich, wenn man sie mit einem Plakat Baerbocks zur morgigen Bundestagswahl vergleicht: "In Europa darf nur einer herrschen: der Frieden." Mit Panzer und Waffenlieferung ist es bisher kaum geglückt.
Zudem steht diese Haltung im Widerspruch zu gängigen Erkenntnissen der Friedens- und Konfliktforschung. Es scheint ein erheblicher Unterschied zu bestehen zwischen dem Anspruch der Grünen-Ministerin und der Resultaten ihrer Politik.
Studien zeigen, dass Waffenlieferungen Konflikte oft verlängern und zu mehr Opfern führen, anstatt sie zu beenden. Gleichzeitig besteht die Gefahr einer Eskalation und unkontrollierbaren Ausweitung des Konflikts. Die Behauptung, mehr Waffen in die Ukraine zu liefern, würde eine Eskalation verhindern, ist also von diesem Standpunkt aus nicht haltbar. Eine ausgewogenere Herangehensweise, die diplomatische Bemühungen und zivile Konfliktbearbeitung in den Vordergrund stellt, wäre hier angeraten.
Ablehnung von Verhandlungslösungen
Baerbock – immerhin Deutschlands Chefdiplomatin – hat sich wiederholt skeptisch gegenüber Verhandlungslösungen geäußert, die nicht die volle Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine beinhalten. "Ein Scheinfrieden ohne Konsultation der Ukrainer und Europäer hilft uns nicht, sondern bringt langfristig mehr Instabilität und Leid", erklärte sie. Auch betonte sie, die Unterstützung der Ukraine werde anhalten, "bis Russland aufhört, Menschen zu töten".
Diese kompromisslose Haltung steht also im Widerspruch zu Erkenntnissen der Friedensforschung, die die Notwendigkeit von Verhandlungen und Kompromissen betonen. Häufig sind schrittweise Lösungen und die Berücksichtigung der Interessen aller Konfliktparteien nötig, um einen nachhaltigen Frieden zu erreichen. Eine kategorische Ablehnung von Verhandlungen birgt die Gefahr, Möglichkeiten zur Deeskalation ungenutzt zu lassen.
Mangelnde Berücksichtigung russischer Sicherheitsinteressen
Baerbocks Rhetorik konzentriert sich stark auf die Unterstützung der Ukraine und die Eindämmung Russlands. Dessen Sicherheitsinteressen finden hingegen kaum Berücksichtigung. So forderte sie "robuste und langfristige Sicherheitsgarantien" für die Ukraine, ohne auf mögliche Bedrohungswahrnehmungen auf russischer Seite einzugehen.
Die Friedensforschung mahnt hier zu einem ausgewogeneren Ansatz. Um einen stabilen Frieden zu erreichen, müssen die legitimen Sicherheitsinteressen aller Beteiligten berücksichtigt werden. Dies erfordert die Entwicklung einer inklusiven europäischen Sicherheitsarchitektur, die auch Russland einbezieht. Ein einseitiger Fokus auf Abschreckung und Konfrontation droht hingegen, bestehende Bedrohungswahrnehmungen zu verfestigen.
Notwendigkeit langfristiger Perspektiven
Positiv hervorzuheben ist Baerbocks Betonung langfristiger Perspektiven. Sie betonte die Notwendigkeit einer "dauerhaften Lösung" und "robuster und langfristiger Sicherheitsgarantien". Dies entspricht Erkenntnissen der Friedensforschung, die den langen Atem erfolgreicher Friedensprozesse betonen.
Allerdings sollten langfristige Zielsetzungen mit konkreten Schritten zur Deeskalation und Vertrauensbildung verbunden werden. Gerade in einem festgefahrenen Konflikt wie in der Ukraine sind kontinuierliche Bemühungen nötig, um die Spirale von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen. Dazu gehören auch Anreize für Kooperation und die Schaffung von Dialogräumen.