Guterres' Weckruf: UN brauchen Systemwandel oder werden bedeutungslos

UN-Flagge mit den sich drehenden Pfeilen

UN-Zukunftsgipfel beginnt. Guterres fordert Reformen für globale Herausforderungen. Gelingt der Durchbruch oder droht den Vereinten Nationen das Aus? Ein Appell.

Eine Reform der Vereinten Nationen ist unerlässlich, um die globalen Krisen, den Klimawandel und die Gefahr eines Atomkrieges abzuwenden. Der weltweite Kampf gegen Hunger und Armut benötigt neue Impulse der Mitgliedstaaten. Strukturen müssen reformiert werden, um die Handlungsfähigkeit der Organisation zu verbessern.

Dieser Mammutaufgabe stellt sich der UN-Zukunftsgipfel 2024, der am Sonntag mit einer Rede von UN-Generalsekretär António Guterres eröffnet wurde.

Es folgten Stellungnahmen von Bundeskanzler Olaf Scholz und seinem namibischen Amtskollegen Nangolo Mbumba. Beide Länder hatten den Gipfel unter Federführung der deutschen UN-Botschafterin Antje Leendertse und ihres namibischen Kollegen Neville Gertze vorbereitet.

Ausgangspunkt des Zukunftsgipfels ist die Charta der Vereinten Nationen von 1945, die von allen Unterzeichnerstaaten die friedliche Beilegung von Konflikten fordert. Dieses allgemeine Friedensgebot bedarf der Bekräftigung durch die Mitgliedsstaaten und wird auf dem Zukunftsgipfel besonders hervorgehoben.

Bundeskanzler Olaf Scholz hätte auf dem Gipfel die Chance, gemeinsam mit UN-Generalsekretär António Guterres eine diplomatische Initiative für einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg zu starten. Auf dem Gipfel sind alle wichtigen Staaten vertreten – auch die beiden Kriegsparteien.

Es wäre eine einmalige Chance, diesen dringend notwendigen Weg mit allen diplomatischen Mitteln zu beschreiben. Olaf Scholz könnte Russland auch anbieten, die geplante Stationierung von US-Marschflugkörpern in Deutschland zu stoppen, wenn Russland zu Rüstungskontrollgesprächen bereit ist. Prävention und Diplomatie stehen im Mittelpunkt des UN-Zukunftsgipfels.

Neustart für globale Zusammenarbeit

In seiner Stellungnahme vor Beginn des Gipfels rief António Guterres die Mitgliedsstaaten zu einem Neustart für die globale Zusammenarbeit auf – für die Welt von heute und morgen:

Mit dem Zukunftsgipfel erkennen wir an, dass die Lösungen für all diese Probleme in unseren Händen liegen. Aber wir brauchen einen Systemwandel, wie ihn nur die Staats- und Regierungschefs auf globaler Ebene herbeiführen können. Die internationalen Entscheidungsprozesse stecken in einer Zeitschleife fest. Viele der globalen Institutionen und Instrumente stammen aus den 1940er-Jahren – einer Zeit vor der Globalisierung, vor der Entkolonialisierung, vor der allgemeinen Anerkennung der Menschenrechte und der Gleichberechtigung der Geschlechter, vor dem Vorstoß in den Weltraum, ganz zu schweigen vom Cyberspace.

Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen haben die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs immer noch eine Vormachtstellung, während dem gesamten afrikanischen Kontinent ein ständiger Sitz vorenthalten wird.

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Die Zusammensetzung des Sicherheitsrates spiegele die Machtverhältnisse am Ende des Zweiten Weltkrieges wider. Es sei versäumt worden, die Entscheidungsstrukturen den veränderten weltpolitischen Rahmenbedingungen anzupassen.

Forderung nach ständigem Sitz für Afrika im UN-Sicherheitsrat

"1945 standen die meisten afrikanischen Länder noch unter Kolonialherrschaft und hatten keine Stimme auf internationaler Ebene. Wir können nicht akzeptieren, dass die führende Friedens- und Sicherheitsinstitution der Welt keine ständige Stimme für einen Kontinent mit weit über einer Milliarde Menschen hat … und wir können auch nicht akzeptieren, dass die Ansichten Afrikas in Fragen des Friedens und der Sicherheit auf dem Kontinent und in der Welt unterbewertet werden", so der Generalsekretär.

Es ist zu hoffen, dass der Zukunftsgipfel die Weichen für eine Reform der Vereinten Nationen stellt und ihre Handlungsfähigkeit für Frieden, Nachhaltigkeit und Entwicklung stärkt. Wesentliche Ziele wären:

Reform des UN-Sicherheitsrates mit einer Erhöhung der Zahl der ständigen Mitglieder und einem neuen Abstimmungssystem mit weniger Blockadepotential;

  • die Aufwertung und Stärkung der UN-Generalversammlung
  • Stärkung der Position des Generalsekretärs;
  • Stärkung des Friedensgebots der UN-Charta;
  • Neue Impulse für Rüstungskontrolle und nukleare Abrüstung;
  • Eindämmung des Klimawandels mit dem Ziel der Dekarbonisierung und der Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens;
  • Hunger und Armut bekämpfen und weltweit für gleiche und gerechte Lebenschancen sorgen.

Rolf Bader, geb. 1950, Diplom-Pädagoge, ehem. Offizier der Bundeswehr, ehem. Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte:innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte:innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW).