Klimawandel und Atomwaffen: Wie die Menschheit ihr eigenes Grab schaufelt
UN-Generalsekretär fordert Sofortmaßnahmen. Die Welt steht am Abgrund. Was wir gegen zwei der gefährlichsten Trends unternehmen können.
Der Klimawandel müsse gestoppt und die Abrüstung wieder in den Mittelpunkt der internationalen Agenda gerückt werden. Das Ziel müsse eine Welt ohne Atomwaffen sein, so die mahnenden Worte des UN-Generalsekretärs António Guterres an die Weltstaatengemeinschaft vor der Eröffnung des am 22./23. September 2024 in New York stattfindenden Zukunftsgipfels der Vereinten Nationen.
Ein Anlass, den Zusammenhang zwischen Klimakrise, Rüstung, Militär und Krieg zu thematisieren.
Klimakrise und deren Folgen
Der menschengemachte Klimawandel gefährdet den Fortbestand des Lebens auf unserem Planeten. Die wissenschaftliche Datenlage ist umfänglich und gilt als gesichert.1 Die Erwärmung der Atmosphäre, Wasser- und Nahrungsmangel, Anstieg des Meeresspiegels, Natur- und Hungerkatastrophen und das Artensterben sind die gravierendsten Folgen des weltweiten Klimawandels. Besonders davon betroffen sind Länder aus den Ländern des Südens.
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"Diese Krisen wurden durch jahrzehntelangen schonungslosen, nicht nachhaltigen Konsum und nicht nachhaltige Produktion ausgelöst. Sie verstärken gravierende Ungleichheiten und bedrohen unsere gemeinsame Zukunft", so Inger Andersen, Exekutiv-Direktorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.2
Verantwortlich dafür sind vorwiegend die Industrieländer des Nordens, deren extensive Wirtschafts- und Produktionsweise in Verbindung mit der Externalisierung ihrer Umweltschäden zum Klimawandel beigetragen haben.
Militär, Rüstung und Kriegsfolgen fehlen in der Umweltbilanz
Der Militärisch-Industrielle Komplex und seine Auswirkungen auf das Klima fanden bisher wenig Berücksichtigung.
Kriege und globale Rüstungsausgaben von derzeit über zwei Billionen US-Dollar sind ein Treiber des Klimawandels. Der CO2-Ausstoß des Militärs ist für rund 5,5 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich.
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Zu diesem Ergebnis kommt die von den "Scientists for Global Responsibility" und dem "Conflict and Environmental Observatory" veröffentlichte Studie "Estimating the Military Global Greenhouse Gas Emissions". Konflikte und Kriege bleiben aufgrund unzureichender Daten in der Klimabilanz unberücksichtigt.
Dies bedeutet, dass direkte Auswirkungen der Kriegsführung, wie Brände in Öldepots und Wäldern, Schäden an Infrastrukturen und Ökosystemen sowie Wiederaufbau und Gesundheitsversorgung für Überlebende, überhaupt nicht berücksichtigt wurden. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass es sich bei den ermittelten 5,5 Prozent um eine sehr konservative Schätzung handelt.
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Auf Druck der USA wurden die CO2-Emissionen des Militärs aus den Klimaabkommen des Kyoto-Protokolls von 1997 und dem Pariser Klimaabkommen von 2015 ausgenommen.
Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sollten verpflichtet werden, die Emissionen ihres gesamten Militärbereichs offenzulegen. Diese Forderung richtet die IPPNW an den Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen, der am 22./23. September 2024 in New York stattfinden wird.
Wechselwirkung zwischen Klimawandel, Konflikten und Kriegen
Der Klimawandel befördert Konflikte, die auf Umweltveränderungen zurückzuführen sind. Die fortschreitende Wasserknappheit und der beanspruchte Zugriff auf Quellen, Flüsse und Talsperren führen zu Konflikten, die in Kriege eskalieren können. Dieses Szenario ist besonders in Ländern des Südens sehr realistisch.
"Der Klimawandel verstärkt bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten und andere wirtschaftliche, soziale und politische Risikofaktoren, die sich negativ auf die Fähigkeiten von Gesellschaften und Akteuren auswirken, gewaltsame Konflikte sowohl zu vermeiden als auch sie zu schlichten", so Andrea Steinke vom "Centre for Humanitarian Action" in Berlin.3
Konflikte und Kriege lösen Fluchtbewegungen von Millionen Menschen aus, die in Hunger und Elend zu überleben versuchen. Im Jahr 2022 seien infolge des Klimawandels und daraus resultierender Konflikte bis zu 100 Millionen Menschen vertrieben worden, so die Forscherin.
Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit
Die ungleiche Verteilung von Lebenschancen zwischen Staaten des Südens und des Nordens ist Ursache von Spannungen und gewaltsamen Konflikten. Ungleiche Handelsströme und Protektionismus sind die Indizien einer schwelenden Strukturkrise der heutigen Weltwirtschaft.
Der Abbau des Handelsprotektionismus mit dem Ziel einer auf Gleichwertigkeit und Gerechtigkeit bauenden Wirtschaftsordnung mit den Ländern des Südens wäre dringend notwendig.
Nicht eine Kopie grenzenloser Industrialisierung, sondern eine Entwicklung, die Nachhaltigkeit fördert und im Einklang mit der Umwelt die Industrie und die regionale Landwirtschaft gleichermaßen fördert, ist ein zentrales Ziel des "UN Environment Programmes". Diese Transformation schließt natürlich die Industrieländer des Nordens mit ein.
Weltweite Abrüstung und Gemeinsame Sicherheit
Weltweit besitzen die Atomwaffenstaaten knapp 15.000 Atomwaffen. Es gibt keine Gewähr dafür, dass diese Waffen bei einem Versagen der Abschreckung nicht zum Einsatz kämen. Wir stehen heute in einer politischen Grenzsituation, bei der wir uns keine entscheidenden Fehler mehr leisten dürfen.
Bei einem Versagen kämen Zerstörungspotenziale zum Einsatz, die das Leben auf unserer Erde auslöschen würden. Es stellt sich die berechtigte Frage, wann unsere Gnadenfrist abgelaufen ist.
Der Atomwaffensperrvertrag
Der Vertrag trat 1970 in Kraft und regelt die Nichtverbreitung von Atomwaffen. Gründerstaaten waren die USA, die Sowjetunion und Großbritannien. 1992 kamen China und Frankreich hinzu. Derzeit haben 193 Staaten den Vertrag unterzeichnet.
Die Atomwaffenstaaten Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea (einseitiger Rücktritt 2003) gehören dem Vertrag nicht (mehr) an. Der Vertrag verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, über die vollständige Abschaffung ihrer Atomwaffen zu verhandeln. Im Gegenzug verzichten die Unterzeichnerstaaten, die nicht im Besitz von Atomwaffen sind, auf deren Erwerb.
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Der NPT gilt als einer der wichtigsten Rüstungskontrollverträge. Leider sind die Atomwaffenstaaten ihrer vertraglich vereinbarten Verpflichtung, ihre Atomwaffen abzurüsten, bis heute nicht nachgekommen.
Deshalb wäre es notwendig, den Rüstungskontrollprozess wieder anzustoßen und die Atomwaffenstaaten zur Verhandlungsbereitschaft zu bewegen. Es wäre Aufgabe des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, dies verstärkt initiativ zu befördern.
Der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen (AVV)
Der Vertrag trat am 22.01.2021 in Kraft. Inzwischen haben ihn weltweit 70 Staaten ratifiziert. Der Vertrag untersagt allen Unterzeichnerstaaten, Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen, zu lagern und zu testen. Auch die Weiterverbreitung von Atomtechnologie ist verboten. Die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen schließen sich damit aus.
Der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen weist den Weg zu einer atomwaffenfreien Welt. Biologische Waffen sind seit 1975, chemische Waffen seit 1997 völkerrechtlich verboten. Das gilt nun endlich auch für Atomwaffen.
Der Verbotsvertrag wird in den kommenden Jahren immer mehr an Gewicht gewinnen und weltweit Staaten zur Unterzeichnung veranlassen. Diese Entwicklung wird sich auch nicht über Einflussname der Atomwaffenstaaten aufhalten lassen. Vielmehr wird der Druck auf diese wachsen, endlich die im Atomwaffensperrvertrag eingegangenen Verpflichtungen einzulösen.
Gemeinsame Sicherheit als Chance nutzen
Um die Gefahr eines Atomkriegs zu bannen, bedarf es Strategien, die auf Friedens- und Entspannungspolitik bauen. Der Palme-Bericht zur "Gemeinsamen Sicherheit", der 1982 den Vereinten Nationen vorgelegt wurde, ist in seinen Empfehlungen auch heute noch wegweisend.4 Er forderte damals während des Kalten Krieges die Rückkehr zu Verhandlungen über Rüstungskontrolle und Abrüstung, die auch aktuell wieder auf die Agenda der internationalen Politik gehören.
Weitere Artikel von Rolf Bader:
Rückbesinnung auf Entspannungspolitik und Abrüstung!
Vereinte Nationen am Scheideweg
Auch wenn in der aktuellen Lage die Revitalisierung des Konzepts schwierig erscheint, ist "Gemeinsame Sicherheit" ein Wegweiser in eine Richtung, die nachhaltigen Frieden und Klimagerechtigkeit befördern kann. "Eine Konflikttransformation kann eine sozial-ökologische Transformation unterstützen, um langfristig den von António Guterres vorgeschlagenen 'Frieden mit der Natur' zusammen mit dem 'Frieden unter den Menschen' zu erreichen."5
Rolf Bader, geb. 1950, Diplom-Pädagoge, ehem. Offizier der Bundeswehr, ehem. Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte:innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte:innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW).