EXPO-Schelte für böse Journalisten
Immer noch geht es um die Besucherzahlen und die zu erwartenden Schulden in Milliardenhöhe
Nicht immer erfolgt ein Angriff auf die Berichterstattung der EXPO-Journalisten so plump, wie es die Pressesprecherin Wibke Bruhns in einem vorab veröffentlichten Bunte-Interview macht. Auf den täglichen Pressekonferenzen auf der EXPO werden immer wieder Gäste präsentiert, die scheinbar die einzige Aufgabe zu bewältigen haben, nämlich gute Stimmung zu verbreiten oder die EXPO in den Himmel zu loben.
Es stimmt wirklich, die Stimmung der Besucher erscheint erstklassig. Nur wenige maulen über die Wartezeiten an einigen Pavillons oder an den Kassen der Seilbahnstation. Selbst an den Preisen gibt es kaum noch etwas zu mäkeln, denn eine Bratwurst kann man tatsächlich schon für vier DM erhalten und für das gleiche Geld gibt es manchmal sogar zum Kaffee ein Stück Kuchen. Das Kultur- und Ereignisprogramm auf den Bühnen, in den Pavillons und in den Hallen bietet für jeden Geschmack tägliche Highlights. Kein Wunder, dass die Besucher insgesamt zufrieden nach Hause gehen und viele noch einmal wiederkommen wollen.
Doch es ist nicht die einzige journalistische Aufgabe, täglich von solchen "tollen Programmen" oder "zufriedenen Besuchern" zu berichten. Die Art der Vermittlung und deren Inhalte sind kritisch unter die Lupe zu nehmen. Die Weltausstellung will auch Themen vermitteln. Dabei gilt es gleichermaßen über gelungene thematische Umsetzungen zu berichten sowie über bedenkliche Aussagen der Aussteller. Die Rolle der Welt- und Produktpartner gilt es offen zu legen, um deutlich werden zu lassen, ob hier nicht eher unverhohlen Werbung gemacht wird. Nur über die Verpackung der EXPO zu berichten, würde einen groben Verstoß gegen jegliche journalistische Ethik bedeuten.
Ebenso gilt die kritische Begleitung der EXPO den Finanzen, denn schließlich wurde diese Weltausstellung neuen Typs als die erste EXPO angekündigt, die ohne jeglichen Verlust durchgeführt werden sollte. Die Maßzahl von 40 Millionen Besucher wurde ausgegeben und entsprechend wurde die Region Hannover umgebaut. Ein neues S-Bahn-Netz wurde ebenso angelegt wie eine neue Straßenbahnlinie direkt zum Ost-Gelände der Weltausstellung. Eine Autobahn wurde dreispurig ausgebaut und ein umfangreiches Verkehrslenkungskonzept entwickelt und installiert. Firmen wurden als Sponsoren und als Konzessionsnehmer gesucht und gefunden. Die Region Hannover, aber auch viele andere Gebiete haben sich auf die zu erwartenden EXPO-Gäste eingestellt. Insgesamt hat Niedersachsen von dem Umbau einen strukturellen Gewinn erhalten. Profitiert hat auch das hannoversche Messegelände, denn es wurde fast vollständig modernisiert. Glasfaser wurde verlegt, alte Hallen abgerissen und neue Multifunktionshallen errichtet.
Doch die 40 Millionen Besucher erweisen sich als nicht mehr haltbare Illusion. Welche Faktoren hier wirklich eine Rolle spielen, weiß noch niemand zu beantworten. Zumindest das Schmuddelsommerwetter zeigt seine Wirkung, bei schönem Wetter kommen 20.000 Abendgäste, bei schlechterem nur 8.000. Allein im Juni fehlten 100 Sonnenstunden. Ähnlich geht es jedem Freizeitpark, der das aber meistens wieder ausgleichen kann. Die EXPO jedoch ist nicht als Dauerausstellung konzipiert. Insofern stimmt das Motto der neuen Werbekampagne: "Das gibt's nur einmal, das kommt nicht wieder". Doch selbst wenn sich diese Erkenntnis bei der Bevölkerung durchsetzen sollte, wird das prognostizierte Endergebnis nicht mehr zu erreichen sein.
Finanziell wird die Weltausstellung nicht nur ein Flop, sie wird sich zu einem Milliardengrab entwickeln. Auch für Niedersachsen wird die Weltausstellung noch lange negative Nachwirkungen haben. Zum einen ist das Land nach den bisherigen Verträgen an einem Minus-Ergebnis direkt beteiligt, auf der anderen Seite werden Steuerausfälle noch ein weiteres Loch in die Kassen reißen. Nicht über diese Zahlen zu sprechen, würde ebenfalls journalistische Grundsätze über den Haufen werfen. Niemand vermischt aber die Berichterstattung der EXPO-Wirtschaftszahlen mit dem Stimmungsbild der Besucher.
Dennoch fühlen sich die EXPO-Macher immer wieder falsch verstanden. So wird auch schon einmal der Vorsitzende des "Club of Rome" bemüht, der gleich die Bundesrepublik über den Klee lobt und Hannover für die Zeit der Weltausstellung zur "Hauptstadt der Welt für Zusammenarbeit" erklärt. Der NDR kürt ein Ehepaar als Könige der EXPO und lässt sie ein V.I.P.-Programm genießen, wen wundert dann die Aussage: "Was auf uns zugekommen ist, war königlich, würdevoll und wunderbar. Das Expo-Gelände ist ergreifend schön." Doch auf eine so plumpe Art und Weise ein positives Stimmungsbild in der Medienberichterstattung zu erzielen, darauf ließ sich nicht einmal das EXPO-Journal der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung ein. Die "Könige" wurden dort einfach ignoriert und mit keiner Zeile gewürdigt.
An die Spitze der Medienschelte will sich nun die EXPO-Sprecherin Wibke Bruhns setzen, denn sie greift in einem vorab veröffentlichten Interview in der Bunten unverhohlen die Chefredakteure aus dem Westen und Süden Deutschlands an. Diese würde die EXPO "gern mit Häme" überschütten. "Wir haben wunderbare Pavillons und ein unglaubliches Kulturprogramm. Aber die Leute erfahren nicht genug darüber, weil die Presse ständig nur über die mangelhaften Besucherzahlen berichtet". Im gleichen Magazin betont Frau Breuel auch gleich noch, dass der volkswirtschaftliche Überschuss das Defizit der EXPO bei weitem überschreiten wird.