Eher drei bis vier Grad
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Die Energie- und Klimawochenschau: Vom Atomausstieg, einem sich rasch erwärmenden Deutschland und Grünen, die nicht viel vom "radikalen Klimaschutz" halten
Am kommenden Donnerstag jährt sich zum zehnten Mal die Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima. Ab dem 11. März 2011 war es dort an der Küste nördlich von Tokio gleich in drei von vier Reaktorblöcken in Folge eines gewaltigen Erdbebens und eines von diesem verursachten Tsunami zur Kernschmelze gekommen. Der vierte Reaktor des AKW Fukushima Daiichi blieb vermutlich nur deshalb verschont, weil er zum Zeit des Bebens nicht im Betrieb war.
Aus diesem Anlass gab es am vergangenen Wochenende unter anderem in Berlin und vor dem baden-württembergischen AKW Neckarwestheim Demonstrationen, um an die Katastrophe zu erinnern und an die anhaltenden Gefahren der hiesigen AKW und der mit ihnen verbundenen Atomtransporte zu erinnern.
Der baden-württembergische Atommeiler gilt bei seinen Gegnern als extrem störanfällig, soll aber noch bis Ende 2022 weiterlaufen. Nach Angaben des Senders SWR nahmen 450 bis 500 Menschen an dem sonntäglichen Protest teil.
Demonstration vor dem baden-württembergischen AKW Neckarwestheim
Das Atomkraftwerk im Südwesten wird 2022 eines der letzten sein, das nach dem 2011 erneuerten Ausstiegs aus der Atomkraftnutzung vom Netz geht. Derzeit laufen bundesweit noch sechs Reaktoren.
Bis zum 31. Dezember diesen Jahres müssen die AKW Brokdorf in Schleswig-Holstein, Grohnde in Niedersachsen und Gundremmingen C in Bayern abgeschaltet werden. Ein Jahr später kommt dann das Aus für die letzten drei Reaktoren. Neben Neckarwestheim 2 sind dies das AKW Emsland in Niedersachsen und Ohu 2 in Bayern.
Dieser Ausstieg soll, wie gestern berichtet, den Kraftwerksbetreibern mit 2,4 Milliarden Euro versüßt werden. Darauf hatten sich diese vergangene Woche mit dem Bundeswirtschaftsministerium verständigt. Im Gegenzug stellen die Atomkonzerne alle Klagen vor Schiedsgerichten ein.
Der ehemalige sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber merkt dazu auf Twitter an, dass im Jahr 2000 zwischen der Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) und den Betreibern einst ein Vertrag abgeschlossen wurde, der den entschädigungslosen Ausstieg aus der Atomkraft bis Anfang der 2020er Jahre vorsah.
Der Bundestag hatte diese dann seinerzeit mit den Stimmen von SPD und Grünen in einem Gesetz fixiert, in dessen Formulierung Kelber involviert war. Dieses Gesetz war später 2010 von der schwarz-gelben Bundesregierung aufgehoben worden, nur um wenige Monate später in aller Eile ein neues Ausstiegsgesetz zusammenzuschustern. Der unnötige Vergleich ärgere ihn daher gewaltig, so der Abgeordnete.
Mehr Extremwetter
Beunruhigende Nachrichten kommen derweil vom Deutschen Wetterdienst DWD in Offenbach. Auf seiner diesjährigen Klima-Pressekonferenz spricht er von einem trotz Pandemie ungebremsten Anstieg der Treibhausgasemissionen.
Damit werden wir die im Paris-Abkommen vereinbarte Temperaturerhöhung von deutlich unter zwei Grad (Celsius) über dem vorindustriellen Niveau bis zum Jahr 2100 nicht erreichen. Leider sieht es im Moment sogar nach einem Plus von drei bis vier Grad (Celsius) aus.
Gerhard Adrian, Präsident der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und des DWD
Die globale Jahresmitteltemperatur sei seit Ende des 19. Jahrhunderts bereits um 1,1 und in Deutschland gar um 1,6 Grad Celsius gestiegen. Das vergangene Jahr war weltweit das zweitwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen und die Meereisfläche in der Arktis erreichte im September 2020 nach 2012 ihren zweitniedrigsten Wert.
Wetterextreme würden zunehmen und sich intensivieren. Als Beispiel nannte Adrian die atlantische Hurrikan-Saison 2020 die mit 30 benannten tropischen Stürmen die höchste je beobachtete Zahl aufwies. Ein anderes seien extreme Niederschläge in der afrikanischen Sahelzone, Indien und China, die zum Teil die Fünffache der sonst in den jeweiligen Regionen üblichen Jahresmenge brachten.
Manche Extremereignisse lassen sich inzwischen mit statistischen Methoden dem Klimawandel zuordnen. Atmosphärenmodelle und viel Rechnerleistung machen es heute möglich, das Klima über lange Zeiträume mit und ohne zusätzlichen Treibhausgasen zu simulieren.
Auf diese Art lässt sich errechnen, wie häufig bestimmte Wetterextreme auftreten. So lässt sich zum Beispiel zeigen, dass sich durch den bisherigen Klimawandel die Wahrscheinlichkeit von Ereignissen wie der langanhaltenden Dürre, die 2018 den Nordosten Deutschlands erfasste, schon mindestens verdoppelt hat.
"Alarmierender Hinweis"
Tatsächlich ist die Dürre in den DWD-Aufzeichnungen bisher einzigartig. Das Ergebnis sei ein "ein alarmierender Hinweis zum Beispiel für die Land- und Forstwirtschaft in dieser Region", so der DWD-Vorstand für den Bereich Klima und Umwelt Tobias Fuchs.
Doch Deutschland ist reich und kann sich jederzeit Lebensmittel auf dem Weltmarkt beschaffen, wenn die hiesige Landwirtschaft aufgrund des Klimawandels nicht mehr genug abwerfen sollte. Anderswo ist man weniger glücklich.
2019 waren 690 Millionen Menschen unterernährt, heißt es bei der UN-Agrarorganisation FAO, zehn Millionen mehr als 2018 und 60 Millionen mehr als 2014. Seit 2014 nehme die Zahl der Hungernden zu, und die globale Gemeinschaft sei weit von ihrem Ziel entfernt, bis 2030 den Hunger aus der Welt zu schaffen.
Der Klimawandel kann die Situation nur verschlimmern und daher ist es folgerichtig, wenn UN-Generalsekretär António Guterres ihn zur Chefsache macht.
Am Dienstag vergangener Woche appellierte er erneut an die Regierungen, mehr zu tun. Konkret forderte er, "die tödliche Sucht nach Kohle zu beenden" und alle noch geplanten Kohlekraftwerke aufzugeben. Mit der Nutzung der Kohle im Stromsektor Schluss zu machen, sei "der wichtigste Schritt, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen".