Ein Nachruf auf unsere Welt – kein Witz!

Seite 2: Eine Milliarde Meerestiere durch Hitze ausgelöscht - eine Billionen Dollar für Atomwaffen

Einige europäische Länder haben sich bereits wieder der Kohle zugewandt. Das Militär verbrennt immer mehr fossile Brennstoffe. Die Gaspreise sind weltweit in die Höhe geschnellt. Und die bescheidene Aufmerksamkeit, die der Verbrennung unseres Planeten und der Vorstellung, dass die Großmächte zusammenarbeiten müssen, um etwas dagegen zu unternehmen, gewidmet wurde, erscheint nun wie eine Illusion aus einem vergangenen Universum.

Offensichtlich spielt es keine Rolle, dass eine Kombination aus furchterregenden Monsunen und zunehmender Gletscherschmelze ein Drittel Pakistans in beispielloser Weise überflutet hat; dass Rekordhitze und Dürre im letzten Sommer in weiten Teilen der nördlichen Hemisphäre zu verzeichnen gewesen sind; dass der Hurrikan Ian vor kurzem Teile Floridas in einer Weise verwüstet hat, die eigentlich nur alle 500 Jahre zu beobachten ist, aber angesichts der Entwicklung, in der wir uns befinden, nun regelmäßig stattfinden wird; dass eine Mainstream-Website wie Politico die USA als "Vereinigte Staaten von Megadürren" bezeichnen kann; oder dass die Flüsse vom Jangtse bis zum Mississippi in historischer Weise austrocknen.

Schlimmer noch, das ist nur der Anfang einer an sich viel längeren Liste von Klimaschrecken. Und fast hätte ich vergessen zu erwähnen, dass die Giganten für fossile Brennstoffe weiterhin auf einem anderen Planeten leben als der Rest von uns. Nennen wir es den Profit-Himmel.

Um auf das Thema Nachrufe zurückzukommen, hätten Sie natürlich auch einen für die rund eine Milliarde Meerestiere schreiben können, die im letzten Sommer dank einer Rekordhitzewelle an der kanadischen Pazifikküste gestorben sind, oder einen, der sich auf den jüngsten Bericht stützt, dass die Population der Süßwasserarten auf diesem Planeten seit 1970 um erschreckende 83 Prozent zurückgegangen ist.

Wenn Sie gerade in der Stimmung sind, einen Nachruf zu schreiben und an die Verstorbenen denken, dann vergessen Sie nicht den Kaiserpinguin. Nach Angaben des U.S. Fish and Wildlife Service ist diese klassische Spezies bis zum Ende dieses Jahrhunderts vom Aussterben bedroht, da das Meereis, das sie für ihre Existenz auf einem sich schnell erwärmenden Planeten benötigt, immer weiter abnimmt.

Also, gebt Putin seine verdiente Anerkennung. Sein Einmarsch in die Ukraine hat die Aufmerksamkeit der Welt auf die andere Möglichkeit gelenkt, die wir uns ausgedacht haben, um uns selbst zu vernichten: die Atomwaffen. Er hat dazu beigetragen, dass wir uns zum (bisher) ungünstigsten Zeitpunkt vom Klimawandel abwenden, während der Krieg den Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre erhöht. Gut gemacht, Herr Präsident!

Es wird Sie sicher auch nicht überraschen, dass einem Bericht der Vereinten Nationen zufolge von den 193 Nationen, die sich 2021 zu verstärkten Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel verpflichtet haben, bisher nur 26 dieser Verpflichtung nachgekommen sind (und selbst von diesen haben sich einige alles andere als beeindruckend verhalten).

Mit anderen Worten: Unsere Zukunft – sollten wir jemals dort ankommen – wird brennend heiß sein. Die Erde wird sich bis zum Ende des Jahrhunderts nicht mehr nur um die 1,5 Grad Celsius erwärmen – eine Limit, das im Pariser Klimaabkommen von 2015 als Höchsttemperatur festgelegt wurde –, sondern um bis zu 2,9 Grad.

Schon vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs haben die Mächtigen viel zu wenig darauf geachtet, wie wir uns (und so viele andere Arten) durch die Überhitzung des Planeten zugrunde richten. Dazu kommt, dass die Großmächte des alten Kalten Krieges schon länger dabei sind, ihre Atomwaffenarsenale zu "modernisieren" – in den Vereinigten Staaten mit Investitionen von mehr als einer Billion Dollar in den kommenden Jahrzehnten.

Darin enthalten sind 100 Milliarden Dollar für die Entwicklung einer Interkontinentalrakete der "nächsten Generation", die den Namen LGM-35A Sentinel trägt, offensichtlich, weil sie der Hölle auf Erden als Wächter beistehen soll. In der Zwischenzeit holt China als die aufstrebende Macht auf dem Planeten schnell auf. Da in Europa ein Krieg stattfindet, scheinen "schmutzige Bomben" und weitaus Schlimmeres wieder auf dem Spielfeld der Geschichte einsetzbar.

Und hier liegt, so vermute ich, das Merkwürdigste von allem. Wir wissen, dass wir durchaus in der Lage sind, etwas zu tun, was die Menschheit einst den Göttern überließ – eine wirklich apokalyptische Zukunft auf diesem Planeten zu schaffen. Mit unseren Waffen sind wir bereits in der Lage, einen "nuklearen Winter" herbeizuführen (in dem bis zu fünf Milliarden von uns verhungern könnten) oder mit Treibhausgasen diesen Planeten langfristig zu kochen – um einen neuen Ausdruck zu prägen: einen durch den Klimawandel verursachten nuklearen Sommer.

Und das – denken Sie nicht auch? – sollte doch bereits eine bahnbrechende Information sein.

Sicherlich gibt es heute die Greta Thunbergs dieser Welt, wenn es um den Klimawandel geht. Aber es sind keine nennenswerten Äquivalente zu ihr oder Bewegungen wie 350.org und der Sunrise-Bewegung vorhanden in Bezug auf Atomwaffen. Was noch schlimmer ist: Trotz der wachsenden grünen Bewegung scheint die Tatsache, dass wir bereits dabei sind, die Erde zu einem zunehmend unbewohnbaren Ort zu machen, viele derjenigen, die in der Lage sind, die Dinge zu lenken, sei es auf nationaler oder auf Unternehmensebene, nicht zu beunruhigen. Das sollte uns alle verblüffen.

Ein ultimativer Nachruf?

Wir sollten der Menschheit Anerkennung zollen. Wenn es um unseren Drang zur Zerstörung geht, scheinen wir keine Grenzen zu kennen, nicht einmal die unserer eigenen Existenz. Wenn man wirklich den Wunsch hätte, einen gemeinsamen Nachruf auf uns zu verfassen, könnte man in der Tat mit dem Einmarsch in die Ukraine beginnen, zu einem Zeitpunkt, als der Planet bereits zu brodeln begann.

Mal ehrlich, haben Sie nicht auch Lust, einen Nachruf zu schreiben, nicht nur für sich selbst, sondern für alle "Vor-Toten" auf einem Planeten, auf dem der Gedanke an Massenmord in Zukunft eine neue Bedeutung bekommen könnte?

Wenn Sie den Wahnsinn der Gegenwart ermessen wollen, stellen Sie sich Folgendes vor: Es ist durchaus möglich, dass eine politische Partei, die größtenteils von diesem obersten Narzissten, Donald Trump, dem Ego-Mann der Geschichte, übernommen wurde, 2024 erneut die Präsidentschaft gewinnen könnte. In Anbetracht der Tatsache, dass die USA einer der beiden führenden Treibhausgasemittenten der Welt sind, würde das natürlich dazu beitragen, dass die Zukunft der Menschheit weiter von fossilen Brennstoffen bestimmt wird.

Donald könnte – wie seine autoritären Mitstreiter anderswo – der ultimative Gott sein, wenn es um unsere zukünftige Zerstörung geht, ganz zu schweigen von der Zukunft so vieler anderer Lebewesen auf diesem Planeten. Stellen Sie sich vor, dass er und seine Leute möglicherweise der buchstäbliche Außenposten der (Un-)Zivilisation sind.

Nach all diesen Tausenden von Jahren – eine lange Zeit für uns, aber nicht für den Planeten Erde – stellt sich die Frage: Sollten wir alternden Typen nicht endlich damit beginnen, nicht nur über unsere eigenen Nachrufe nachzudenken ("Er wurde am 20. Juli 1944 in New York City geboren, auf einem Planeten, der von Krieg gekennzeichnet war ...."), sondern auch über die der Menschheit? ("Geboren in einer Höhle zusammen mit Neandertaler- und Denisova-Cousins ...")

Natürlich endet alles, aber es muss nicht auf diese Weise enden. Ja, mein Nachruf ist eine Selbstverständlichkeit, aber der für die Menschheit sollte es deutlich weniger sein. Ob sich das bewahrheitet oder nicht, hängt von uns ab. Bei all dem stellt sich die Frage: Wer wird das letzte Wort haben?

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium TomDispatch. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.

Tom Engelhardt ist Gründer und Betreiber der Website TomDispatch.com. Er ist außerdem Mitbegründer des American Empire Project und Autor einer viel beachteten Geschichte des amerikanischen Triumphalismus im Kalten Krieg, "The End of Victory Culture". Er ist Mitglied des Type Media Center und hat sein sechstes und neuestes Buch veröffentlicht: "A Nation Unmade by War".

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