Eklat beim G20-Treffen: Russland wirft Westen "Erpressung" vor
Die Finanzminister konnten sich nicht auf eine gemeinsame Abschlusserklärung einigen. Blockdenken behindert die Lösung globaler Probleme. Das sind die Streitpunkte.
Der Krieg in der Ukraine hat die internationale Politik verändert: Es ist nicht mehr von der Hand zu weisen, dass sich entgegengesetzte Blöcke herausgebildet haben. Und ihr Wirken macht die Arbeit von internationalen Organisationen schwieriger und behindert das Lösen von globalen Problemen.
In der indischen Stadt Bangalore trafen sich die Finanzminister und Notenbankchefs der größten Industrie- und Schwellenländer (G20). Am Samstag endete das Treffen – ohne eine gemeinsame Abschlusserklärung. Ein Grund dafür war die Bewertung des Krieges in der Ukraine. In westlichen Medien wurde sofort erklärt, Russland und China hätten die Verabschiedung des Kommuniqués blockiert.
Die indische Regierung, die den G20-Vorsitz innehat, wollte den Krieg in der Ukraine nicht zum Hauptthema der Tagung machen. Laut Nachrichtenagentur Asian News International (ANI) rief Premierminister Narendra Modi die Mitglieder des Treffens auf, ihre Diskussionen auf die weltweit schwächsten Bürger zu konzentrieren.
Nur durch eine integrative Agenda könnte die globale Wirtschaftsführung das Vertrauen der Welt zurückgewinnen, sagte Modi. Er stellte fest, dass sich die Fortschritte bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung zu verlangsamen scheinen. Er betonte zudem die Notwendigkeit, die multilateralen Entwicklungsbanken zu stärken, um globale Herausforderungen wie den Klimawandel und die hohe Verschuldung zu bewältigen.
Dass das Treffen im Eklat endete, lag auch daran, dass die westlichen Staaten die Ukraine auf die Tagesordnung setzte und in den Mittelpunkt der Gespräche rückte. US-Finanzministerin Janet Yellen etwa hatte gegenüber Reuters betont, dass es "absolut notwendig" sei, Russland in einer Erklärung zu verurteilen.
Die Nachrichtenagentur Impact Financial News berichtete von Yellens Konfrontationskurs gegenüber den Russen. Bei dem zweitägigen Treffen soll sie russische Beamte beschuldigt haben, an Kriegsgräueln "mitschuldig" zu sein. Außerdem rief sie die anderen Staaten auf, ihre Anstrengungen zur Unterstützung der Ukraine zu verdoppeln und Russlands Fähigkeit, Krieg zu führen, einzuschränken.
Vertreter der G7-Staaten gaben demnach in Bangalore Einzelheiten zu neuen Sanktionen bekannt. Sie richten sich nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen "Akteure aus Drittländern" in Europa, Asien und dem Nahen Osten.
Neben Ukraine-Krieg kam es zu einem weiteren Konflikt
Die Lösung globaler Probleme wurde einmal zu einem Randthema gemacht. Der britische Finanzminister Jeremy Hunt erklärte lakonisch gegenüber Reportern, dass die Konzentration auf die Ukraine nicht bedeute, andere Themen zu vernachlässigen.
Die russische Reaktion auf das Bemühen der westlichen Staaten ließ nicht lange auf sich warten. Am Samstag beschuldigten Vertreter Russlands den Westen, die Arbeit der G20-Runde zu untergraben, indem eine gemeinsame Erklärung zur Ukraine durchgedrückt werden soll.
"Wir bedauern, dass die Aktivitäten der G20 weiterhin durch das westliche Kollektiv destabilisiert und in einer antirussischen Art und Weise benutzt werden", erklärte das russische Außenministerium nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP.
Moskau warf den USA, der Europäischen Union und den G7-Staaten demnach vor, "die Verabschiedung kollektiver Entscheidungen gestört" zu haben, indem sie versucht hätten, ihr "Diktat" mit "offensichtlicher Erpressung" durchzusetzen.
Ihr Ziel sei es gewesen, ihre Interpretation des Ukraine-Konflikts in der gemeinsamen Erklärung durch Lobbyarbeit und "Ultimaten" durchzusetzen, heißt es in der Erklärung des Ministeriums weiter. Der Westen wird darin aufgefordert, "seine destruktive Politik so schnell wie möglich aufzugeben und die objektiven Realitäten einer multipolaren Welt anzuerkennen".
Außerdem betonte das russische Außenministerium, dass die G20 ein Wirtschaftsforum bleiben müsse und sich nicht in die Sicherheitssphäre einmischen dürfe.
Zwischen China und den westlichen Staaten kam es auch aus einem anderen Grund zum Streit. Am Rande des G20-Gipfels fand auch ein Treffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit der Weltbank, China, Indien, Saudi-Arabien und den G7-Staaten statt. Thema dieses Treffens war die Umstrukturierung der Schulden armer Staaten.
Der IWF teilte laut AFP im Vorfeld des Treffens mit, dass rund 15 Prozent der Länder mit niedrigem Einkommen in Schuldennot geraten seien und bei weiteren 45 Prozent ein hohes Risiko bestehe.
Angesichts dessen forderten westliche Beamte, darunter Janet Yellen, Peking auf, bei seinen Krediten an verschuldete Länder wie Sambia und Sri Lanka "Abstriche" zu machen. China gilt als der größte bilaterale Gläubiger der Welt.
Die chinesische Regierung möchte allerdings, dass auch multilaterale Kreditgeber wie die Weltbank ihren Teil zur Entschuldung beitragen. Die USA und andere Staaten lehnten den chinesischen Vorstoß allerdings ab. Aus Sicht von Peking ist das nicht verwunderlich, wähnt es doch die Weltbank als westlich kontrolliert.
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