Elon Musks ultimative KI: "Wir überleben, weil wir die Guten sind"

Bild: Debbie Rowe, The Royal Society / CC BY-SA 3.0

Projekt xAI soll antiwoke sein und das Universum fundamental verstehen. Da diese KI der Wahrheit verpflichtet sei, könne sie nicht bösartig sein. Das ist doch mal ein hoher Anspruch.

Geht es um KI (Künstliche Intelligenz), geraten eine Menge Leute außer Rand und Band: der Lehrbetrieb von Schulen bis zu Universitäten, Diskussionsrunden in den Medien, die Redaktionen, die Produktionsstäten, die Wertschöpfer und deren Kettenmitglieder. Da darf der reichste Mann der Welt mit seinem Innovationsgenius nicht fehlen.

Elon Musk hat nun sein eigenes KI-Projekt xAI vorgestellt. Die Leitung des Unternehmens, wofür er namhafte Wissenschaftler gewinnen konnte, übernimmt er selbst (heise.de).

Angekündigt war dies schon länger. Musk war Mitgründer des ChatGPT-Entwicklers Open AI, stieg aber aus, um eigenen Plänen zu folgen. Diese müssen angesichts der Konkurrenz, besonders dem viralen Erfolg von ChatGPT, selbstverständlich eine über alles andere hinausgehende Kurve beschreiten. Nach dem klassischen US-amerikanischen Sprudel-Brause-Rezept: "Hier ist das echte Ding" ("the real thing") und "Hier geht es weiter" ("more to come"):

Das Ziel von xAI ist es, die wahre Natur des Universums zu verstehen.

Elon Musk

Musk nennt sein Start-up xAI, nachdem er bereits Twitter in "X" umbenannt und X, the everything app", die App für alles, angekündigt hatte. X findet der Milliardär offenbar gut, schließlich heißt auch sein Raumfahrt- und Satellitenkommunikationsunternehmen SpaceX.

Genaueres ist von xAI nicht bekannt – sieht man mal davon ab, dass das Unternehmen antritt, um, wie zitiert, die ganz große Wirklichkeit zu verstehen: "to understand reality".

Das ist doch einmal ein hoher Anspruch, der so tut, als ginge es um Philosophie und Grundlagenwissenschaft und nicht ums Geschäft. Das wollte er noch einmal bestätigen, wenn er in einem Tweet fragt: "What are the most fundamental unanswered questions? Welche Fragen sind fundamental wichtig, aber unbeantwortet?"

Zur Ankündigung von xAI hieß es auch, man wolle "das wirkliche Wesen des Universums" erkennen oder schlicht "das Universum" oder "die Realität" verstehen, auch "das Leben, die Realität und alles".

Das wird sicher nicht dadurch geschehen, der KI mit den Twitter-Inhalten zu füttern. Wie soll ein KI-Programm das Universum verstehen, in dem es selbst ein Teil ist? An welchen Daten soll es mehr erkennen, als die schon jetzt Computer gestützten Wissenschaften tun?

Die richtigen Fragen

Musk setzen offenkundig darauf, dass es darauf ankommt, die richtigen Fragen zu stellen. Dabei bezieht er sich interessanterweise nicht auf Wissenschaftler oder Philosophen, sondern auf einen Science-Fiction-Autor:

Wenn man erst einmal weiß, welche Frage man stellen muss, ist die Antwort oft der einfache Teil, wie mein Held Douglas Adams sagen würde.

Das ist bezeichnend. Adams ist zwar vor allem mit "Per Anhalter durch die Galaxis" ein bekannter Autor, aber ohne wissenschaftlichen Hintergrund. Davon unbelastet schrieb Adams von einem Planetenarchitekten, der mit seinem Computer "Deep Thought" die "ultimative Frage des Lebens, des Universums und des ganzen Rests" 7,5 Millionen Jahre lang berechnen ließ und auf die Zahl 42 kam.

Weitere Versuche, einen noch besseren Computer zu bauen, der sich als Erde herausstellte, scheiterten daran, die "ultimative Frage" herauszubekommen. Musk stellt heraus, dass das Datum der Ankündigung der Gründung von xAI – der 12.07.2023 – die Quersumme 42 ergibt. Lebt Musk also in der Science-Fiction-Welt, oder spielt er ironisch mit solchen Referenzen?

Klar ist, dass Musk anscheinend vorhat, mit seiner KI die halluzinierenden, schwindelnden, betrügerischen oder fehlerhaften Konkurrenten wie ChatGPT zu übertreffen. ChatGPT ist für ihn ohnehin "woke", es verfälscht die Wirklichkeit im Sinne der politischen Korrektheit. ChatGPT werde trainiert zu lügen, sagt er. Tatsächlich wird fieberhaft versucht, nicht erwünschte Äußerungen zu unterbinden.

Wobei man sich natürlich fragen kann, ob etwa Rassismus, Hass oder Diskriminierung "wahr" sind.

Wirklich ist Rassismus natürlich, weil es ihn gibt, aber er wird in den meisten Gesellschaftsschichten moralisch verpönt. Soll also die Moral die ungemütliche Wahrheit verdecken? Die KI, von der Musk träumt, soll hingegen eine "maximal wahrheitssuchende KI" sein (siehe dazu das Gespräch mit Tucker Carlson auf Fox News), ein "TruthGPT", wie immer das auch aussehen soll.

Interessant ist der Gedanke, der an Philosophenträume erinnert, dass eine KI, die die letzten Fragen und das Universum versteht, nicht böse sein kann.

Wahrheit und das Gute gehen zusammen

Während also die anderen KI-Protagonisten sich derzeit darin gefallen, von den möglichen Gefahren der immer schlauer werdenden Künstlichen Intelligenz zu warnen, meint Musk, dass eine nach Wahrheit suchende und die Wirklichkeit verstehende KI für den Menschen keine Gefahr darstellen könne. Wahrheit und das Gute gehen zusammen.

Aber Musks Gedanken sind kraus, sie folgen vor allem der Aufmerksamkeitsökonomie. So glaubt er, dass eine KI, die das Universum verstehen will, wahrscheinlich die Menschen nicht auslöschen werde, "weil wir ein interessanter Teil des Universums" sind.

Die Begründung dazu ist wirklich schräg: Wir würden ja auch die Schimpansen schützen wollen, obwohl wir sie leicht jagen und töten können. Als ob das Menschen nicht getan haben und weiter tun, und als ob Musks Firma Neuralink nicht Affen als Versuchstiere für Gehirnimplantate verwenden würde.

Falls Musk sein Start-up in der Tat auf Wahrheitssuche trimmen will, fragt sich natürlich schon, wie die KI Wahrheit feststellen soll, also wie sie Aussagen mit der wie immer auch festgestellten oder gemessenen Wirklichkeit verbindet. Für Philosophen wäre das ein überaus interessantes Experiment.

Ob das allerdings Einkünfte erzielt, ist eine andere Frage. KI soll nützliche und verwertbare Antworten und Problemlösungen anbieten. Das Universum zu verstehen oder metaphysische Fragen zu lösen, dürfte bestenfalls eine Werbung für pragmatische Angebote sein. Und der Stellenwert dürfte dem Stellenwert der Philosophie gegenüber dem der Mint-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) an den Universitäten und in der Wirtschaft gleichen.

Musik könnte es sich natürlich leisten, ein paar Milliarden US-Dollar in eine philosophische KI zu investieren, die den letzten Fragen nachgehen soll, aber das ist nicht zu erwarten, weil damit kein Return on Investment erzielt werden kann.

Der leicht veränderte Beitrag erschien zuerst beim Overton-Magazin.