Emirate: Blendende Geschäfte mit den Russland-Sanktionen

Polizei in Dubai. Bild: Peter Dowley/ CC BY 2.0

Trotz massivem Druck aus den USA und der EU bleiben die Vereinigten Arabischen Emirate bei ihrer Neutralität. Der Handel mit Russland hat sich sogar vergrößert – ein Lehrstück über den begrenzten Einfluss der westlichen Außenpolitik.

Beeindruckend, edel, funkelnd wirken die Skylines der großen Städte der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Hierhin fliegt man in den Urlaub, um Geschäfte zu machen und auch: Um über diese Orte zu staunen, an denen alles ein größer, neuer, funkelnder ist als anderswo.

Kaum jemand, der an den natürlich auch sehr neuen, sehr großen, sehr funkelnden Flughäfen in Dubai oder Abu Dhabi aus dem Flieger steigt, würde vermuten, dass sich dieses künstliche Gebilde aus sieben Emiraten am Persischen Golf im Fokus der Weltpolitik befindet und noch weit mehr als das: selbst Weltpolitik macht.

Sanktionsverweigerer

Was, natürlich wie so gut wie alles in diesen Tagen, mit Russland zusammenhängt. Nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine wurden von den meisten westlichen Regierungen Sanktionen gegen Russland verhängt und in den Medien schon der kurz bevorstehende Zusammenbruch der russischen Wirtschaft ausgerufen. Doch der blieb aus, und das auch weil ein sehr großer Teil der restlichen Welt nicht mitmacht.

Unter den Sanktionsverweigerern befinden sich nicht nur Länder wie China, von denen man es von Anfang an erwartet hatte, sondern auch Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate, deren Regierung sich seit der Präsidentschaft von Donald Trump enge Beziehungen zu Washington aufgebaut hat.

Die Handschrift der westlichen Elite-Universitäten

Diese gingen bis hin zu dem Punkt, an dem ein Großteil der US-amerikanischen Nahostpolitik die Handschrift der an westlichen Elite-Universitäten in Großbritannien und den USA ausgebildeten Diplomaten im Außenministerium der VAE trug, und die sieben Emirate und ihre Führung einen integralen Bestandteil in der US-Strategie gegen das iranische Atomprogramm und gegen den arabisch-israelischen Konflikt bildeten.

Als Trump einen außenpolitischen Erfolg brauchte, unterzeichnete man kurzerhand zusammen mit Bahrain einen "Friedensvertrag" mit Israel – die Anführungszeichen deshalb, weil sich beide Länder nie im Krieg miteinander befanden, sich gegenseitig auch nie den Krieg erklärt hatten und Israel schon seit Jahren in den VAE eine diplomatische Präsenz unterhielt, die offiziell bei der in Abu Dhabi ansässigen Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) angesiedelt ist und, wie man im israelischen Außenministerium damals stets betonte, "natürlich absolut gar nichts mit bilateralen Beziehungen zu tun" hatte.

Neue Heimat für viele russische Staatsbürger

Doch seit in der Ukraine Krieg herrscht, Sanktionen verhängt wurden, hat sich das Klima zwischen den VAE und den USA deutlich abgekühlt. Denn die Emirate beteiligen sich nicht nur nicht an den Sanktionen, sondern sind auch zur neuen Heimat für eine große Zahl von russischen Staatsbürgern geworden – und für deren Geld.

Nach Angaben des Innenministeriums in Abu Dhabi habe sich die Zahl der Anträge auf Aufenthaltserlaubnis von russischen Staatsbürgern in den vergangenen zwölf Monaten verdreifacht. Auch die Zahl der russischen Unternehmen, die in den Emiraten eine Präsenz gründen, ist stark gestiegen.

Darunter befinden sich Personen und Unternehmen, die einfach nur nichts mit dem Krieg und der russischen Regierung zu tun haben wollen, wie der Eigentümer eines Softwareunternehmens, der seinen Namen nicht öffentlich genannt haben möchte:

Ich will mein Leben leben und nicht in diesen Krieg hinein gezogen werden. Ich habe natürlich mitbekommen, wie man jetzt in Europa von Leuten mit russischen Namen verlangt, dass sie erstmal erklären, ob sie für oder gegen Putin sind. Das ist hier anders. Deshalb sind so viele von uns hier.

Doch in den Emiraten haben auch Personen eine neue Heimat gefunden, die nun im Westen auf der Sanktionsliste stehen.

Handel mit Russland vergrößert

Vor allem aber ärgert aber die US-Regierung und die Europäische Union, dass auch der Handel mit Russland im Jahr 2022 stark gestiegen ist, und dass sich unter den Exporten auch Güter befinden, die für Rüstung verwendet werden können.

Zudem unternimmt man nichts, um die Energiekrise in Europa zu lindern. Seit Mai vergangenen Jahres werden immer wieder hochrangig besetzte Delegationen entsandt, die Präsident Muhammad bin Zayid al Nahyan mal mehr, mal weniger diplomatisch auf Kurs bringen sollen – bislang vergeblich.

Im Frühjahr 2022 verweigerte man zusammen mit anderen OPEC-Staaten die Erhöhung der Ölfördermengen und auch gegen den freien Geldfluss unternimmt man bislang nichts.

Stattdessen betont die Regierung, dass man nicht näher erläuterte "Mechanismen" am Start habe, die den Handel mit sanktionierten Personen und Unternehmen unterbinden sollen. Der Umfang der diplomatischen Aktivitäten und die ständigen Verweise des US-Außenministeriums auf die "fortdauernden Gespräche" lassen aber darauf schließen, dass man im Westen mit den Bemühungen in den VAE absolut nicht zufrieden ist.

Dass das so ist, liegt vor allem daran, dass sich die westlichen Interessen sehr oft nicht mit den Bedürfnissen von allen anderen decken, oder diesen sogar widersprechen. Die sieben Emirate, die heute die VAE bilden, wurden erst 1971 von Großbritannien unabhängig; der Staatenbund entstand in den auf die Unabhängigkeit folgenden Jahren.

Durch die reichhaltigen Rohstoffreserven folgte ein schneller wirtschaftlicher Aufstieg, wobei man sich in Politik und Verwaltung aber auch der strukturellen Probleme im Land sehr wohl bewusst ist: eine nationale Identität, wie man sie in Europa gewohnt ist, ist bis heute nicht entstanden.

Warum die Emirate nicht völlig an der Seite des Westens stehen

Stattdessen sind die Staatsbürger, wie in anderen Golfstaaten auch, stark in der Unterzahl: Nach Angaben der Regierung hatten die VAE im Jahr 2020 um die 9,2 Millionen Einwohner; davon waren nur rund 11 Prozent Staatsbürger. Ungefähr 40 Prozent der Bevölkerung seien indische und pakistanische Staatsangehörige.

Dies hat aber auch substanzielle Auswirkungen auf den Staatshaushalt und damit die Möglichkeiten, staatliche Leistungen bereitzustellen. Denn ein erheblicher Teil des in den VAE erwirtschafteten Geldes wird von den ausländischen Gastarbeitern in ihre Heimatländer überwiesen; Maßnahmen, diese Strukturen zu verändern, entfalten, falls überhaupt, nur langsam Wirkung.

Dies stellt aber die Führung der VAE vor ein weiteres Problem: Die einzelnen Emirate sind, wie in anderen Golfstaaten auch, Erbmonarchien; den Präsidenten der Förderation stellt traditionell Abu Dhabi. Doch da ein Großteil der Bevölkerung aus anderen Teilen der Welt stammt und auf das Konzept einer Erbmonarchie nicht eingestellt ist, besteht immer die Gefahr, dass sich die Gesellschaft von der Führung entfremdet, sich gar gegen sie auflehnt, wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen.

Und so steht immer auch die Befürchtung im Raume, dass die Beteiligung an Sanktionen gegen Russland oder andere Staaten, die eine Stellschraube sein könnte, die das Gefüge in eine Schieflage bringt.

Dass man sich nicht vollständig auf die Seite des Westens stellt, auch wenn Regierungspolitiker und Diplomaten immer wieder die enge Partnerschaft betonen, hat aber auch den Grund, dass man Abhängigkeit vermeiden will, wie man sie im Nahen Osten in den vergangenen Jahrzehnten in vielen anderen arabischen Staaten beobachten konnte.

Geschäfte mit Rohstoffen

Man sieht sich als Rohstofflieferant, der zunehmend zum weltweiten Handelszentrum wird, für alle, auch für China, Russland, Indien. In Hintergrundgesprächen wird dabei auch stets deutlich, dass man dabei nicht so recht daran glaubt, dass die USA und die Staaten der Europäischen Union in Zukunft politisch und wirtschaftlich eine dominante Rolle spielen werden.

Die Vereinigten Arabischen Emirate sind damit auch ein Lehrstück dafür, wie begrenzt der Einfluss der US-amerikanischen und europäischen Außenpolitik heute tatsächlich ist: Man kann gut zureden, nett oder weniger nett bitten, aber was will man sonst machen?

Die Gräuel des Krieges in der Ukraine haben in Ländern wie den VAE kaum eine Bedeutung für die dortige Politik; sie bringt schon kaum Empathie für die Bevölkerung im Jemen auf.

Selbstverständlich könnten die US-Behörden hingehen, und gegen Unternehmen, die beispielsweise in den VAE Sanktionen nach amerikanischem Recht verletzen, die entsprechenden Mechanismen in Gang setzen.

Doch das würde an anderer Stelle Löcher aufreißen: zum Beispiel in der Iran-Frage, im israelisch-palästinensischen Konflikt, im Jemen, in Libyen. In all’ diesen Ländern spielen die VAE heute eine politische, und im Jemen und in Libyen auch eine militärische Rolle.

Jahrelang wurde das Militär der VAE mit westlicher Billigung hochgerüstet. Und auch wenn westliche Verteidigungspolitiker immer wieder lästerten, man kaufe alles, was glitzert und Bumm macht, war und ist doch allen klar, dass die Emirate auch schon vor der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Israel eine integrale Rolle in der Strategie gegen den Iran spielten, sich eine politische und strategische Allianz bildete.

Deswegen war auch die Gegenwehr gegen das militärische Engagement der VAE im Jemen eher sporadisch: Offiziell im Rahmen einer Militärallianz unter Führung von Saudi-Arabien bekämpfte man die von den iranischen Revolutionsgarden militärisch und finanziell unterstützten Houthi-Milizen, denn falls die dauerhaft die jemenitische Seite der Meerenge zum Roten Meer kontrollieren, hätten die Revolutionsgarden freien Zugang zu zwei der für die Weltwirtschaft wichtigsten Seewege: jenen vom Persischen Golf zum Indischen Ozean. Und jenen vom Indischen Ozean zum Suezkanal.

Und dann verfügt man natürlich auch über die weltweit siebtgrößten Ölreserven, was es ebenfalls schwierig macht, die VAE gegen den Willen der dortigen Führung auf Sanktionskurs zu bringen.