Energiekrise: Linke bereitet sich auf "heißen Herbst der Proteste" vor

Linke-Chefin Janine Wissler will wirksame Entlastungsmaßnahmen durchsetzen. Foto: Sandro Halank / CC BY-SA 4.0

"Sozialer Sprengstoff": Parteivorstand fordert Entlastungsmaßnahmen und Ausbau erneuerbarer Energien. Vorsitzende hält Debatte um Nord Stream 2 für verfehlt

Auf einen "heißen Herbst der Proteste" bereitet sich die Partei Die Linke wegen der sprunghaft steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten vor: Immer mehr Menschen müssten inzwischen Mahlzeiten ausfallen lassen, sagte Parteichefin Janine Wissler am Montag bei einer Pressekonferenz in Berlin. Die Armutsquote liege nach Angaben des Paritätischen Gesamtverbands bei 16,6 Prozent. 13,8 Millionen Menschen in Deutschland sind somit von Armut betroffen.

"Das wird zum sozialen Sprengstoff werden – und das wird sich noch potenzieren, wenn Mietsteigerungen kommen, wenn die Nachzahlungen kommen bei Strom und Gas", sagte Wissler. Die aktuelle Krise dürfe nicht auf die Mehrheit der Menschen abgewälzt werden.

Es sei "dringend notwendig, jetzt gesellschaftlichen Druck zu machen, um eine Entlastung der kleineren und mittleren Einkommen hinzubekommen". Niemand dürfe im Dunklen sitzen und frieren, wenn die Heizsaison wieder beginne. Gleichzeitig müsse die Gesellschaft unabhängig von fossilen Energieträgern werden, nicht nur von russischen.

Irritationen um Energiepolitik in der Bundestagsfraktion

Deshalb gehe die Debatte um die Gaspipeline Nord Stream 2 an den eigentlichen Problemen vorbei. Die Forderung des Bundestagsabgeordneten Klaus Ernst nach Inbetriebnahme von Nord Stream 2 entspreche nicht der Beschlusslage der Partei, sagte Wissler auf Nachfrage einer Reporterin. Das habe Fraktionschef Dietmar Bartsch bereits vergangene Woche klargestellt.

Stattdessen müssten "absurde Abstandsregelungen" für Windräder und andere Hindernisse für den Ausbau der Erneuerbaren Energien weg.

Auch der Einbau von Gas- und Ölheizungen muss nach Ansicht der Linken zeitnah verboten werden. Stattdessen soll ein staatliches Förderprogramm in Milliardenhöhe bei der Sanierung von Wohnungen und beim Einbau von Wärmepumpen helfen. Strom- und Gassperren für zahlungsunfähige Menschen müssten dauerhaft verboten werden. Es sei "absolut unmenschlich", wenn eine Rentnerin auf Geldmangel in ihrer Wohnung frieren müsse, so Wissler.

Im Forderungskatalog des Parteivorstands gegen die Energiekrise ist auch ein generelles Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen und die Streichung von Inlandsflügen vorgesehen, um Treibstoff zu sparen.

ÖPNV zum Nulltarif als langfristiges Ziel

Das Angebot eines Neun-Euro-Monatstickets für den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr müsse bis Ende des Jahres verlängert und eine "Anschlussregelung" müsse gefunden werden – zunächst in der Größenordnung eines 365-Euro-Jahrestickets von einem Euro pro Tag und langfristig mit dem Ziel des Nulltarifs. Allerdings sei auch ein Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel nötig. Die Bahncard 50 sollen laut Forderungskatalog der Linken alle Interessierten für ein Jahr gratis bekommen.

In einem Nationalen Industrieplan sollen zudem "klare ordnungsrechtliche Vorgaben" für das Energiesparen in Unternehmen erarbeitet werden. Den Ausbau der Erneuerbaren Energien will die Linke beschleunigen, indem ältere Anlagen durch neue, leistungsfähigere ersetzt werden – das sogenannte Repowering benötige weniger Planungsvorlauf, so Wissler.