Erdgas unter Nordsee: Fällt das Wattenmeer dem Ukraine-Krieg zum Opfer?

Möwe auf Borkum, der Ereignisse harrend. Bild: Stefan Liening/Pixabay

Vor deutsch-niederländischen Küste soll neues Erdgasfeld erschlossen werden. Rückkehr zur fossilen Energie hat auch mit Entscheidung in Moskau zu tun

Deutschland und die Niederlande wollen gemeinsam in der südlichen Nordsee Gas fördern. Das berichtet die Plattform Euractive unter Berufung auf die Webseite der niederländischen Regierung.

Demnach soll schon ab 2024 in den Küstengewässern nördlich der deutschen Insel Borkum und der benachbarten niederländischen Insel Schiermonnikoog Erdgas gewonnen werden. Die niederländische Regierung will darüber hinaus an bereits bestehenden Standorten die Förderung ausweiten.

Der russische Energiekonzern Gazprom hatte am 31. Juni bekannt gegeben, dass die Niederlande nicht weiter mit Erdgas beliefert würden, nach dem sich der niederländische Gasgroßhändler GasTerra geweigert hatte, in Rubel zu bezahlen. Einen Tag später hat die Regierung am 1. Juni die Erlaubnis für die Bohrungen erteilt.

Allerdings hatte der GasTerra in Erwartung des russischen Schritts bereits auf dem Weltmarkt mit anderen Lieferverträgen eingedeckt, sodass kurzfristig offenbar kein Engpass erwartet wird. Der Zusammenhang zwischen dem russischen Lieferstopp und der Genehmigung ist also nicht unbedingt zwingend, zumal es bis zum Beginn der Förderung noch etwa zwei Jahre dauern wird.

Die auf deutscher Seite zuständige niedersächsische Landesregierung hatte sich noch im vergangenen Jahr gegen die Gasförderung ausgesprochen, hat aber in letzter Zeit ihre Meinung geändert. Da seit dem Angriffs Russlands auf die Ukraine nicht mehr der Klimaschutz, sondern die Unabhängigkeit von Importen aus Russland das obersten Ziel in der Energiepolitik ist, sind auch neue Investitionen in fossile Energien wieder hoffähig.

Investitionen, die in wenigen Jahren abgeschrieben werden müssen, wenn man nach dem 1,5 Grad-Ziel nicht auch das Ziel, die globale Erwärmung auf "deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau" aufgeben will. Bei der Verbrennung von Erdgas wird das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) freigesetzt, dass zu knapp 50 Prozent über viele Jahrhunderte in der Atmosphäre verbleibt und sich dort immer mehr anreichert.

Außerdem besteht das Erdgas überwiegend aus Methan, das bei Förderung und Transport entweichen kann und dann in der Atmosphäre als noch wesentlich stärkeres Treibhausgas wirkt. Allerdings wird das Methan in der Luft durch chemische Prozesse abgebaut.

Nach 11 Jahren ist bereits die Hälfte verschwunden. Würde man also alle Methanemissionen einstellen, hätte sich der Anteil des Methans am Treibhauseffekt – in den letzten Jahrzehnten mehr als halb so groß wie der des CO2 – bereits nach elf Jahren halbiert.

Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IAEA) in Paris haben weltweit 60 Prozent aller Methanemissionen eine menschliche Ursache (hauptsächlich Landwirtschaft, Energiesektor und Abfälle) und 40 Prozent natürliche Quellen.