Erdogan klopft bei Brics an: Türkei sucht neue Verbündete
Ankara ist frustriert über ausbleibenden EU-Beitritt. Türkei beantragt Brics-Mitgliedschaft. Welche Folgen hat dieser Schritt für die geopolitische Landschaft?
Seit fast 20 Jahren verhandelt die Türkei über einen Beitritt zur Europäischen Union. Doch die Europäer halten das Land hin, werfen ihm zum Beispiel vor, demokratische Standards nicht einzuhalten. Nun zieht die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan Konsequenzen und wendet sich den Brics-Staaten zu.
Der Finanzdienst Bloomberg berichtete am Montag, die Türkei habe offiziell die Mitgliedschaft in der Brics-Gruppe beantragt. Die Regierung in Ankara sehe darin eine Möglichkeit, den globalen Einfluss des Landes zu stärken und neue Beziehungen jenseits der traditionellen westlichen Verbündeten zu knüpfen.
EU-Frust und Nato-Zerwürfnisse treiben Türkei zu Brics
Der diplomatische Vorstoß spiegele das Bestreben der Türkei wider, in einer multipolaren Welt Beziehungen zu allen Seiten zu pflegen, so die anonymen Quellen. Gleichzeitig wolle man den Verpflichtungen als Nato-Mitglied nachkommen.
Auch die Frustration über die stockenden EU-Beitrittsverhandlungen, die seit 2005 laufen, sei ein Grund für den Antrag. Aber auch die Zerwürfnisse innerhalb des Nato-Bündnisses haben zu der Entscheidung beigetragen. Nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine im Jahr 2022 unterhält die Türkei weiterhin enge Beziehungen zu Russland.
Ein anderer Kritikpunkt an der Nato an westlichen Verbündeten betrifft etwa die eigene Wirtschaft. Die regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung wirft den westlichen Staaten seit Langem vor, eine autarke türkische Rüstungsindustrie und das Streben nach einer starken Wirtschaft zu untergraben.
Türkei setzt auf multilaterale Außenpolitik
Präsident Erdoğan betonte am Wochenende in Istanbul: "Die Türkei kann ein starkes, wohlhabendes, prestigeträchtiges und effektives Land werden, wenn sie gleichzeitig ihre Beziehungen zum Osten und zum Westen verbessert".
Mit dem Antrag setzt die Türkei ihre Politik fort, gute Beziehungen nach allen Seiten hin zu pflegen. Vor zwei Jahren hatte Erdoğan bereits Interesse gezeigt, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) beizutreten.
"Wir müssen uns nicht zwischen der Europäischen Union und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit entscheiden, wie einige Leute behaupten", sagte Erdoğan. "Im Gegenteil: Wir müssen unsere Beziehungen zu diesen und anderen Organisationen auf einer Win-Win-Basis entwickeln."
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Die Brics-Gruppe umfasst einige der größten Schwellenländer, darunter Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Anfang des Jahres traten der Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Äthiopien und Ägypten bei. Saudi-Arabien wurde zum Beitritt eingeladen, hat aber bisher nicht zugesagt.
Wirtschaftliche Vorteile locken Türkei zu Brics
Die türkische Regierung erhofft sich von einer Brics-Mitgliedschaft eine Verbesserung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland und China. Zudem wolle man zu einem Handelskanal zwischen der EU und Asien werden. Konkret strebe die Türkei an, eine Drehscheibe für Gasexporte aus Russland und Zentralasien zu werden.
Erdoğans Regierung bemühe sich zudem um Investitionen chinesischer Elektroautohersteller. Diese könnten die Zollunion der Türkei mit der EU nutzen, um ihren Marktzugang zu verbessern.
Der türkische Außenminister Hakan Fidan sagte nach seiner Teilnahme an einem Brics-Außenministertreffen im Juni: "Brics ist eine Organisation, die die Vielfalt der Ansätze, Identitäten und Politiken im globalen Wirtschaftssystem erhöht."