Erst herrscht Ruhe im Land
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Die Probleme bei Blockupy sind auch die Probleme der Krisenproteste auf europäischer Ebene
"Gemeinsam kämpfen gegen Rassismus und Sozilabbau" lautete das Motto eines Transparents, das zwei Aktivsten am 2. September an der Fassade des Berliner Hauptbahnhofs angebracht hatten. Sie wurden dafür kurzzeitig festgenommen.
Die Aufschrift war die thematische Klammer der Blockupy-Aktionstage, die am ersten Septemberwochenende in Berlin stattgefunden haben. Die Bilanz ist ernüchternd. Trotz wochenlanger bundesweiter Mobilisierung blieb die Teilnahme an beiden Tagen hinter den Erwartungen zurück. Besonders am Freitag war der Teilnehmermangel nicht zu übersehen. So fanden sich nur einige hundert Menschen zu der geplanten Blockade des Bundesarbeitsministeriums ein. "Wir glauben, es ist dringend an der Zeit, das Lager der Solidarität im Zentrum des europäischen Kapitalismus sichtbar werden zu lassen und hier gemeinsam die vermeintliche Alternativlosigkeit der neoliberalen Mitte anzugreifen - bevor nationale 'Lösungen' in Gesetzen, in Parlamenten und auf der Straße überhand nehmen", heißt es in dem zentralen Aktionsaufruf.
In einem Text zur "Feministischen Intervention" wird an den Druck erinnert, der durch die von Deutschland vorangetriebenen Hartz-IV-Reformen europaweit auf die Bereiche der sozialen Reproduktion ausgeübt werden. "Was im politischen Laboratorium Deutschland erfolgreich getestet wurde, soll nun als Exportschlager allen anderen europäischen Ländern aufgezwungen und in Deutschland weiter verschärft werden", heißt es dort. Es wird daran erinnert, dass besonders alleinerziehende Frauen von Armut betroffen sind.
Obwohl die Blockupy-Aktivisten frühzeitig kommunizierten, dass von ihnen keine Gewalt ausgehen wird, wurden über 50 Teilnehmer festgenommen. Die Aktivisten beklagten auch körperliche Angriffe und Faustschläge durch die Polizei. Doch das entscheidende Problem war an diesem Septemberwochenende in Berlin anders als bei den Blockupy-Aktivitäten in Frankfurt/Main nicht die staatliche Repression, sondern die geringe Resonanz.
Beim Samstag war die Beteiligung mit ca. 6000 Menschen deutlich besser als am Vortag. Das entspricht exakt den politischen Gegebenheiten. Antifaschistische Aktionen sind wesentlich besser besucht als soziale Proteste. Trotzdem ist auch bei der Einschätzung des Anmelders der Demonstration "Aufstehen gegen Rechts", Uwe Hiksch, viel Zweckoptimismus enthalten, wenn er folgenden Resümee zog: "Wir haben heute deutlich gemacht, dass wir die AfD nicht in Berlin haben wollen und für eine weltoffene Stadt stehen."
6000 Teilnehmer in der Metropole Berlin bei einer Demonstration, die bis in das sozialdemokratische Lager reicht, sind am Vorabend einer Landtagswahl, in der die AfD sogar stärkste Partie werden könnte, gerade nicht das von Hiksch genannte Signal. Von der Demo am Samstag geht vielmehr die Botschaft aus, dass selbst bei einer Antifademonstration mit beachtlicher Bündnisbreite nur der harte Kern mobilisierbar ist.
Zum Verhältnis von Staat und Rassismus
Es waren gerade die Linken mit der Kampagne Nationalismus ist keine Alternative, die das Bündnis mit der SPD und den Grünen scharf kritisierten, ohne die die Demonstration gar nicht möglich gewesen wäre. Doch ihre Kritik ist fundamental:
Vom pragmatischen Antihumanismus von SPD, GRÜNE und CDU zur authentischen Menschenfeindlichkeit einer Frauke Petry und eines Björn Höcke ist es nur ein kleiner Schritt. Der Unterschied ist vor allem, dass die Demokrat*innen jene grausigen Effekte der Abschottung, die den Rechtspopulisten ganz offen Freude bereiten, schulterzuckend in Kauf nehmen. Wenn SPD und GRÜNE am 3. September in Berlin mit gegen die AfD demonstrieren und "Aufstehen gegen Rassismus" wollen, ist das im Grunde vor allem der Appell an die Straßennazis, doch bitte keine Ausländer totzuschlagen - die könnten schließlich morgen noch nützlich sein und übermorgen ordnungsgemäß abgeschoben werden.
Nationalismus ist keine Alternative
Dieser Einschätzung ist nicht zu widersprechen. Nur zeigte sich auch bei der Demo, dass SPD und Grüne in der Mehrheit gar nicht daran dachten, am 3. September auch nur so zu tun, als würden sie gegen die AfD Flagge zeigen. Es waren nur kleine Gruppen aus beiden Parteien, die überhaupt erschienen waren.
Wie weiter mit Blockupy?
Es hat sich nun bestätigt, dass das Blockupy-Netzwerk mit ihren Aktionen in Berlin nicht an die Erfolge von Frankfurt/Main anknüpfen konnte. Dafür gab es bereits in den letzten Wochen starke Indizien, weil nämlich die üblichen Warnungen vor linker Gewalt durch Politik und Boulevardpresse ausblieb, die schließlich auch zur Popularisierung solcher Aktionen beiträgt. Die staatlichen Instanzen hielten sich an die Devise, die Aktion weitgehend zu ignorieren.
Nun werden sich für die Perspektive von Blockupy einige Fragen stellen. War es taktisch sinnvoll, die Aktion in den Kontext des Widerstands gegen die AfD zu stellen? Die Überlegung des Blockupy-Netzwerkes war ja, dass neben der Antifademo eine eigenständige Aktion im Herbst 2016 organisatorisch nicht zu stemmen sei. Das dürfte richtig sein. Doch es gab eine Alternative. Noch Ende letzten Jahres gab es die Überlegung, das Blockupy-Wochenende um den 1. Mai 2016 in Berlin auch mit Beteiligung aus anderen europäischen Ländern durchzuführen.
Dagegen sprachen sich Gruppen wie Attac frühzeitig aus, denen die Gruppen, die Demos am 1. Mai in Berlin vorbereiten, zu radikal sind. Nur ist es ein Fakt, dass in den letzten Jahren die Straßenmilitanz rund um den 1. Mai abgenommen, die Zahl der Teilnehmer auf den Demonstrationen aber jährlich zugenommen hat. Weit über zehntausend Menschen waren es in diesen und am letzten Jahr. Auf jeden Fall mobilisierte die 1.-Mai-Demonstration wesentlich mehr Menschen als alle Blockupy-Aktivitäten an diesem Wochenende zusammen. Wenn es darum gegangen wäre, da zu sein, wo Massen sind, wäre eine Beteiligung am 1.Mai-Wochenende sinnvoll gewesen. Doch die Blockupy-Aktivisten hoffen natürlich auf die vielzitierte schweigende Mehrheit, die man bloß nicht verschrecken will.