Eskalation im Schwarzen Meer: Russland und Ukraine im Getreidekrieg
Die neue Situation könnte nicht nur die ukrainischen, sondern auch die russischen Exporte beeinträchtigen. Die Nahrungsmittelpreise könnten weltweit steigen.
Im Schwarzen Meer könnte der Krieg zwischen Russland und der Ukraine weiter eskalieren. Moskau will die ukrainischen Häfen blockieren. Ohne Zustimmung des Kremls soll Kiew kein Getreide mehr über diese Route exportieren können.
Das möchte sich die Regierung in Kiew nicht gefallen lassen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in einem am Dienstag veröffentlichten Video, man werde sich im Schwarzen Meer gegen Russland verteidigen und dafür sorgen, dass die Ein- und Ausfuhr von Getreide und anderen Waren nicht blockiert werde.
Wenige Tage zuvor hatte die Ukraine bewiesen, dass sie nicht nur willens, sondern auch fähig ist. Mit Sprengstoff beladene Seedrohnen beschädigten ein russisches Kriegsschiff in der Nähe eines großen russischen Hafens. Aber auch ein ziviler Öltanker wurde Ziel eines ukrainischen Angriffs.
"Wenn Russland weiterhin das Schwarze Meer außerhalb seines Territoriums beherrscht, uns blockiert oder beschießt und Raketen auf unsere Häfen abfeuert, wird die Ukraine dasselbe tun", sagte Selenskyj am Dienstag.
Gegenseitige Blockade der Häfen
Man habe zwar nicht so viele Schiffe, aber Moskau müsse sich darüber im Klaren sein, dass die russische Seite "am Ende des Krieges null Schiffe haben wird".
Der Drohnenangriff auf den Hafen von Noworossijsk erfolgte zwei Tage, nachdem die russische Seite den Donauhafen Izmail bombardiert hatte. Dieser Hafen spielt eine entscheidende Rolle für den ukrainischen Getreideexport.
Sollten die Angriffe auf die Donauhäfen anhalten, könnte die Ukraine einer wichtigen Einnahmequelle beraubt werden. Vor dem Krieg machten die Agrarexporte rund 41 Prozent aller ukrainischen Ausfuhren aus. Sie brachten Einnahmen in Höhe von 28 Milliarden US-Dollar.
Sollten die gegenseitigen Angriffe auf die Schwarzmeerhäfen anhalten, könnten die Lebensmittelpreise wieder in die Höhe schnellen. Denn dann könnten auch russische Exporte blockiert werden – und Russland ist der weltweit größte Weizenexporteur.
In der vergangenen Saison lieferte Russland rund 45,5 Millionen Tonnen Getreide aus. Und nach Schätzungen des US-Landwirtschaftsministeriums könnte diese Menge in diesem Jahr sogar noch übertroffen werden.
Hat das Getreideabkommen eine Zukunft?
Russland hat vor kurzem das Getreideabkommen auslaufen lassen, das den sicheren Export aus der Ukraine über die Schwarzmeerhäfen garantierte. Moskau begründete den Schritt damit, dass die Europäische Union ihren Teil des Abkommens nicht erfüllt habe.
Ob Russland zum Getreideabkommen zurückkehren werde, hänge etwa von den USA und Europa ab, schreibt Reuters. Beide müssten angemessene Garantien dafür geben, dass russische Lebensmittelexporte die Weltmärkte erreichen können. "Die von Putin geforderte Wiederanbindung der Landwirtschaftsbank des Kremls an das internationale Zahlungssystem Swift wäre ein kleines Zugeständnis", heißt es bei Reuters weiter.
An wen gingen die ukrainischen Exporte?
Außerdem sei nur ein kleiner Teil des ukrainischen Getreides tatsächlich an bedürftige Länder geliefert worden. Auch damit lag Moskau nicht falsch, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei zeigt.
Über das Getreideabkommen seien seit Juli 2022 mehr als 32,8 Millionen Tonnen ukrainisches Getreide und Lebensmittel auf den Weltmarkt gelangt, heißt es in dem Schreiben, das Telepolis vorliegt. Rund 43 Prozent der Weizenexporte seien "direkt in Länder mit niedrigem Einkommen und Länder mit niedrigem mittlerem Einkommen" geliefert worden.
Die Zahlen der Bundesregierung beschönigen die Situation allerdings. Denn Weizen machte nur etwas mehr als ein Viertel (27,1 Prozent) der Exporte aus, wie aus Zahlen der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) hervorgeht. Mehr als die Hälfte (51,4 Prozent) entfiel dagegen auf Mais.
Von den gesamten Agrarexporten, die über das Getreideabkommen abgewickelt wurden, gingen nur 2,5 Prozent in Staaten mit niedrigem Einkommen. In Staaten mit niedrigem mittlerem Einkommen waren es 17,2 Prozent. Westeuropa und der pazifische Raum erhielten rund 87 Prozent aller Lieferungen.
Die Bundesregierung argumentiert, dass den bedürftigen Ländern dennoch geholfen wurde. Durch die Exporte sanken die Preise am Weltmarkt, sodass sich auch arme Menschen noch Lebensmittel leisten konnten.
"Mit jedem Prozent Preisanstieg werden laut Weltbank schätzungsweise weltweit zehn Millionen Menschen mehr in extreme Armut gestoßen", heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Und dafür sei Russland verantwortlich.
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