Europäische Außenpolitik in Syrien: Brüskiert

Zwei enge Verbündete gegen den Westen: Bashar al-Assad und Irans "Oberster Führer", Ajatollah Khamenei. Foto: Farsnews / CC BY 4.0

Trotz Gegenwehr aus dem Westen haben die arabischen Staaten den syrischen Diktator Baschar al-Assad wieder in ihre Mitte aufgenommen. Was dies mit dem iranischen Atomprogramm zu tun hat.

Die Einladung kam in letzter Minute: Erst gut eine Woche zuvor hatte die Arabische Liga den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu ihrem Gipfel in der saudischen Stadt Dschidda eingeladen. Trotz des Bruderkusses, den al-Assad bei seiner Ankunft am Flughafen vom saudischen Kronprinzen und de facto Machthaber Mohammad bin Salman erhielt, ein gutes Zeichen dafür, dass hinter verschlossenen Türen lange gerungen worden sein dürfte.

Baerbock warnt

Aus Europa meldete sich derweil die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock während eines Besuchs in Saudi-Arabien zu Wort und warnte vor einer "bedingungslosen Normalisierung": "Jeder Schritt in Richtung Assad sollte von konkreten Zugeständnissen abhängig gemacht werden", sagte sie. Assad dürfe nicht auch noch für täglich schwerste Menschenrechtsverletzungen belohnt werden.

Denn zwölf Jahre lang war Syriens Mitgliedschaft in der Arabischen Liga suspendiert gewesen, hatten al-Assads Amtskollegen in der Region ihn links liegen gelassen. Unter dem Strich war die Funkstille dann aber auch der einzige gemeinsame Nenner in Sachen Syrien gewesen.

Abgesehen davon wuselten die arabischen Staaten, die Türkei, der Iran, Russland, die Europäische Union und die Vereinigten Staaten ziemlich kopflos wirkend durch die Gegend und unterstützten entweder al-Assad oder eine bis viele der Kampfgruppen, deren Zahl sich im dreistelligen Bereich bewegen dürfte.

Wer wann welche Interessen verfolgte und verfolgt, das ließ sich nie so genau sagen, und jetzt schon erst recht nicht mehr.

Die Syrien-Frage: Wo bleiben die Millionen Flüchtlinge?

Syrien, das war irgendwann wie eine Staffel "24", in die man in der Mitte einsteigt, wobei die einzigen beiden wirklich bekannten Konstanten in der epischen Serie "Krieg in Syrien" der jahrelange Kampf gegen die Ausbreitung des "Islamischen Staat" und die vielen Millionen Flüchtlinge waren, die vor den extremen Wirren dieses Kriegs Schutz in den Nachbarländern Türkei, Libanon und Jordanien sowie in Europa suchten.

Und um dem Ganzen irgendeinen Sinn zu geben, fahndeten Beobachter aus der Ferne nach den guten Kräften in diesem Krieg, nach jenen, die dem Land Demokratie geben. Menschenrechte.

Doch wer dort war, davor und währenddessen, der hat schnell gelernt, dass in diesem Krieg auch dort, wo Demokratie draufsteht, auch nur Willkür, Menschenrechtsverletzungen und Autokratie drin sind. Das Maximum, was die Menschen, egal auf welcher Seite sie stehen, in diesem Land erreichen können, ist Frieden. Und vielleicht in weiterer Zukunft Wohlstand. Denn das Land liegt wirtschaftlich am Boden, viele Städte sind zerstört, die Gesundheitsversorgung ist zusammengebrochen.

Jetzt droht die Syrien-Frage auch noch andere Länder mitzureißen: Bislang konnte man die Flüchtlinge in den Nachbarländern mithilfe der Vereinten Nationen (UNO), aus der Europäischen Union und aus eigener Kraft einigermaßen gut versorgen.

Doch der Wirtschaft in der Türkei und im Libanon geht es extrem schlecht; in Jordanien ist die Arbeitslosigkeit enorm. Und die Uno kann nicht mehr alle Hilfebedürftigen auf der Welt vollständig versorgen. Es gibt zu viele Krisen. Und viel zu wenig Geld.

Zugeständnisse von al-Assad?

Die Regierungen der Nachbarländer möchten deshalb, dass die syrischen Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückkehren. Der Schulterschluss mit al-Assad war schon seit Monaten bei Hintergrundgesprächen mit arabischen Diplomaten eine heiß diskutierte Option. Solche Gespräche sind die einzige Möglichkeit, herauszufinden, wie die Meinung in der arabischen Politik wirklich ist.

In diesem Fall war man sich absolut nicht einig, wozu al-Assad für die Rückkehr in die internationale Arena bereit sein werde. Der werde schon das Zugeständnis machen, sagten die einen.

Die anderen wiegelten ab: Al-Assad habe ja die Unterstützung der iranischen Führung und Russlands, und die seien ja ziemlich eng mit China. Er werde keine Zugeständnisse machen, weil er nicht müsse. Er könne auf China bauen.

Denn China ist sowas wie das neue Power-House in der weiteren Region. Die europäische, die deutsche, selbst die US-amerikanische Außenpolitik stehen ziemlich hilflos daneben. Dort setzt man weiterhin auf Isolation. Was allerdings nur noch ein symbolischer Akt ist, der Öffentlichkeit und Politik zu Hause vermittelt, dass man die Menschenrechte ernst nimmt.

Ansagen werden woanders getroffen

Doch die Ansagen werden längst woanders getroffen. In Peking, zum Beispiel. Dort hat man überhaupt kein Problem damit, Geschäfte etwa mit dem Iran zu machen. Erst vor Kurzem durfte der iranische Präsident Ebrahim Raisi in die chinesische Hauptstadt reisen, sich öffentlich als Vorkämpfer gegen den "Imperalismus" inszenieren und bekam obendrein Zusagen für milliardenschwere Infrastrukturprojekte.

Ziemlich schnell danach landete Raisi dann in Saudi-Arabien, normalisierten beide Regierungen ihre Beziehungen, wurden Schritte zur Beendigung des Jemen-Kriegs unternommen, der de facto ein Stellvertreter-Krieg zwischen beiden Ländern war.

Und nun versucht man das Gleiche in Syrien. Al-Assad dürfte vor allem deshalb zum Gipfel der Arabischen Liga eingeladen worden sein, weil sich unter den arabischen Regierungen der Konsens gebildet hat, dass al-Assad nach mehr als einem Jahrzehnt Krieg an der Macht bleiben dürfte und man sich mit ihm arrangieren muss.

Vielleicht glaubt man, ihn damit etwas von Teheran weg manövrieren zu können.