Evaluationsbericht: Und was, bitte, lernen wir daraus?

Seite 2: Was bedeutet dies für die Gesellschaft?

Mangelnde Verknüpfung verschiedener Wissenschaften, also Monokultur statt Interdisziplinarität führt dazu, dass sie in den Debatten weiter auseinanderdriften wird.

Die einen stellen nur auf die epidemologische Wissenschaft ab, den anderen ist die völlig egal. Psyche, soziale Sicherheit und soziale Verwerfungen, Folgenabschätzung, soziologische und ökonomische Fragen – wenn von vornherein nicht alles zusammengedacht und zusammengebracht wird, bleibt es bei dem Eindruck, dass wir über Monate hinweg fast ausschließlich Virolog:innen als Maßstab aller Dinge präsentiert bekamen.

Währenddessen stiegen in der Gruppe der 15-17-Jährigen die emotionalen Störungen um 42 Prozent, der multiple Suchtmittelmissbrauch um 39 Prozent, die depressiven Episoden um 28 Prozent und die Essstörungen um 17 Prozent. (Evalutionsbericht). Bei Grundschulkindern musste ein Anstieg der Störung sozialer Funktionen um 36 Prozent verzeichnet werden.

Interdisziplinäre Forschung hieße also auch, sich die Frage zu stellen und sie zu beantworten, um daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, was dieser Generation angetan worden und ob dies gerechtfertigt ist. Im Bericht steht:

Eine Meta-Analyse von Daten, die in 204 Ländern zwischen Januar 2020 und Januar 2021 erhoben wurde, berichtet einen weltweiten Zuwachs von 76,2 Millionen Menschen mit Symptomen von Angsterkrankungen bzw. 53,2 Millionen Menschen mit Symptomen einer Depression.

Davon seien vor allem junge Menschen und Frauen betroffen. Und wenn der Bericht zu dem Schluss kommt, dass in Deutschland durch die Pandemie "neue Dimensionen der Ungleichheit" entstanden seien, dann wäre die logische Schlussfolgerung für gute Politik doch sicher, genau das durch ausreichend Vorsorge und Umverteilung von Ressourcen zu reparieren und zu verhindern.

Stattdessen ist eine Kakophonie an Stimmen zu hören, ob nun jetzt, später, ab welchem Alter, mit oder ohne Vorerkrankung die vierte Impfung abgeholt werden sollte. Vielleicht arbeitet auch jemand an einem Evaluationsbericht darüber, welche Schlussfolgerungen und Handlungen ein Evaluationsbericht, nach sich zieht, der in mancher Hinsicht desaströs ist und der Politik ein wahrlich nicht gutes Zeugnis ausstellt. Über den schreiben wir dann im kommenden Jahr.

Kathrin Gerlof ist freie Autorin und Journalistin und Chefredakteurin der monatlich erscheinenden Wirtschaftszeitung OXI Wirtschaft anders denken.