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Exklusiv: SPD sieht "Verschiebungen im Verhältnis" zu USA, Russland und Europa

Bild: The U.S. National Archives

Themen des Tages: Privatjets als Klimakiller. Fragen zu mRNA-Präparaten. Und die Fortführung unserer Dokumentation eines SPD-Papiers. (Teil 2 und Schluss)

Liebe Leserinnen und Leser,

1. Die Folgen des Fachkräftemangels sind spürbar.

2. Alle sollen sich einschränken. Aber was ist mit Superreichen und ihren Jets?

3. Auf Seite 2 lesen Sie den zweiten Teil der Dokumentation eines kontroversen SPD-Positionspapiers zur "Zeitenwende".

Doch der Reihe nach.

Emissionen durch Privatjets

Auf eine Recherche von NDR und Süddeutscher Zeitung zum Flugverkehr in Deutschland geht heute Telepolis-Redakteur David Goeßmann ein. Insgesamt haben demnach täglich 260 "Flugzeuge im Business-Segment" abgehoben [1].

Es handelt sich für das Jahr 2022 um insgesamt 94.000 Starts von Privatflugzeugen allein in Deutschland, die eine überwiegend reiche, privilegierte Klientel bedienen. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Zahl der Privatjet-Flüge, die durchgeführt werden von Chartermaschinen bis Unternehmensfliegern, sogar noch einmal um neun Prozent an. Das sind 8.000 mehr als 2021. Sie machen nun bereits zwölf Prozent des gesamten Flugverkehrs in Deutschland aus.

Fragen zu mRNA-Präparaten

Dass die Corona-Krise der Durchbruch für die mRNA-Immuntherapie war, stellt Telepolis-Autor Philipp Fess heute fest [2]: "Die aus dem sogenannten Genetic Engineering entwickelte Biotechnologie wurde von der Tagesschau zuletzt als verheißungsvolles "Heilmittel gegen Krebs" gepriesen, und das Weltwirtschaftsforum warb Anfang Dezember für eine mRNA-Impfung, die "gegen alle gängigen Influenza-Varianten" eingesetzt werden kann." Schon 2024 könne sie marktreif sein, so Fess, und weiter:

Gar nicht schlecht – dafür, dass die Technologie Ende 2018 noch als zu unausgereift galt, um sie Menschen, geschweige denn Massen, zu verimpfen. Besonders der Effekt der mRNA-Injektion auf das angeborene Immunsystem und diesbezügliche Nebenwirkungen machten den Wissenschaftlern Sorgen. So hieß es vom Forschungsdienstleister Virology Research Services im August 2018.

Mangel an Fachkräften

Auf den Fachkräftemangel in Deutschland [3] geht heute Telepolis-Autor Bernd Müller ein. Bekannt sei auch, dass dieser Mangel einen erheblichen Verlust an gesellschaftlichem Wohlstand bedeute: "Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group hatte geschätzt, dass deshalb die Wirtschaftsleistung im Wert von 86 Milliarden Euro verloren geht."

Der am Donnerstag veröffentlichte Fachkräftereport der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) macht deutlich: Das entgangene Wertschöpfungspotenzial dürfte in diesem Jahr sogar noch höher ausfallen. Auf fast 100 Milliarden Euro wird es von der DIHK geschätzt.

SPD-Positionspapier: "Russlands völkerrechtswidriger Angriffskrieg schweißt transatlantische Partnerschaft zusammen"

Telepolis dokumentiert im Folgenden den zweiten Teil des Positionspapiers "Sozialdemokratische internationale Politik in der Zeitenwende", der Grundlage von Beratungen der SPD-Bundestagsfraktion am Donnerstag und Freitag dieser Woche ist.

IV. Souveränes Europa

Die Europäische Union ist der zentrale Rahmen deutscher Politik. Dies wird durch die Zeitenwende noch verstärkt. Dennoch zeigt der Krieg in Europa auch die Bruchlinien und derzeitigen Blockaden der EU auf. Zu oft wird gemeinsamer europäischer Fortschritt noch immer durch nationale Interessen und Blockaden gehemmt.

Um die strategische Souveränität und Handlungsfähigkeit Europas voranzutreiben, bedarf es konkreter Schritte der Weiterentwicklung der EU, wie sie Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Prager Rede vorgestellt hat. Hierbei ist für uns die deutsch-französische Partnerschaft von zentraler Bedeutung. Ebenso sollte Deutschland als größter Mitgliedstaat und Brückenbauer in der EU die Perspektiven unserer mittel- und osteuropäischen Partner noch stärker mit einbeziehen.

Darüber hinaus gilt es, den europäischen Multilateralismus durch die europäische Menschenrechtsinstitution des Europarats weiter zu stärken. Eine passende Gelegenheit bietet hierfür der 4. Gipfel der Staats- und Regierungschefs, welcher im Mai 2023 in Reykjavik stattfinden wird.

In einer zunehmend multipolaren Welt, geprägt von einer sicherheits- und wirtschaftspolitischen Rivalität zwischen den USA und China streben wir für die EU eine selbstbewusste Position als souveränes Machtzentrum an.

Die US-amerikanische Sicherheitsgarantie für Deutschland und Europa wird umso nachhaltiger sein, je stärker die EU mehr Verantwortung auch in der Sicherheitspolitik übernimmt. Daher sollte die EU in der Lage sein, zur Friedenssicherung in Europa und in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft noch stärker als bisher beizutragen. Gleichzeitig sollte sich die EU für eine regelbasierte Gestaltung der Multipolarität noch stärker als bisher einsetzen.

Dass in Europa ein Krieg geführt wird, hat uns allen den Wert der Nato als Garant unserer Sicherheit und Trägerin unserer Bündnisverteidigung erneut vor Augen geführt. Auch das transatlantische Bündnis ist in der Krise stärker als zuvor. Wir wollen dieses Momentum nutzen, um den europäischen Pfeiler in der Nato zu stärken. Dies würde die EU auch resilienter machen, sollte in den USA erneut ein Präsident gewählt werden, der die Fundamente des transatlantischen Bündnisses in Frage stellt.

Über die Stärkung des europäischen Pfeilers in der Nato stärken wir auch die unmittelbare Verteidigungsfähigkeit Europas. Dies beinhaltet auch, dass Europa seine gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen deutlich intensivieren muss – mit konkreten Schritten wie etwa dem Aufbau einer schnellen Eingreiftruppe und eines permanenten operativen EU-Hauptquartiers.

Mehr sicherheitspolitische Souveränität bedeutet zudem, die europäische Cybersicherheit sicherzustellen und die europäische Rüstungskooperation weiter voranzutreiben, die aktuellen Rüstungsentscheidungen in Deutschland anschlussfähig für europäische Verbündete zu gestalten und damit Komplementarität, Effizienz und Interoperabilität zu stärken.

Zentraler Baustein einer souveränen EU sollte die der Beitritt der Staaten des Westlichen Balkans sein. Wir wollen diese langfristig im demokratischen Modell Europas verankern und damit verhindern, dass sich nichtdemokratische Akteure die Konfliktlinien der Region zunutze machen. Zur Zeitenwende gehört die Einsicht, dass Erweiterungspolitik auch den strategischen Interessen der EU in der Region dient.

Wir bekennen uns zum Ziel der EU-Mitgliedschaft der sechs Westbalkanländer Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien genauso wie zur EU-Beitrittsperspektive der Ukraine und Moldaus. Gleichzeitig unterstützen wir Georgien auf seinem Weg in die Europäische Union.

Die EU hat in den Krisen der vergangenen Jahre ihre gemeinsame Handlungsfähigkeit in vielen Fällen unter Beweis gestellt. Das Corona-Wiederaufbauprogramm ist ein Meilenstein für den Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit Europas. Auch die geschlossene und entschlossene Antwort der EU auf den Angriffskrieg Russlands verdeutlicht die gemeinsame Handlungsfähigkeit der EU im Krisenfall.

Doch es bleiben auch Defizite bestehen. Das Prinzip der Einstimmigkeit befördert Blockaden und hemmt notwendigen europäischen Fortschritt.

Umso wichtiger ist es, das Momentum der Zeitenwende auch dafür zu nutzen, konkrete Fortschritte bei der Vertiefung der europäischen Integration zu erreichen – etwa durch mehr Mehrheitsentscheidungen gerade im Bereich der Außenpolitik, aber auch der Steuerpolitik, durch eine stärker strategisch ausgerichtete gemeinsame Handels-, Wirtschafts- und Industriepolitik oder durch dauerhaft gestärkte europäische Investitionskapazitäten.

Es bedarf wirtschaftspolitischer Kohärenz und gemeinsamer Instrumente der Abfederung externer Krisen, um gemeinsames europäisches Handeln nachhaltig abzusichern. Es bedarf auch einer Stärkung der europäischen Sicherheitsagenturen, um Europa besser nach innen und außen zu schützen. Auch für die Stärkung unseres Zivilschutzes bedarf es vermehrter Anstrengungen.

V. Transatlantische Partnerschaft

Russlands völkerrechtswidriger Angriffskrieg schweißt unsere transatlantische Partnerschaft enger zusammen und führt uns die gemeinsamen Werte von Freiheit und Demokratie vor Augen. Putins Angriff ist auch ein Angriff auf jene freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung, die wir mit unseren transatlantischen Partnern teilen.

Um dieses Modell des Zusammenlebens gegen seine Bedrohungen zu verteidigen, bauen wir auf eine starke und vertrauensvolle Partnerschaft mit den USA, innerhalb derer Europa und Deutschland als größter Mitgliedsstaat mehr Verantwortung übernehmen.

Mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr, dem damit einhergehenden Aufwuchs der Verteidigungsaufwendungen sowie den Initiativen der deutschen G7-Präsidentschaft zur Unterstützung der Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz bereits wichtige Entscheidungen in diese Richtung getroffen.

Gerade angesichts der externen Bedrohungen wollen wir mit unseren transatlantischen Partnern an der Vermeidung von Wirtschafts- und Handelskonflikten arbeiten. Gleichzeitig wollen wir in die eigenverantwortliche Sicherheit Europas investieren und die strategische Zusammenarbeit mit den USA in den Bereichen Klima- und Energiepolitik, regelbasierte internationale Ordnung und demokratische Gesellschaftspolitik intensivieren.

VI. Beziehungen zu China und der Indo-Pazifik-Region

Der Aufstieg der Volksrepublik China ist eine der größten globalen Veränderungen der letzten Jahrzehnte. Die wachsende Bedeutung Chinas birgt eine Vielzahl an Herausforderungen, aber auch einige Chancen für Deutschland und die Europäische Union. Deutschland wird sich mit der im Koalitionsvertrag vereinbarten China-Strategie in die europäische Debatte einbringen.

Diese Positionsbestimmung sollte sowohl die Veränderungen in China als auch die Verschiebungen im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, Russland und anderen europäischen Nachbarn berücksichtigen. Ziel sollte eine Reduzierung starker Abhängigkeiten sein und damit die Stärkung unserer Souveränität.

Darüber hinaus sollen Position hinarbeiten, die fest in der Wertegemeinschaft des Westens verortet ist und die Sicherheitsinteressen unserer demokratischen Partner im indopazifischen Raum berücksichtigt, die die europäische Souveränität in einer regelbasierten multilateralen Ordnung stärkt und konstruktive, offene und transparente Beziehungen zu den zentralen Akteuren von morgen vertieft.

Für uns Sozialdemokratinnen ist die Politik gegenüber China weiterhin durch einen kontinuierlichen politischen Dialog geprägt. Es gilt der Grundsatz, nicht nur über, sondern auch mit China zu reden und dabei konstruktiv-kritische Fragen der Kooperation, des Wettbewerbs und der Menschenrechte zu behandeln. Ohne den Dialog mit China ist die Gestaltung der ökonomischen, ökologischen, sozialen und politischen Herausforderungen unserer Zeit kaum vorstellbar.

Die Beziehungen mit China müssen entlang der auch auf europäischer Ebene definierten drei Dimensionen Partnerschaft, Wettbewerb und Systemrivalität gestaltet werden. Gemeinsame Interessen wie beispielsweise bei einer regelbasierten internationalen Ordnung, beim Klimaschutz oder bei Abrüstung und Rüstungskontrolle gilt es weiter auszuloten.

Gleichzeitig sehen wir, dass Aspekte des Wettbewerbs und der systemischen Rivalität zunehmen. Damit einher geht die Notwendigkeit, Abhängigkeiten bei Schlüsseltechnologien und Wertschöpfungsketten sowie bei Rohstoffen und Energieträgern zu reduzieren.

Wir konstatieren: China ist nicht nur ein Kooperationspartner, sondern zugleich ein wirtschaftlicher Konkurrent und ein systemischer Rivale. Dies wird auch in Chinas ambivalenter Haltung zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine deutlich.

Wir müssen feststellen, dass China unter Präsident Xi immer selbstbewusster und teilweise aggressiver nach außen auftritt. Diese Entwicklung geht einher mit einer Verschlechterung der Menschenrechtslage, insbesondere in der Provinz Xinjiang, und der Einschränkung politischer Freiheiten, wie zum Beispiel in Hongkong.

Es stehen zwei verschiedene Modelle im Wettbewerb: das Modell eines demokratischen Rechtsstaats, der die universellen Menschenrechte schützt in einer freien und sozialen Marktwirtschaft und das chinesische Modell eines autoritären Staatskapitalismus, der die universellen Menschenrechte relativiert. Auch wenn unsere Beziehung zu China durch alle drei genannten Dimensionen bestimmt wird, können diese nicht einfach unreflektiert nebeneinanderstehen.

Die Systemkonkurrenz ist maßgeblich dafür, wie die Partnerschaft mit China konkret ausgestaltet werden kann und beeinflusst auch die Art und Weise des wirtschaftlichen Wettbewerbs mit China. Teil der Antwort auf die Systemkonkurrenz muss sein, dass wir den von China umworbenen Ländern und Regionen alternative und attraktivere Kooperationsangebote machen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Global Gateway Initiative der EU.

Im Rahmen der Systemkonkurrenz gilt es, weiterhin die Zusammenarbeit in Gebieten mit beiderseitigem Interesse zu suchen. Die Kooperation mit China bei Fragen einer regelbasierten internationalen Ordnung, Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie bei der Klimapolitik und der nachhaltigen Energiegewinnung ist hier von großer Bedeutung.

Unser Blick auf den Indopazifischen Raum beschränkt sich nicht auf China. Im Indopazifik werden die Regeln der internationalen Ordnung durch einzelne Akteure zunehmend herausgefordert. Die Aufrüstung in der Region hat sich beschleunigt, geopolitische Spannungen verschärfen territoriale Konflikte, die Gefahr einer Eskalation nimmt zu.

Wir werden auch künftig gemeinsam mit unseren Partnern daran arbeiten, die regelbasierte internationale Ordnung zu bewahren, das Völkerrecht und multilaterale Strukturen zu stärken und Konflikten vorzubeugen. Dabei treten wir einer Blockbildung im Indopazifik klar entgegen. Wir sind bereit, mit allen Partnern der Region zu kooperieren, die sich zu den Prinzipien der regelbasierten Ordnung bekennen.

Der Indopazifik ist für Deutschland und die Europäische Union von herausgehobener Bedeutung. Gleichzeitig bestehen starke wirtschaftliche Abhängigkeiten von einzelnen Märkten.

Wir treten dafür ein, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass in Schlüsselbereichen Lieferketten diversifiziert und die Chancen der Indopazifik-Region besser und breiter genutzt werden. Bestehende Partnerschaften, insbesondere zu Indien, Japan und der Republik Korea, aber auch den Asean-Mitgliedstaaten werden wir weiter intensivieren und ausbauen.

VII. Abrüstung & Rüstungskontrolle

Eine Welt ohne Atomwaffen bleibt das Ziel sozialdemokratischer Politik. Dafür unterstützen wir dringend notwendige konkrete Fortschritte zur nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle zuvorderst im Rahmen der Vereinten Nationen. Wir unterstützen überdies Initiativen zum Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen (no first use).

Daneben sollten wir auch alternative Prozesse und Mechanismen in den Blick nehmen, um unseren Zielen näherzukommen. Auch wenn der 2017 beschlossene VN-Atomwaffenverbotsvertrag in Teilen zu Polarisierung beitrug, hat er doch wichtige Impulse für die Debatte zur weltweiten nuklearen Abrüstung gegeben.

Wir müssen uns gerade angesichts der aktuellen Lage weiterhin konstruktiv mit den Argumenten und Intentionen des Atomwaffenverbotsvertrags unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure auseinandersetzen.

Des Weiteren setzen wir uns für eine Beibehaltung, Erfüllung und Verlängerung des New START-Vertrages zur Begrenzung und Verifikation von strategischen Nuklearwaffen zwischen den USA und der Russischen Föderation ein.

Darüber hinaus wirken wir auf die Bewahrung und Stärkung der bestehenden Vertragswerke, wie NW, CTBT u.a., hin und insbesondere eine Einbindung und vertragliche Verpflichtung bisher nicht rechtlich eingebundener Staaten.

Wir stehen für eine EU, die sich weiterhin für eine Stärkung multilateraler Abrüstungs- und Nichtverbreitungsregime einsetzt. Mit aller Entschiedenheit wenden wir uns gegen verantwortungslose Gedankenspiele über die Schaffung einer europäischen Atomwaffenmacht oder gar eine atomare Bewaffnung Deutschlands.

Russland tritt als Aggressor auf, dem wir mit konsequenter Abschreckung begegnen müssen. Dem tragen wir Rechnung mit unserer Unterstützung der Ukraine und der osteuropäischen Partner, abgestimmt im transatlantischen Bündnis und der Europäischen Union sowie einer einsatzbereiten Bundeswehr.

Gleichzeitig wird Russland auch in Zukunft ein Land mit erheblicher Fläche, Bevölkerung und militärischer Stärke auf dem europäischen Kontinent sein. Dies wird auf lange Sicht für die die Gestaltung der europäischen Sicherheitsarchitektur relevant sein.

In keinem Fall darf es zu einer nuklearen Eskalation kommen. Die gemeinsame Abschlusserklärung der G20, die den Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen ablehnt, ist ein Erfolg der Politik des Bundeskanzlers und des westlichen Bündnisses. Wir dürfen bestehende Verträge und Initiativen zur Abrüstung und Rüstungskontrolle nicht aufgeben.

VIII. Außenpolitik als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Schon lange ist klar, dass innere und äußere Sicherheit sich an vielen Stellen überschneiden und in Wechselwirkung stehen. Die Zeitenwende macht dies umso deutlicher. Deutschlands Gesellschaftsmodell und Wohlstand können inmitten der systemischen Herausforderungen aus dem internationalen Umfeld nicht alleine mit innen- und sozialpolitischen Maßnahmen gesichert werden.

Energiesicherheit, wirtschaftlicher Wohlstand und Innovation, digitale Souveränität, gesellschaftlicher Zusammenhalt und Demokratie – das alles steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit außenpolitischen Entwicklungen. Gleichzeitig haben innenpolitische Aspekte unmittelbare Auswirkung auf unsere Außenpolitik.

So stellt die Zeitenwende die deutsche Wirtschaft vor zwei zentrale Herausforderungen, die gleichzeitig bewältigt werden müssen: erstens die Dekarbonisierung und klimaneutrale, sozial gerechte Transformation.

Zweitens besteht die Notwendigkeit als Europäische Union strategische Autonomie zu erreichen und die Abhängigkeiten zu reduzieren, ohne Schlüsselindustrien und -technologien ins Ausland zu verdrängen. Solche Schlüsselindustrien müssen im Gegenteil dort, wo zu große Abhängigkeiten außerhalb Europas bestehen, wieder in die EU zurückgeholt werden.

Eine wichtige innenpolitische Grundlage für Außen- und Entwicklungspolitik ist die Stärkung des sozialen Zusammenhalts innerhalb der Gesellschaft. Dazu gehört eine feministische Politik, die zu Geschlechtergerechtigkeit führt und friedliche wirtschaftliche und gesellschaftliche

Entwicklung bei uns und weltweit fördert. In den meisten Ländern haben Frauen nicht die gleichen Rechte wie Männer. Dort setzen wir mit einer wertegeleiteten feministischen Außen- und Entwicklungspolitik an, um Gesellschaften insgesamt stabiler, widerstandsfähiger und friedlicher zu machen. Geleitet werden wir vom Ansatz der 3R: Rechte verwirklichen sowie Zugang zu Ressourcen und Repräsentanz sicherstellen.

Eine Außen- und Entwicklungspolitik, die auf gesellschaftlichem Frieden und sozialer Gerechtigkeit fußt, gewinnt an Legitimität nach innen und gleichzeitig an Einfluss nach außen. Deutschland und die Europäischen Union zu einem für Drittstaaten attraktiven Partner und Zentrum zu machen, basiert auf einem attraktiven Gesellschaftsmodell, das die Werte, die es in der Außenpolitik umsetzen will, auch im Inneren lebt. Nachhaltiger globaler Fortschritt und soziale Gerechtigkeit gehören für uns zusammen.

Ziel sozialdemokratischer internationaler Politik bleiben Frieden und Wohlfahrt für alle Menschen.

Artikel zum Thema:

Elke Dangeleit: Türkei: das verbotene Gedenken an den Völkermord an den Armeniern [4]
Florian Rötzer: Autonome Killerdrohnen kommen nicht erst, es gibt sie schon [5]
Roland Benedikter: Berg-Karabach: Der endlose Konflikt im "schwarzen Garten" [6]


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[1] https://www.telepolis.de/features/Privatjets-und-Co-Wie-die-Superreichen-in-Deutschland-die-Klimakrise-befeuern-7457486.html
[2] https://www.telepolis.de/features/Immunschwaeche-nach-Corona-Impfung-Fragen-zu-mRNA-Praeparaten-7456518.html
[3] https://www.telepolis.de/features/Personalnot-waechst-in-Deutschland-Zwei-Millionen-Stellen-bleiben-wohl-unbesetzt-7457953.html
[4] https://www.heise.de/tp/features/Tuerkei-das-verbotene-Gedenken-an-den-Voelkermord-an-den-Armeniern-7070547.html
[5] https://www.heise.de/tp/features/Autonome-Killerdrohnen-kommen-nicht-erst-es-gibt-sie-schon-6057359.htmlseite=all
[6] https://www.heise.de/tp/features/Berg-Karabach-Der-endlose-Konflikt-im-schwarzen-Garten-6037742.html