Experten fordern Konsequenzen nach Fake News der BBC über Giftgas in Syrien
Ehemaliger deutscher UN-Diplomat erwartet weitere Korrekturen von Medienberichten. Berliner Expertengruppe fordert von OPCW Aufklärung
Im Fake-News-Skandal um die britische BBC, die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) und einen angeblichen Giftgasangriff in Syrien haben sich nun Experten aus Deutschland und Großbritannien zu Wort gemeldet. Sie reagierten auf das Eingeständnis der britischen Rundfunkanstalt, dem zufolge Mitarbeiterin Berichte über ein kontroverses Syrien-Thema an zentralen Stellen manipuliert hat.
Das Thema des Fake-Berichtes der BBC hatte mehrfach auch in Deutschland eine Rolle gespielt, sowohl in den Medien als auch im Bundestag.
Vor einer Woche hatte das interne Kontrollgremium der BBC die Überprüfung einer Radioreportage der Journalistin Chloe Hadjimatheou veröffentlicht und mehrere Aussagen dieses Berichten widerrufen. Hadjimatheou hatte in ihrem Beitrag The Canister on the Bed, ausgestrahlt in Radio 4, am 20. November vergangenen Jahres, mehrere OPCW-Kritiker heftig attackiert.
Die betroffenen Personen hatten beanstandet, dass die OPCW einen angeblichen Giftgasangriff im April 2018 umgehend der Führung von Baschar al-Assad angelastet und dieser These widersprechende Erkenntnisse zensiert hatte. Die Organisation lieferte mit ihrem Bericht eine Rechtfertigung für Luftangriffe der USA, Großbritanniens und Frankreichs.
Nach dem angeblichen Angriff mit chemischen Waffen in Douma waren die Leichen von rund 50 Zivilisten geborgen worden. Die USA, Großbritannien und Frankreich bombardierten bereits wenige Tage nach den Ereignissen - noch während der OPCW-Ermittlungen - Einrichtungen der Assad-Regierung und der syrischen Armee.
Im Rahmen einer seit Jahren laufenden Kontroverse um einen angeblichen Giftgasangriff in der syrischen Stadt Douma hat die britische BBC nun eingestanden, diffamierende Aussagen über Kritiker der Organisation für das Verbot chemischer Waffen erfunden und journalistische Standards verletzt zu haben.
Die internen BBC-Prüfer kamen zu dem Schluss, dass Hadjimatheou ungerechtfertigte Vorwürfe gegen einen OPCW-Whistleblower als auch den britischen Journalisten Peter Hitchens von der Tageszeitung Daily Mail erhoben hatte. Auf mehrfache Nachfrage von Telepolis reagierte Hadjimatheou in den vergangenen Tagen nicht.
Ex-UN-Diplomat: Weitere Eingeständnisse werden folgen
Der ehemalige deutsche UN-Diplomat Hans-Christof von Sponeck zeigte sich gegenüber Telepolis davon überzeugt, dass "dem Eingeständnis der BBC noch weitere folgen werden".
Von Sponeck gehört zu den Mitbegründern der "Berlin Group 21", einem Zusammenschluss von Experten, die sich für die Aufklärung des mutmaßlich gefälschten OPCW-Berichtes einsetzen. Auf der Internetseite der Gruppe heißt es, man handele aus Besorgnis über die langwierige Kontroverse und die politischen Auswirkungen rund um den OPCW-Bericht und die Untersuchung des angeblichen Chemiewaffenangriffes im syrischen Douma am 7. April 2018:
Seit der Veröffentlichung des Abschlussberichts durch die OPCW im März 2019 hat eine Reihe besorgniserregender Entwicklungen ernsthafte und wesentliche Bedenken hinsichtlich der Durchführung dieser Untersuchung aufgeworfen. Zu diesen Entwicklungen gehört, dass OPCW-Inspektoren, die an der Untersuchung beteiligt waren, erhebliche verfahrenstechnische und wissenschaftliche Fehler (…) festgestellt haben, die dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt wurden. Es ist hinreichend bekannt, dass einige leitende Inspektoren (…) ablehnen, wie die Untersuchung ihre Schlussfolgerungen begründet.
Sie beschuldigen die OPCW-Leitung, unbegründete oder möglicherweise manipulierte Ergebnisse mit schwerwiegendsten geopolitischen und sicherheitspolitischen Auswirkungen akzeptiert zu haben. Die Aufrufe einiger Mitglieder des Exekutivrates der OPCW, allen Inspektoren Gehör zu ermöglichen, wurden zudem ignoriert.
Die Bedenken der Inspektoren werden vom ersten Generaldirektor der OVCW, José Bustani, geteilt. Eine beträchtliche Anzahl namhafter Personen hat Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der OVCW gefordert.
Berlin Group 21
Gegenüber Telepolis führte Von Sponeck aus, "die der Öffentlichkeit inzwischen zugegangenen Beweise, nach denen die OPCW mit Unterstützung, oder wohl besser, unter Druck westlicher Länder, ein gefährliches Falschspiel gespielt hat, ist offensichtlich geworden" Seine Gruppe stehe daher weiterhin in Kontakt mit den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen, um eine Klärung zu erreichen.
Verleumdung statt Aufklärung
"Die offizielle Kritik an der BBC-Mayday-Serie ist ein weiterer Beweis dafür, dass diejenigen, die legitime Fragen zur OPCW-Untersuchung in Douma stellen, einer Verleumdungskampagne ausgesetzt sind", sagte Piers Robinson, Leiter der britischen Forschungsgruppe Organisation for Propaganda Studies.
Im vorliegenden Fall habe die BBC unterstellt, dass einer der OPCW-Whistleblower durch finanziellen Gewinn motiviert war, obwohl dafür keine Beweise vorlagen.
Im Zuge dieser "Verleumdungskampagne" sei versucht worden, die Aufmerksamkeit "von der großen Menge an Beweisen abzulenken, die zeigen, dass die Douma-Untersuchung der OPCW manipuliert war". Dies belegten eine Reihe geleakter Dokumente, Aussagen ehemaliger OPCW-Mitarbeiter wie des Ex-OPCW-Inspektors Ian Henderson und des ersten OPCW-Generaldirektors Jose Bustani bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates.
"In der jüngsten Stellungnahme der Berlin Group 21 unter der Leitung von Hans-Christof von Sponeck wird die OPCW daher erneut aufgefordert, sich mit den offenen Fragen bezüglich der Douma-Untersuchung zu befassen", so Robinson. Die Stellungnahme sei von 28 Experten unterzeichnet worden, darunter fünf ehemalige OPCW-Beamte.
Der britische Abrüstungsexperte bezeichnete die BBC-Sendung Mayday im Telepolis-Gespräch als "plumpen und propagandistischen Versuch, all dies unter den Teppich zu kehren, indem diejenigen, die Fragen gestellt haben, persönlich angegriffen wurden". In der Serie sei sogar Jose Bustani, der erste Generaldirektor der OPCW, verleumdet worden.
"Es ist an der Zeit, dass die Verleumdungen und Desinformationen aufhören und die von den OVCW-Inspektoren selbst aufgeworfenen Fragen ordnungsgemäß beantwortet werden, damit wir die Wahrheit über den angeblichen Chemiewaffenangriff in Douma herausfinden können", so Robinsons Resümee.