Experten warnen: Klimawandel ab jetzt ungebremst
Deutscher Wetterdienst bilanziert den wärmsten September aller Zeiten in Deutschland. Auch anderswo in Europa herrschen Extreme. Was das für uns bedeutet.
Die Obstbäume trugen gut, abends konnte man im Café oft noch draußen sitzen: Vielen Menschen dürfte der gerade zu Ende gegangene September angenehm in Erinnerung sein. Nicht so den Klimaforschern. Was sie befürchtet haben, ist jetzt mit Daten bewiesen: Der vergangene Monat war zu warm. Dahinter steht offenbar ein langfristiger Trend.
Nach Auswertung der gut 2.000 Messstationen in Deutschland durch den Deutschen Wetterdienst betrug die Durchschnittstemperatur in den vergangenen 30 Tagen 17,2 Grad Celsius. Das sind 3,9 Grad mehr als ein durchschnittlicher September in der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990 – und ein Höchstwert für diesen Monat in der 142 Jahre währenden Zeitreihe von Wetteraufzeichnungen.
Selbst die bisherigen Rekorde wurden deutlich übertroffen: Die Septembermonate der Jahre 2006 und 2016 waren laut DWD im Durchschnitt jeweils 16,9 Grad Celsius warm. Tobias Fuchs, Leiter des Bereichs Klima und Umwelt beim DWD, sieht darin "einen weiteren Beleg dafür, dass wir uns mitten im Klimawandel befinden".
Temperaturen wie im Hochsommer: 33,3 Grad wurden am 12. September an der Wetterstation Waghäusel-Kirrlach südlich von Heidelberg gemessen.
An zehn Tagen kletterte das Thermometer hier im September über die 30-Grad-Marke. Vor allem im Norddeutschen Tiefland gab es "auffallend viele heiße Tage", an denen das Thermometer über 30 Grad kletterte.
So wurde erstmals im September am Nordrand der Mittelgebirge an sieben Tagen die 30-Grad-Marke geknackt – etwa in Barsinghausen-Hohenbostel (20 Kilometer südwestlich von Hannover) und in Huy-Pabstorf (45 Kilometer westlich von Magdeburg).
Mit 246 Stunden Sonnenschein war dieser September zudem auf Rekordkurs: Nur der September 1959 liegt mit 264 Stunden davor. Damals war es im Monatsmittel allerdings deutlich kühler.
Auch als zu trocken geht dieser September in die Annalen ein: Mit rund 32 Litern pro Quadratmeter fiel hierzulande nur etwas mehr als die Hälfte des Niederschlags der Referenzperiode 1961 bis 1990, was die außergewöhnliche Bodentrockenheit in weiten Teilen Ostdeutschlands noch verschärfte.
Die verheerenden Folgen der "Omega-Wetterlage"
Es war also ein gefühlter Extrem-September. Aber nicht nur das einst gemäßigte Klima Mitteleuropas war davon betroffen, fast der ganze Kontinent erlebte einen ungewöhnlichen Monat: Von der Iberischen Halbinsel bis zum Baltikum war es zuletzt mindestens drei Grad wärmer als zu dieser Jahreszeit üblich.
Mit verheerenden Nebenwirkungen: Ein bis weit in die Atmosphäre reichendes Hochdruckgebiet bescherte Mitteleuropa eine sogenannte Omega-Wetterlage: Die atlantischen Tiefdruckgebiete werden in einem Ω-Bogen um Mitteleuropa herumgeleitet. Was hier für sonniges und trockenes Spätsommerwetter sorgt, bringt westlich und östlich davon katastrophale Starkregenfälle.
Erst am vergangenen Donnerstag führten in Griechenland mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter zu schweren Überschwemmungen, die Region am Pagasitischen Golf war bereits Anfang September von den Wassermassen schwer verwüstet worden. Premierminister Kyriakos Mitsotakis sagte laut Agenturmeldungen: "Ich möchte das Offensichtliche wiederholen: Die Häufigkeit der (Wetter-)Extreme ist auffällig."
Die Überschwemmungen in Slowenien oder Libyen in diesem Jahr, die Dürren in Brasilien oder Spanien, die Rekordtemperaturen in Nordchina mit über 50 Grad oder Marokko (fast 50 Grad): Mit diesen Extremen beschäftigte sich der diesjährige Extremwetterkongress, der am Freitag in Hamburg zu Ende ging.
In ihrer Bestandsaufnahme kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Menschheit die Chance verpasst hat, "das Klimasystem mit relativ wenig Aufwand zu stabilisieren".
Einer der Redner, Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie, sagte: "Wir müssen uns damit abfinden, dass die 1,5-Grad-Grenze überschritten wird". In einer Erklärung des Kongresses heißt es, der Klimawandel werde nun weitgehend ungebremst ablaufen, "nicht mehr abwendbare massive Veränderungen auf unserem Planeten" seien zu erwarten.
Und diese sind bereits in vollem Gange: Laut dem "Climate Reanalyzer" der University of Maine sind die Meerestemperaturen in diesem Jahr um mehrere Zehntel Grad gestiegen, die Ozeane waren noch nie so heiß wie heute. Und natürlich gibt es solche Auswirkungen nicht nur unter Wasser, sondern auch oben in den Bergen: Nach Erhebungen der Schweizerischen Kommission für Kryosphärenbeobachtung haben die Gletscher der Alpenrepublik in den vergangenen zwei Jahren zehn Prozent ihres Volumens eingebüßt. Damit ging in nur zwei Jahren so viel Eis verloren wie insgesamt zwischen 1960 und 1990.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.