Fachkräftemangel: Jeder fünfte junge Erwachsene ohne Berufsabschluss

Ein junger Erwachsener, der nach erfolgreicher Ausbildung Metall schneidet.

(Bild: GingerKitten / Shutterstock.com )

Der Fachkräftemangel in Deutschland verschärft sich dramatisch. Doch ausgerechnet die Jugend wendet sich von der Ausbildung ab und Betriebe bilden kaum aus.

Wirtschaftsinstitute sehen Fachkräftemangel als zentrales Problem an. So sind über 47.000 Stellen im Gesundheitswesen nicht mit dem nötigen Personal besetzt. Die Branche ist am stärksten vom Personalmangel betroffen, ergibt eine Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).

Fachkräftemangel trifft Gesundheitswesen, Einzelhandel und Maschinenbau

Auch andere Branchen leiden unter diesem Problem. "Fachkräftemangel trifft die Wursttheke", meldet focus.de. Es fehle besonders an Fleischermeistern. "Ich habe mich händeringend um einen Meister und Fachpersonal bemüht. Aber da kam nichts", sagt etwa Anja Kost, die einen Edeka in Bad Segeberg in Schleswig-Holstein betreibt.

"Weil die geburtenstarken Jahrgänge, auch Babyboomer genannt, in den kommenden Jahren in Rente gehen, dürfte die Fachkräftelücke in Zukunft noch größer werden. Mit ihr wächst dann auch das verloren gegangene Produktionspotenzial: Laut Modell steigen die Kosten des Fachkräftemangels im Jahr 2027 auf 74 Milliarden Euro", meldet das IW.

Eine wichtige Branche ist ebenfalls betroffen. "Als Folge der demografischen Entwicklung werden in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich rund ein Viertel aller Beschäftigten im Maschinenbau in den Ruhestand wechseln. Das entspricht nach aktuellem Stand mehr als 296.000 Personen", meldet das IW bei Vorstellung einer Studie.

Rekordwert: Immer mehr junge Menschen ohne Berufsabschluss

Trotzdem haben immer mehr junge Menschen keinen Berufsabschluss. Im aktuellen Berufsbildungsbericht der Bundesregierung heißt es, dass 2,86 Millionen Menschen nicht über eine formale Qualifikation verfügen – ein Rekordwert, der sich allein auf die 20- bis 34-Jährigen bezieht. Damit bleiben 19,1 Prozent der Altersgruppe, also knapp jeder fünfte junge Erwachsene, ohne Berufsabschluss. Im Jahr davor waren es 17,8 Prozent.

Der Aufwand, Jugendliche an die Ausbildung heranzuführen, ist vielen Betrieben zu groß. Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) soll bundeseinheitliche Standards der Berufsausbildung sicherstellen. Denn Ausbildungsordnungen oder die Ausbilder-Eignungsverordnung sehen klare Pflichten für Ausbilder vor.

Nach § 14 BBiG hat der Ausbildungsbetrieb

dafür zu sorgen, dass den Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist, und die Berufsausbildung in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann.

Das setzt eine klare Gliederung der Ausbildung voraus, damit ein Lernen im Betrieb sichergestellt ist und junge Menschen nicht als billige Arbeitskräfte eingesetzt werden. Zur Strukturierung eines betrieblichen Ausbildungsplans ist es sinnvoll, die Ausbildungsinhalte nach Ausbildungsjahren zu gruppieren und sie dann zu Lernfeldern zusammenzufügen, die bestimmten Lernorten zugeordnet werden. Diese Mehrarbeit scheuen zunehmend Unternehmen.

Forderung der Gewerkschaftsjugend: Ausbildungsplatzabgabe

Seit Jahrzehnten fordert die Gewerkschaftsjugend eine Ausbildungsplatzabgabe – nach dem Motto "Wer nicht ausbildet, muss zahlen!", sollen Unternehmen einen Ausgleich zahlen, durch den staatliche und überbetriebliche Maßnahmen jedem jungen Menschen eine Ausbildung garantieren. Der Vorschlag wurde bis heute nicht umgesetzt.

Die scheidende "Ampel"-Koalition der Bundesregierung hat mit dem "Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung" zum 1. April 2024 eine neue Regelung in Kraft gesetzt: Die sogenannte "Ausbildungsgarantie" umfasst verschiedene Beratungs- und Unterstützungsangebote – angefangen bei der beruflichen Orientierung und Beratung bis zu Hilfen bei der Aufnahme und für den erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung.

Auch wurde ein Anspruch auf Förderung einer außerbetrieblichen Berufsausbildung eingeführt, wenn junge Menschen in einer Region mit zu wenig Ausbildungsplätzen wohnen und trotz eigener Bemühungen keinen Ausbildungsplatz finden.

Befragung zeigt: Unternehmen vernachlässigen Fachkräftesicherung

Eine Befragung des "DGB-Index Gute Arbeit" zeigt die Versäumnisse der Unternehmen bei der Fachkräftesicherung auf. Knapp 7.000 Beschäftigte gaben Auskunft zu den Themen Personalmangel und Weiterbildung. Fehlendes Personal erhöht den Stress der weiter im Betrieb Beschäftigten.

Zusätzliche Arbeitsaufgaben (76 Prozent), ein höheres Arbeitstempo (60 Prozent) und mehr Überstunden (57 Prozent) sind die häufigsten Folgen von Personalmangel. Die Folge ist eine Abwärtsspirale, wenn die hohe Belastung dazu führt, dass weitere Beschäftigte den Arbeitsbereich verlassen.

Die interne Förderung und Entwicklung bleibt hinter den Anforderungen zurück. Zwar stehen betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen einer Mehrheit der Beschäftigten zur Verfügung, allerdings sind diese Angebote überwiegend von kurzer Dauer, bemängelt der DGB.