Fast Klonen und ein kleiner Eingriff in die Keimbahn
Amerikanische Forscher haben ein neues Verfahren für die künstliche Reproduktion entwickelt
Künstliche Befruchtung ist bereits ein florierender Geschäftszweig, in dem auch viel Geld für die Forschung ausgegeben wird, weil es sich lohnt. Der Druck der Menschen, die aufgrund von Unfruchtbarkeit zur In-Vitro-Fertilisation zugreifen, und deren Bereitschaft, auch neue Techniken anzuwenden, fördert nicht nur die Anwendung der Präimplantationsdiagnostik, um Embryos mit voraussehbaren Erbkrankheiten nicht einzupflanzen, sondern lässt auch das Lager der eingefrorenen, nicht gebrauchten Embryos anwachsen, die für die Forschung mit embryonalen Stammzellen verwendet werden können. Neben der Unfruchtbarkeit, die zunimmt, sorgt auch das höhere Alter der Frauen, die womöglich nach der Erwerbstätigkeit doch noch Kinder erhalten wollen, für neue "Fortschritte" bei der Überwindung der biologischen Sperren.
Allgemein wird in den reichen Industrieländern das Sperma der Männer immer schlechter und weniger, während Hodenkrebs ansteigt, aber auch die Unfruchtbarkeit der Frauen nimmt zu. Nach einer Auswertung von europäischen Datenbanken kommt die European Society for Human Reproduction and Embryology (ESHRE) zu dem Schluss, dass eines von sechs Paaren irgendein Unfruchtbarkeitsproblem besitzt. Mittlerweile gebe es bereits eine Million Babys, die durch künstliche Reproduktion seit den 23 Jahren auf die Welt gekommen sind, als Louise Brown in Großbritannien als erstes IVF-Kind geboren wurde. Die Hälfte aller Kinder, die mit Reproduktionstechniken auf die Welt kamen, stammen aus Europa. 1997, aus diesem Jahr stammen die Daten, wurden über 203.000 Schwangerschaften in 18 europäischen Ländern eingeleitet. Daraus entstanden 40.000 Kinder. Vorreiter sind Frankreich, Großbritannien und Deutschland. In den 10 europäischen Ländern, die solche Geburten erfassen, werden bereits 1,3 Prozent aller Kinder aufgrund künstlicher Reproduktion geboren. In Frankreich wurden so im Jahr 1997 4.509 Kinder durch IVF geboren, 3.514 durch intrazytoplasmatische Injektion von Sperma und 708 mittels eingefrorener Embryos. Während der "Erfolg" pro eingepflanztem Embryo zwischen 20 und 25 Prozent liegt, ist die Wahrscheinlichkeit, Zwillinge zu erhalten, bei fast 30 Prozent.
Der Trend besteht, dass auch über 60jährige Frauen noch Kinder bekommen wollen. Der italienische Reproduktionsspezialist Severino Antinori, der das Klonen eines Menschen angekündigt hat, ist darüber bekannt geworden. Gerade erst ging die Meldung durch die Medien, dass eine 62jährige pensionierte französische Lehrerin durch künstliche Befruchtung in den USA schwanger wurde. Das Ei stammte von einer Spenderin, der Samen von ihrem Bruder. Aufmerksamkeit fand auch ein andere Technik, bei der Ooplasma (Flüssigkeit innerhalb der Eizelle) von fruchtbaren Spenderinnen in die unfruchtbaren Eizellen von Patiententinnen eingeführt wird, um diese dann zu befruchten. Mit dem Ooplasma der Spenderin gelangen allerdings auch Gene der Mitochondrien, in die Eizelle, so dass bei geglückter Befruchtung das entstehende Embryo die Gene der Mutter, des Vaters und der Spenderin des Ooplasmas enthält. Das wäre bereits eine Veränderung der Keimbahn, auch wenn dies noch zufällig und nicht gezielt geschieht. An die 30 Mal sind auf diese Weise angeblich gesunde Kinder gezeugt worden, obgleich eine Veröffentlichung Fehlschläge unterschlagen hatte.
Jetzt haben Wissenschaftler ein weiteres Verfahren entwickelt, um Frauen, deren Eizellen unfruchtbar sind oder die aufgrund von Alter oder Chemotherapie keine reifen Eizellen mehr besitzen, zu helfen. Die Richtlinie scheint dabei stets zu sein, dass mit künstlicher Reproduktion geschaffenen Kinder genetisch möglichst nahe an den "Eltern" sein sollen, während die eingesetzte Technik beliebig kompliziert werden darf. Bislang müssen Frauen, deren Eizellen nicht befruchtet werden können, solche von einer gesunden Spenderin verwenden. Dadurch erhält das Kind natürlich die Gene der Spenderin. Möglicherweise funktioniert auch das oben beschriebene Verfahren, nur das Ooplasma einer Spenderin in die Eizelle einzuführen, wobei das Kind zusätzliche DNA erhält.
Reproduktionsmediziner des Center for Reproductive Medicine and Infertility (CRMI) der Cornell University benutzen zwar auch die Eizellen einer Spenderin, aber entkernen diese und führen die Gene einer beliebigen Körperzelle in diese ein. Dann wird die Eizelle, ausgestattet mit der DNA der Frau, die ein Kind wünscht, befruchtet. Das ist im Prinzip bereits dasselbe Verfahren, das auch beim Klonen verwendet wird, nur dass hier noch die DNA von Frau und Mann durch die Befruchtung gemischt werden.
Normalerweise besitzen reife Keimzellen jeweils nur eine Hälfte des Chromosomensatzes einer normalen diploiden Zelle. Bei der Befruchtung werden durch Verschmelzung die einfachen Chromosomensätze von Eizelle und Samenzelle kombiniert. Bei den Keimzellen, die anfänglich wie jede andere Zelle auch diploid ist, findet während der Reifung eine Teilung statt, durch die jede Zelle nur noch einen einfachen Satz von Chromosomen besitzt.
Wenn man also in eine entkernte Eizelle die DNA einer anderen Zelle einfügt, hat man bereits eine diploide Zelle, aus der sich ein Klon herstellen ließe. Doch da die Reproduktionsmediziner die DNA von Vater und Mutter wie "natürlich" mischen wollen, mussten sie vor der Befruchtung die Hälfte der Chromosomen aus der Eizelle wieder entfernen. Das gelang durch einen kleinen Stromstoß, der die Teilung in Gang setzte. Nach der Entfernung des "überzähligen" Chromosomenansatzes wurden die Eier dann befruchtet. Noch scheint das Verfahren nicht sehr effektiv zu sein. !50 Eizellen wurden auf diese Weise befruchtet, aber nur wenige begannen sich dann zu teilen, was ein Zeichen dafür sein könnte, dass die Befruchtung erfolgreich war.
Das hinderte Takumi Takeuichi vom CRMI, der am Montag auf der ESHRE-Konferenz in Lausanne die Forschung vorstellte, nicht daran, schon einmal zu behaupten, wie BBC berichtet, dass sich in Zukunft vielleicht jede Körperzelle verwenden ließe, um beispielsweise älteren Frauen die Möglichkeit zu geben, noch Kinder mit der eigenen DNA zu bekommen. Allerdings müssten zuvor noch Tierversuche durchgeführt werden, bevor man an die Anwendung des Verfahrens bei Menschen denken könne.
Allerdings ist das Verfahren dem Klonen so ähnlich, dass vermutlich erhebliche Bedenken laut werden, falls es tatsächlich bei Menschen angewendet werden sollte. Und auch bei diesem Verfahren hätte ein daraus entstehendes Kind die DNA von drei Menschen: von der Mutter, von der der Zellkern der Eizelle stammt, vom Vater, dessen Sperma die andere Hälfte des Chromosomensatzes enthält, und von der Eispenderin, weil auch im Ooplasma der entkernten Eizelle zumindest noch die nicht im Kern befindliche DNA der Mitochondrien ist.