Ferda Atamans Wumms zur Antidiskriminierung

Ferda Ataman. Foto (2019): Stephan Röhl / CC BY-SA 2.0

Hitzige Debatte über Vorschläge zur Reform des Gleichbehandlungsgesetzes. Rechtswissenschaftler sieht Überschreitung grundgesetzlicher Essentials. Drastische Kritik von der FDP, die das Justizministerium hat.

Das Antidiskriminierungsgesetz brauche $(LEhttps://taz.de/Forderungen-von-Beauftragter-Ataman/!5948397/:mehr , so Bernhard Franke. Der Jurist hat einschlägige Erfahrung. Franke war vier Jahre lang kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Viele Baustellen gebe es bei der Gleichstellungspolitik, so das Résumé zu seinem Abschied.

Seine Nachfolgerin, seit Juni 2022 reguläre Stellen-Chefin, Ferda Ataman, ist – was diesen Anspruch betrifft – die genau richtige Besetzung.

Ataman hat vor ein paar Tagen ein Grundlagenpapier für mit Vorschlägen für die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), so der offizielle Titel des Antidiskriminierungsgesetzes, vorgelegt. Die Folge: viel Karacho.

Verfassungswidrige Vorschläge

Die Kritik hält sich nicht mit soften Kleinigkeiten auf. Atamans Forderungen seien "in vielen Punkten offensichtlich so verfassungswidrig", erklärt der Rechtswissenschaftler Volker Boehme-Neßler in einem Interview mit dem Magazin Cicero, dass er sich kaum vorstellen könne, "dass der Bundestag das beschließt".

Die politischen Reaktionen, die sich sehr deutlich gegen den Vorschlag Atamans aussprechen, kommen auffallend oft ausgerechnet aus der FDP, die den Justizminister stellt. Zum Beispiel: "Das Papier von Frau Ataman sorgt für Verunsicherung und fördert Missbrauch, Falschbeschuldigungen und Erpressungen", Kathrin Helling-Plahr, rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, oder Gerald Ullrich, FDP-Bundestagsabgeordneter, der Ataman vorwirft, die Unschuldsvermutung auszuhebeln.

Der heikle Punkt, der hier angesprochen wird, findet sich in Punkt 15 der Vorschläge. Dort heißt es zur Beweislasterleichterung bei Diskriminierungen: "Das Erfordernis, eine Benachteiligung und Indizien nachzuweisen, sollte auf die Glaubhaftmachung herabgesenkt werden, das heißt, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt."

"Normalerweise müssen Sie etwas beweisen, wenn Sie etwas einklagen wollen", kommentiert dies der Rechtswissenschaftler Volker Boehme-Neßler:

Im Rechtsstaat kann man deshalb nicht einfach Behauptungen aufstellen und dann das Gericht in Bewegung setzen, sondern man muss Beweise vorlegen. (…) Man könnte ganz einfach eine Behauptung aufstellen, um jemanden vor Gericht zu bringen. Wir erleben das ja im Augenblick, wie mit einer unheimlich großen Wirkung in der Öffentlichkeit oder auf Social Media schnell Behauptungen aufgestellt werden. Am Ende stellt sich oft heraus, dass eigentlich kaum was dran war. Diese Beweislastumkehr würde auch den Missbrauch von Diskriminierungsklagen sehr erleichtern.

Volker Boehme-Neßler

Ferda Ataman hält dies für unsachliche Kritik. Die Umkehr der Beweislast sieht sie nicht.

Es bleibt weiterhin dabei, dass eine betroffene Person Tatsachen vorlegen und ein Gericht entscheiden muss, ob eine Diskriminierung stattgefunden hat. Ins Blaue hinein kann also niemand behaupten, diskriminiert worden zu sein und erfolgreich klagen.

Ferda Ataman

Gegenüber RND erklärte sie, dass es ihr in ihrer Forderung darum gehe, die gültigen Rechtslage so weit klarzustellen, "dass eine Beweislasterleichterung möglich ist – zum Beispiel durch eidesstattliche Versicherungen, Testing-Verfahren oder Statistiken." Diese Glaubhaftmachung stehe seit schon seit 2006 in der Gesetzesbegründung zum AGG. Überdies folge die der europäischen Gesetzgebung.

"Überwachungskompetenzen"

Die Beweislasterleichterung, die in den Augen der Kritiker auf eine Beweislastumkehr hinausläuft, ist allerdings nicht der einzige Punkt, der mit rechtsstaatlichen Grundlagen konfligiert, wie Boehme-Neßler der ehemaligen Aktivistin vorwirft, die seiner Meinung nach den Rollentausch zur Vertreterin der Interessen der Allgemeinheit nicht vollzogen hat.

Er listet auf: Das altruistische Klagerecht für den Atamans Posten der Unabhängige Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung, das in Punkt 18 der Vorschläge gefordert wird, laufe auf Überwachungskompetenzen und eine Ausweitung der Überwachung hinaus.

"Jedes Unternehmen würde sich von ihr überwacht fühlen", sorgt sich der Rechtswissenschaftler.

Wenn ein Gerücht auftauchen würde, dass jemand – vielleicht – diskriminiert wird, dann bestünde die Gefahr, dass Frau Ataman eingreift und Klage erhebt. Das fördert eine Atmosphäre der Angst und des Misstrauens.

Volker Boehme-Neßler

Die verpflichtende Schlichtung

Ein weiterer Kritikpunkt für ihn ist Punkt 19 der Vorschläge: "Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sollte die Möglichkeit zu einer verpflichtenden Schlichtung erhalten, sofern die betroffene Person dies wünscht."

Wenn er das richtig lese, so Boehme-Neßler, laufe das darauf hinaus, dass Beschuldigte, die von der Schlichtungsstelle der Antidiskriminierungsbeauftragten gezwungen werden, teilzunehmen, "sogar die Möglichkeit abgeschnitten werden, dann vor Gericht zu gehen. Dieser Vorschlag kann gar nicht umgesetzt werden; er ist verfassungswidrig. Jeder muss Möglichkeiten haben, Rechtsschutz anzurufen, das ist dem Grundgesetz wichtig".

Man darf gespannt sein, wie die Dienststelle und ihre engagierte Leiterin auf diese Kritik reagiert und die Vorschläge umarbeitet.

Dass bei der Gleichbehandlung nachgebessert werden muss, steht im Koalitionsvertrag. Dort wird aufgefordert: Schutzlücken zu schließen, den Rechtsschutz zu verbessern und den Anwendungsbereich auszuweiten. Daran kommt auch die FDP nicht vorbei. Die Frage ist, was man dort zugesteht.

Dafür spielt die Debatte eine wichtige Rolle. Und immerhin: Ataman sorgt für Diskussionen.