Fischsterben in der Oder: Experten fürchten zweite Katastrophe
Weder die Ursachen für das Fischsterben wurden beseitigt, noch wurden die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen. Was Wissenschaftler raten, um eine neue Umweltkatastrophe zu verhindern.
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) vergibt jedes Jahr den Negativpreis "Dinosaurier des Jahres". In diesem Jahr geht er an den zwischen Deutschland und Polen verlaufenden Grenzfluss Oder.
"Wer in diesem Jahr nach der größten Umweltsauerei sucht, hat sofort die Umweltkatastrophe an der Oder vor Augen", begründete Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger die Auszeichnung. Besonders ins Gedächtnis gebrannt hätten sich die Bilder der bis zu 400 Tonnen an totem Fisch, die entlang des Flusses geborgen worden seien.
Wissenschaftler waren sich weitgehend einig darüber, dass die Umweltkatastrophe keine natürliche Ursache hatte, sondern von Menschen verursacht wurde. Doch bis heute ist nicht geklärt, wer die Verantwortung trägt – und wie Ökologen kürzlich erklärten, könnte sich das Fischsterben im kommenden Jahr wiederholen.
Bereits im August hatten Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) eine hohe Konzentration der Brackwasseralge Prymnesium parvum nachgewiesen. Die Alge kann starke Giftstoffe bilden, welche die Atmungsorgane von Kiementieren angreifen. In der Folge erstickten Fische, Muscheln und Schnecken massenhaft.
Mehrere Faktoren kamen zusammen, die eine Algenblüte begünstigten: ein hoher Salzgehalt, hohe Nährstoffkonzentrationen, ein niedriger Wasserstand und hohe Temperaturen. Die Verursacher der hohen Salzkonzentrationen konnten allerdings bis heute nicht ermittelt werden.
Die Staatsanwaltschaft in Breslau hat nach eigenen Angaben bis Weihnachten 400 Zeugen befragt – aber für eine Anklage reichten die Ergebnisse bislang nicht. Zuvor hatte auch die polnische Umweltbehörde mitgeteilt, dass es keine Hinweise auf illegale Einleitungen gebe. Für alle Einleitungen, denen man nachgegangen sei, lagen demnach behördliche Genehmigungen vor.
Nach Ansicht des WWF Polen entlastet das den polnischen Staat nicht von seiner Verantwortung. Dass die Verschmutzung der Oder überdurchschnittlich sei, sei den Behörden mindestens seit 2019 bekannt, erklärten die Umweltschützer bereits Ende September.
Aus einem Bericht der polnischen Behörden gehe eindeutig hervor, dass man bei den Kontrollen der Wassergenehmigungen nachlässig sei und dass das System selbst mangelhaft sei. Dieses erteile eine beliebige Anzahl von wasserrechtlichen Genehmigungen, ohne die Summe der Belastungen und deren Auswirkungen auf das Ökosystem zu untersuchen.
Zu den großen Verschmutzern entlang der Oder gehören laut tagesschau.de große staatliche Bergbauunternehmen, Industriebetriebe und der staatliche Kupferförderer KGHM.
Auch die polnische Wasserbehörde, die die Genehmigungen erteilt, gilt demnach als der PiS-Regierung nahestehende Institution. Unter der Hand werde kritisiert, heißt es bei tagesschau.de, dass die Mitarbeiter oft nach Parteizugehörigkeit statt nach Kompetenz ausgewählt würden.
So verwundern auch die hohen Salzfrachten nicht, die nach wie vor in der Oder zu finden sind. IGB-Forscher Tobias Goldhammer erklärte in der vergangenen Woche dazu:
Unsere chemischen Analysen zeigen ein sehr ähnliches Ionenprofil wie im Sommer. Der Hauptbestandteil der Salzfracht ist weiterhin Natriumchlorid, also übliches Kochsalz. Wir haben in den Wasserproben aus der Unteren Oder etwa 400 Milligramm davon pro Liter Wasser gefunden, das ist in etwa die Hälfte der gesamten Salzmenge in diesen Proben. Wir wissen von den Messstellen auch, dass flussaufwärts noch viel mehr davon im Flusswasser gelöst sein muss. Daraus schließen wir, dass die Einleitungen unvermindert weitergehen.
Die Forscher vom IGB schlagen vor diesem Hintergrund vor, die Genehmigungen bis April von bestimmten Salzmengen, die eingeleitet werden dürfen, auf Salzkonzentrationen zu ändern. Dabei sollte auch ein ökologisch verträglicher Grenzwert auf wissenschaftlicher Basis festgelegt werden.
Anderenfalls könnte sich die Katastrophe im Sommer wiederholen. Das Einzige, was im Moment für eine Massenentwicklung der Prymnesium parvum fehle, heißt es in der IGB-Erklärung, seien die hohen Temperaturen.
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